Papst Franziskus bringt dem Irak eine Botschaft der Hoffnung und Versöhnung
Papst Franziskus hat seine Irak-Reise wohlbehalten absolviert, nachdem er
ein großes Risiko eingegangen war, sowohl im Hinblick auf die verbreitete
COVID-Pandemie als auch auf die persönliche Sicherheit in einem Land, das
immer noch unter Terroranschlägen und Scharmützeln zwischen US-Streitkräften
und irakischen Milizen leidet. Die Reise vom 5. bis 8. März war eine wichtige
Intervention in den Irak, um die Wunden der vielen Kriege zu heilen – aber
mehr noch die der sektiererischen Gewalt, die das Land seit der
anglo-amerikanischen Invasion 2003 erfaßt und alle religiösen und ethnischen
Gruppen trifft.
„Ich komme als Pilger, als bußfertiger Pilger, um vom Herrn Vergebung und
Versöhnung zu erflehen nach Jahren des Krieges und des Terrorismus“, sagte
Papst Franziskus in seiner Botschaft, bevor er in den Irak flog. „Ja, ich
komme als Pilger des Friedens, auf der Suche nach Brüderlichkeit und
angetrieben von dem Wunsch, gemeinsam zu beten und gemeinsam zu gehen, auch
mit unseren Brüdern und Schwestern anderer religiöser Traditionen, auf den
Spuren von Vater Abraham, der Muslime, Juden und Christen in einer Familie
vereint.“
Der Papst besuchte die antike Stadt Ur im Südirak, den Geburtsort Abrahams,
und leitete dort ein interreligiöses Treffen, bei dem Verse aus dem Koran
rezitiert wurden und Vertreter verschiedener Religionen und Konfessionen unter
freiem Himmel in einer ruhigen Atmosphäre in der Nähe der restaurierten
antiken Ruinen sprachen. Die Region um Ur war die Wiege der sumerischen
Zivilisation, die noch vor Abraham entstand, mit den ersten organisierten
Siedlungen bäuerlicher Gesellschaften, die Kanalbau und Bewässerungstechnik,
Astronomie sowie das sexagesimale mathematische System (auf 60er-Basis)
entwickelten. Dies ist heute eine wichtige Quelle der Identität und des
Stolzes für das irakische Volk.
Eine der wichtigsten Interventionen war der Besuch von Papst Franziskus
beim geistlichen Führer der irakischen Schiiten, Ajatollah Ali Al-Sistani.
Dieser war 2014 entscheidend daran beteiligt gewesen, die Iraker und besonders
die Schiiten zu mobilisieren, gegen den sog. „Islamischen Staat“ (IS) zu
kämpfen, nachdem Armee und Sicherheitskräfte es nicht geschafft hatten, die
von syrischem Gebiet ausgehende IS-Offensive zurückzuschlagen.
Diese Mobilisierung rettete nicht nur den Irak und half bei der
Zerschlagung des „Islamischen Staates“, sondern rettete auch das Leben vieler
Christen und gab ihnen ihre Kirchen in Mossul zurück. Laut einer Erklärung des
Vatikans dankte der Papst Al-Sistani dafür, daß er „inmitten der Gewalt und
großen Nöte der letzten Jahre die Schwächsten und Verfolgten verteidigt und
die Heiligkeit des menschlichen Lebens und die Bedeutung der Einheit des
irakischen Volkes bekräftigt hat“.
In einer Erklärung von Al-Sistanis Büro hieß es, er habe Franziskus für den
Aufruf zu Brüderlichkeit und Frieden zwischen den verschiedenen
Glaubensrichtungen gedankt. Allerdings sprach Al-Sistani über auch „das Leiden
vieler Menschen in verschiedenen Ländern aufgrund von Ungerechtigkeit,
Verfolgung, Armut und religiöser und intellektueller Unterdrückung sowie der
Unterdrückung von Freiheiten und fehlender sozialer Gerechtigkeit“,
insbesondere durch „Kriege, Gewaltakte, Wirtschaftssanktionen und
Deportationen, und speziell des palästinensischen Volkes in den besetzten
Gebieten“.
Die Erwähnung der Palästinenser und ihrer Not in den besetzten Gebieten
wurde in Medien und sozialen Medien als Absage an eine „Normalisierung der
Beziehungen zu Israel“ ausgelegt. Nachdem US-Präsident Trump in den letzten
Jahren das „Abraham-Abkommen“ zwischen den Emiraten (VAE) und Israel
organisiert hatte, hatten auch Bahrain und der Sudan Schritte zur
Normalisierung unternommen. Einige Analysten hatten besorgt vermutet, der
Besuch des Papstes könnte dazu dienen, auch im Irak eine entsprechende
Atmosphäre zu schaffen, doch es wurde vom Papst nicht aufgegriffen. Al-Sistani
rief die Großmächte auf, bei der Lösung von Konflikten auf „Weisheit“ zu
setzen. Sein Verweis auf die Kriege und Wirtschaftssanktionen bezieht sich
offensichtlich (ohne sie namentlich zu nennen) auf die Politik der
Anglo-Amerikaner gegenüber Syrien, Jemen und Iran sowie den
Palästinensern.
Eine besonders berührende Veranstaltung fand im Zentrum der Altstadt von
Mossul statt, die durch Vandalismus des IS wie auch durch die US-Bombardierung
von IS-Kämpfern im Juni 2017 in Trümmer gelegt wurde. Auf dem Hosh al-Bieaa
(Kirchenplatz) in Mossul sagte Papst Franziskus am 7. März:
„Herr, unser Gott, in dieser Stadt bezeugen zwei Symbole die
immerwährende Sehnsucht der Menschheit, sich dir zu nähern: die
Al-Nuri-Moschee mit ihrem Al-Hadba-Minarett und die Kirche Unserer Lieben Frau
von der Uhr. Diese Uhr erinnert alle Vorübergehenden seit mehr als hundert
Jahren daran, daß das Leben kurz und die Zeit kostbar ist. Lehre uns
verstehen, daß du uns deinen Plan der Liebe, des Friedens und der Versöhnung
anvertraut hast, damit wir ihn in der Zeit, in der kurzen Spanne unseres
irdischen Lebens verwirklichen können. Laß uns verstehen, daß es nur dann
möglich sein wird, diese Stadt und dieses Land wiederaufzubauen und die vom
Schmerz zerrissenen Herzen zu heilen, wenn wir deinen Plan der Liebe ohne
Umschweife in die Tat umsetzen.“
Irakische Fernsehsender übertrugen die Ereignisse an allen Tagen live, und
die Menschen überschlugen sich in den sozialen Medien mit Anerkennung für den
Papst, der in den Augen der meisten Iraker diesem Land, das immer noch unter
den Folgen von Krieg und Terrorismus leidet, eine große Botschaft der
Versöhnung und des Friedens brachte.
Videos der Reise sind auf dem YouTube-Kanal des Vatikans
verfügbar.
Hussein Askary
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