Corona und das globale Konzentrationslager
Von Luis Vásquez
Luis Vásquez ist Aktivist des Schiller-Instituts in Peru. In
der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 8. Mai 2021 hielt er den
folgenden Vortrag.
Ich bin Luis Vásquez, ein Anhänger von Lyndon LaRouche seit über 45 Jahren.
Ich lebe in Peru, und ich möchte dem Schiller-Institut dafür danken, daß es
mich eingeladen hat, einige Dinge zu sagen, die für das Verständnis der
aktuellen Situation sehr wichtig sind. Und Sie werden mir verzeihen, daß ich
zunächst über meinen Fall spreche, denn er ist relevant, um eine Realität
aufzudecken, die nicht jeder sieht. Tatsächlich war sie nicht einmal für mich
klar, geschweige denn für die Weltbevölkerung.
Die Realität ist, daß ich mich in einem Konzentrationslager befinde, einem
Konzentrationslager, das nicht auf Peru beschränkt ist, sondern global ist.
Ich werde Ihnen das erklären.
Vor sechs Wochen sind meine Frau und ich an COVID erkrankt, und das in
einem Land wie Peru, das einen Weltrekord an Fällen pro Million Einwohner
hält. Wo aufgrund der neoliberalen Wirtschaftspolitik, dieses wilden
Kapitalismus, der den Profit nur in Form von Geld sieht, die Wirtschaft
zerstört wurde. Und deshalb gibt es keine Dienstleistungen: keine Bildung,
keine Verkehrsmittel, keine Gesundheitsdienste. Und in dieser Situation
bedeutet es für Leute wie uns, die ein gewisses Alter haben, so ziemlich das
Todesurteil, an COVID zu erkranken.
Ich wurde krank, wir wurden krank, und wir gingen in ein privates
Krankenhaus, um Betten auf der Intensivstation zu bekommen, wo wir Sauerstoff
bekommen konnten. In ganz Lima gab es keine Betten auf der Intensivstation.
Jedes Bett auf der Intensivstation hatte eine Warteliste von 200 oder 300
Leuten. Es gab einfach keine. Wir mußten Intensivbetten in unserem Haus
aufstellen. Mit der Hilfe unserer Familie, dank meiner Kinder, waren wir in
der Lage, all die logistische Arbeit zu leisten, die nötig war, um uns während
dieser schrecklichen Wochen mit schwerer COVID-19-Pneumonie, die wir hatten,
mit Sauerstoff am Leben zu erhalten.
Quelle: Luis Vásquez
Abb. 1: Menschen in Peru warten darauf, Sauerstoff für ihre mit COVID-19
infizierten Verwandten zu kaufen.
Wie Sie verstehen, kann das natürlich nicht jeder machen. Ich zeige Ihnen
ein Bild (Abbildung 1), damit Sie sehen, wie die Menschen in der
Schlange warten, um ihre Sauerstoffflaschen zu füllen, um ihre Angehörigen zu
retten. Eine Flasche kostet jetzt 1.000 Dollar. Sie mit 10 Kubikmetern
Sauerstoff aufzufüllen, kostet 200 Dollar. Das kann nicht jeder bezahlen;
nicht einmal ein winziger Prozentsatz der Bevölkerung kann das tun; der Rest
stirbt.
Das ist ein Holocaust. Wir müssen das von einem wissenschaftlichen
Standpunkt und vom moralischen Standpunkt aus verstehen, den wir erleben. Denn
was in Peru passiert, und was in Indien passiert, in Brasilien, was im Jemen
passiert, in Syrien, etc. etc. – es gibt eine Reihe von et ceteras, was nur
die Orte sind, an denen die Extreme erreicht wurden – das sind die Orte, wo
die Öfen dieses globalen Konzentrationslagers stehen.
Und wenn Sie glauben, das sei nicht global, dann irren Sie sich, und genau
wegen dieses Irrtums könnten wir als Gattung aussterben. Tatsache ist, daß wir
eine Situation haben, die nicht nur eine Region betrifft. Sie betrifft das
gesamte Weltgesellschaftssystem, das gesamte politische Machtsystem. Wir sind
in diese Situation genau deshalb geraten, weil falsche Entscheidungen
getroffen wurden, angetrieben durch die Wucherpolitik seit 1970, die alle
Prozesse ruiniert hat, die – bei all ihren Fehlern – zu Erfolgen in Bezug auf
die weltweite Entwicklung geführt hatten.
Heute ist die Weltwirtschaft, wie Sie wissen, ein Kasino am Rande des
Bankrotts. Sie läßt nicht nur keine gesundheitlichen Lösungen zu, wie wir
gesehen haben, sondern sie wird leider den Beginn einer Situation bedeuten, in
der die Reiter der Apokalypse entfesselt werden: der Krieg, der auf die Pest
folgt; die Hungersnot, die kommen wird, wird letztlich den Triumph des Todes
bedeuten.
Es entstehen ständig neue Stämme. Mich hat der brasilianische Stamm
getroffen: sehr tödlich, mit einer sehr hohen Sterblichkeit und sehr
ansteckend – viel stärker als die erste Variante. Und neue Stämme sind im
Kommen. Es ist wahrscheinlich, daß neue Varianten, neue Mutationen, neue
Stämme auftreten werden, auch regional. Deshalb müssen wir das
dezentralisierte Forschungssystem für Impfstoffe neu organisieren.
Hier in Südamerika zum Beispiel brauchen wir ein Forschungszentrum für neue
Impfstoffe, die gegen die Virusstämme in diesem Gebiet wirksam sind. Das
gleiche gilt für Indien, und überall. Das wird einen echten wissenschaftlichen
Transfer bedeuten, wenn wir die Bevölkerung retten wollen.
Aber warum sollten wir das tun? Warum sollten wir auf diese Weise kämpfen?
Es ist nicht nur in unserem Interesse, dem der armen Länder, der armen
Afrikaner, die sterben, der Inder und so weiter. Es ist auch im Interesse der
reichen Länder, der Bevölkerungen, die nicht glauben, daß sie im
Konzentrationslager sind. Denn wie LaRouche richtig gesagt hat: Wenn wir die
Biosphäre nehmen und das hinzufügen, was er die Noosphäre nannte, also den
Bereich der menschlichen Vernunft, dann ist sie eins.
Mit den modernen Transportwegen, den neuen Formen des Transports von Waren
und Menschen, hat sich dieser Prozeß beschleunigt. Es gibt keine Schranken
mehr; die Welt ist eins. Und da das Konzentrationslager global ist, muß auch
der Krieg global sein. Wenn die USA oder Europa den dritten oder vierten
Stamm, der aus Indien kommt, aufhalten wollen, den neuen Stamm, der virulenter
und tödlicher sein wird, dann müssen sie den Kampf in Indien führen. Sie
müssen hierher nach Lateinamerika kommen, um den Kampf zu führen. Denn dieser
neue Stamm wird Menschen in den Vereinigten Staaten töten.
Die Frage der Moral, die Frage der Teilhabe am Leiden eines jeden Menschen,
egal welcher Hautfarbe, ist nicht nur eine moralische Frage. (Oder die Idee,
daß es ja vielleicht gut so ist und wir in den Himmel kommen, oder so etwas.)
Das auch, sicherlich. Aber im Grunde ist es eine Sache der Wissenschaft, es
ist wissenschaftlich wahr. Die USA, Europa und die fortgeschrittenen Länder
müssen verstehen, daß der Krieg in den Ländern der Peripherie gewonnen werden
muß. Sie müssen diese Seuche in Indien, in Südamerika, in Brasilien, in Peru
und überall besiegen, wenn sie sich verteidigen wollen.
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