Stellt das Völkerrecht wieder her:
Respektiert Syriens vollkommene Souveränität!
Von Dr. Bouthaina Shaaban
Dr. Bouthaina Shaaban ist Politik- und Medienberaterin der
syrischen Präsidentschaft. Im ersten Abschnitt der Internetkonferenz des
Schiller-Instituts am 8. Mai hielt sie den folgenden Vortrag.
Guten Morgen Ihnen allen. Zunächst möchte ich meiner Freundin Helga
LaRouche und dem Schiller-Institut danken, daß sie mich eingeladen haben,
heute morgen bei Ihnen zu sein, zu einem Thema, das mein Herz berührt. Ich
möchte über Syrien und die Weltordnung sprechen und darüber nachdenken, was in
den letzten zehn Jahren passiert ist, und inwiefern das meiner Meinung nach
für die Diskussion Ihrer wertvollen Konferenz relevant ist.
Vom ersten Tag des Krieges gegen Syrien an, am 15. März 2011, hatten wir
das Gefühl, daß wir einen doppelten Krieg führen – einen, der auf den Straßen
stattfindet, mit Menschen aus Fleisch und Blut, angeleitet von gut
organisierten, geheimen Kräften, die ihnen Anweisungen geben, was sie zu tun
haben und wie, und einen zweiten, parallelen Krieg, der mit Konzepten und
Behauptungen zu tun hat und sich darauf konzentriert, das syrische Volk
darüber zu verwirren, was in seinem Land geschieht und was das Endziel dieser
außergewöhnlichen Bewegungen auf den Straßen wie auch in den westlichen Medien
ist.
Ich erinnere mich, daß sich am 24. März (2011) die Regionalführungen und
die Regierung trafen und große Entscheidungen trafen, um auf alle Forderungen
der Menschen auf der Straße zu reagieren. Am selben Tag berief ich eine
Pressekonferenz für das gesamte Medienkorps in Damaskus ein. Und die Syrer
waren an diesem Abend sehr glücklich, einige feierten sogar und glaubten, die
Probleme seien vorbei.
Weit gefehlt. Die Bewegung auf den Straßen und der Medienkrieg gegen Syrien
schienen neuen Antrieb zu bekommen und sich in neue Gebiete des Landes
auszubreiten.
Heute, nachdem wir einige durchgesickerte Dokumente verschiedenen Ursprungs
zu lesen bekamen, wissen wir z.B. aus durchgesickerten britischen Papieren,
daß der britische Staat über verschiedene Agenten syrische Männer und Frauen
gefunden hat, die sie „Augenzeugen“ nennen. Alle Medien des Westens und der
Golfstaaten wurden aus Syrien abgezogen, und sämtliche westliche Medien
bezogen ihre Nachrichten von diesen „Augenzeugen“ und von einem Mann, der in
englischen Coventry sitzt und dessen Name Rami Abdul Rahman ist, der eine
Plattform namens „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ erfand. Die
Regierungen des Westens und der Golfstaaten stachelten syrische
Regierungsbeamte zum Abweichen auf und bestachen einige mit Geld, damit sie
sich den Regierungsgegnern anschließen, und sie versicherten ihnen, das
politische System würde innerhalb von ein oder zwei Wochen stürzen und
zusammenbrechen.
Anfang April 2011 traf ich mich mit den amerikanischen, britischen und
französischen Botschaftern und sagte ihnen: Was Sie in Syrien anzetteln, wird
das Leben der Menschen in Syrien nicht besser machen. Im Gegenteil, es wird
ihr Leben viel schlechter machen, der Irak ist dafür das beste Beispiel.
Heute, nach all der Zerstörung, die über Syrien hereingebrochen ist, und
all dem Tod, Blutvergießen und Verlust von Leben und Institutionen und unserer
Ökologie und eines Teils unserer zivilisierten Identität, ist es für uns ganz
offensichtlich, daß westliche Regierungen, insbesondere Militär und
Geheimdienste, Tausende von Terroristen rekrutiert, ausgebildet und
losgeschickt haben, mit Hilfe von Geld aus Katar und den Emiraten und
türkischer Unterstützung, um Syrien zu zerstören, und daß sie nie daran
interessiert waren, Syrien zu einem besseren Ort für seine Menschen zu machen.
Vielmehr wollten sie aus Syrien einen kaputten Satellitenstaat machen, der
ihren Befehlen folgt, und dessen Ressourcen sie plündern, genau wie bei den
Kriegen gegen den Irak, Libyen und Jemen.
Wenn man genauer über diesen Punkt nachdenkt, haben die westlichen Mächte
uns eigentlich immer als Kolonisierte behandelt, und sie leiteten ihre
Ansichten über uns von den Orientalisten ab, die auf uns herabblickten, nicht
von unserer Realität, unserer Geschichte und unserer Werteordnung.
Die Unterwerfung Syriens war für die westlichen Mächte wichtig, weil
Syrien, wie jeder weiß, das „Kronjuwel“ der arabischen Welt ist: Deshalb
setzten sie Milliarden von Ölgeldern, Waffen und Terroristen ein, um ihren Job
für sie zu erledigen.
Sobald sie erkannten, daß dies eine „Mission impossible“ ist, wegen ihrer
Unsummen an Kosten und der Opferbereitschaft des syrischen Volkes, verschoben
sie den Fokus von einem militärischen Krieg zu schrecklichen, kriminellen,
einseitigen Zwangsmaßnahmen gegen das syrische Volk, die in jeder Hinsicht
illegal sind, weil sie eine Form der Kollektivstrafe für das syrische
Volk sind.
Sobald die Terroristen weitgehend besiegt waren, schickten die USA ihr
eigenes Militär, um das syrische Volk auszuhungern und seinen Willen zu
brechen.
Es ist jetzt ganz klar, nach dem, was im Irak, in Syrien, Libyen und im
Jemen stattgefunden hat, daß die westlichen Mächte darauf aus sind, unser Land
zu zerstören und unsere Ressourcen zu plündern. Der gute Nebeneffekt des
Krieges gegen Syrien, wenn es so etwas überhaupt gibt, ist der, daß China und
Rußland sich zusammengetan haben, um im Sicherheitsrat mehr als zehnmal ihr
doppeltes Veto einzulegen, um eine weitere militärische Aggression der
westlichen Mächte gegen Syrien zu verhindern.
Der Fall Syrien war sehr wichtig, um die Notwendigkeit eines neuen
Paradigmas zu verdeutlichen. Die würdelosen amerikanischen Sanktionen gegen
Rußland und China und ihre eklatante Einmischung in die inneren
Angelegenheiten Chinas durch den sogenannten „Fall Taiwan“, Hongkong,
Xinjiang, beschleunigen die Geburt dieses neuen Paradigmas.
Ich denke, einer der Gründe, warum Präsident Biden gewählt wurde, ist die
Wiederherstellung der transatlantischen Beziehungen, die unter der vorherigen
Regierung sehr gelitten haben. Aber diese Bemühungen werden nicht zum
gewünschten Ergebnis führen, und zwar aus mehr als einem Grund: Erstens ist
China eine aufstrebende wirtschaftliche, technologische und moralische Kraft,
und seine Allianz mit Rußland und anderen Ländern wird sicherlich ein
multipolares System etablieren. Aber der andere Grund ist, daß der Krieg gegen
Syrien dazu beigetragen hat, zweifelsfrei zu beweisen, daß die westliche
Politik gegenüber Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen und Jemen bankrott ist und
das Narrativ ihrer Dekrete und Papiere nicht mehr glaubwürdig ist: Wir glauben
nicht mehr an das westliche Narrativ.
Viele Freunde von mir, und auch ich, verfolgten früher begeistert die
westlichen Medien. Jetzt verschwendet keiner von uns mehr seine Zeit damit, zu
wissen, was sie fabrizieren und welche Wahrheit sie zu verbergen
versuchen.
Glaubwürdigkeit ist von größter Bedeutung, ob in Bezug auf Menschen,
Staaten oder Systeme, und wer sie verloren hat, existiert nicht mehr. Das
jüngste Beispiel ist, was die OPCW [Organisation für das Verbot von
Chemiewaffen] gegenüber Syrien getan hat. Obwohl diejenigen, die vor Ort den
Fall untersuchten, klare Beweise dafür lieferten, daß die OPCW die
Erkenntnisse des Teams abänderte und ihren eigenen, unwahren Bericht schrieb,
um Syrien zu belasten, stimmten sie trotzdem gegen Syrien. Der Verlierer hier
ist nicht Syrien: Es ist die OPCW, denn sie hat in den Augen neutraler und
logisch denkender Menschen ihre Glaubwürdigkeit verloren.
Auf der anderen Seite gewinnen China und Rußland in den Augen der Welt an
Glaubwürdigkeit, und ihr Umgang mit COVID-19 und den Impfstoffen ist ein
klares Beispiel für die Effizienz Chinas und Rußlands, verglichen mit der
Ineffizienz der meisten westlichen Länder im Umgang mit dieser Seuche. Was
unsere Völker und Länder angeht, sind wir sicher, daß die transatlantische
Welt eine Kolonialmacht ist, aber ihre Realität und die fehlende Sorge für das
Leben und die Gier ihrer herrschenden Klasse nach dem Vermögen anderer
Menschen sowie die Lügen, mit denen ihre Medien ihre kriminelle Politik
weltweit vermarkten, waren noch nie so offenkundig wie heute.
Ich denke, wir sind Zeugen des allmählichen Zusammenbruchs von 500 Jahre
alten westlichen Kolonialreichen und des aufstrebenden Schicksals des Ostens.
Aber wir alle müssen aktive Partner bei der Gründung des neuen Weltsystems
sein und sicherstellen, daß es das Streben und die Hoffnung der Menschheit auf
eine bessere, sicherere, friedlichere und wohlhabendere Zukunft
widerspiegelt.
Die konsequenten Bemühungen des Schiller-Instituts und von Ihnen allen auf
verschiedenen Plattformen sind wichtige Beiträge zu diesem Schicksal, auf das
wir, unsere Kinder und Enkelkinder warten.
Vielen Dank, ich freue mich sehr, bei Ihnen zu sein, und danke Ihnen
nochmals für die Einladung, auf diesem sehr wichtigen Forum zu sprechen.
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