Die Menschheit zu retten, ist eine ‚Mission Possible‘
Von Natalia Witrenko
Natalia Witrenko ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften und
Vorsitzende der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine. Sie war von
1995-2002 Abgeordnete des Ukrainischen Parlaments.
Liebe Konferenzteilnehmer, liebe Frau Helga Zepp-LaRouche, ich habe meinen
Vortrag mit „Die Rettung der Menschheit ist eine ,Mission Possible‘“
überschrieben, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, daß eine Tragödie für
die Menschheit abgewendet werden kann, wenn drei Bedingungen erfüllt sind.
Diese Bedingungen sind: ein neues Bretton-Woods-System, eine globale
Bankenreform und die Versorgung der Menschheit mit leistungsfähigen
Energiequellen.
Wie der große amerikanische Gelehrte Lyndon LaRouche vorausgesagt hat,
steuert die Weltgemeinschaft unaufhaltsam auf einen hyperinflationären
Zusammenbruch zu – eine in ihrem Ausmaß beispiellose Krise, die mit dem
drohenden Verlust von Milliarden von Menschenleben einhergehen könnte.
Über die große Gefahr einer Weltkatastrophe sind sich inzwischen praktisch
alle Experten weltweit einig. Auf dem Gipfeltreffen von US-Präsident Biden und
dem russischen Präsidenten Putin im Juni dieses Jahres stand das Problem der
strategischen Stabilität im Vordergrund. Die Gespräche über strategische
Stabilität werden jedoch keine positiven Ergebnisse zeitigen, wenn nicht die
grundlegenden Probleme gelöst werden, die diese Instabilität verursachen und
zur Katastrophe führen.
Folgende Fragen müssen beantwortet werden: Was steckt hinter der Situation
der Weltwirtschaft, in der internationale Institutionen wie der Internationale
Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation nicht in der Lage
sind, die Probleme zu bewältigen, sondern im Gegenteil die Krise begünstigen
und verschärfen? Warum geben sie, die Weltregulierer, der Menschheit nicht ein
Modell für eine sich entwickelnde, krisenfreie Gesellschaft?
Ich bin Helga Zepp-LaRouche dankbar für ihren weltbürgerlichen Einsatz, der
intellektuellen Weltelite zu helfen, das Erbe von Lyndon LaRouche kreativ zu
bewältigen. Und dafür, daß sie diese Konferenz in diesem Zusammenhang
organisiert hat.
Nun zu den meiner Meinung nach wichtigsten drei Bedingungen, um die
drohende Zerstörung abzuwenden.
Ein Neues Bretton Woods
Erstens: Wir brauchen ein neues Bretton-Woods-System. Was im Juli
1944 in Bretton Woods in den USA beschlossen wurde, spielte eine wichtige
Rolle bei der Schaffung eines funktionierenden Weltfinanzsystems. Es
erleichterte den Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Volkswirtschaften
und schuf die Voraussetzungen für das Wachstum des internationalen Handels und
die Zusammenarbeit bei der Kreditbeschaffung. Dies waren die erklärten Ziele
des IWF und der Weltbank. Der Wechselkurs des Dollars wurde mit 35 Dollar pro
Unze (31,1 Gramm) an den Goldpreis gekoppelt. Feste Wechselkurse für die
Währungen der teilnehmenden Länder bildeten eine solide Grundlage für die
Erholung der nationalen Währungssysteme. Dies gab den Zentralbanken die
Möglichkeit, einen stabilen Wechselkurs für ihre Währungen zu unterstützen.
Die Bindung des US-Dollars an das Gold machte ihn zu einer zuverlässigen
Weltreservewährung.
Das Wachstum der Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg und die
Bildung transnationaler Konzerne und die damit verbundene enorme Nachfrage
nach Dollars sowie das wachsende Streben der USA nach Welthegemonie führten
jedoch dazu, daß die Vereinigten Staaten selbst begannen, die Grundprinzipien
des Bretton-Woods-Systems zu untergraben.
Im August 1971 verkündete US-Präsident Nixon ein vorübergehendes Verbot der
Konvertierbarkeit des Dollars in Gold zum offiziellen Kurs und legte damit
eine Lunte unter das Weltwährungssystem. Auf der internationalen
Währungskonferenz von Jamaika im Jahr 1976 wurde diese Lunte entzündet, indem
die festen Wechselkurse durch ein System flexibler Wechselkurse ersetzt
wurden. Dies war ein starker Impuls für die Entwicklung der Finanzspekulation,
vor allem in den USA selbst, aber auch in den Bankensystemen aller
kapitalistischen Länder.
Die Emission des Dollars selbst wurde an eine private Organisation
ausgelagert (deren Aktien einen besonderen Status haben), das U.S. Federal
Reserve System. Das Drucken von Papiergeld mit einem Nennwert von 1 bis 100
Dollar, während die Herstellung eines Geldscheins höchstens 20 Cents kostet,
war ein profitables Geschäft. Inzwischen gehen die Vermögenswerte der Fed auf
wie Hefe. Von 2008 bis 2020 haben sie sich verachtfacht, von weniger als 1
Billion Dollar auf 7,8 Billionen Dollar. Und die US-Machtelite ist nicht
sonderlich besorgt über das ständige Wachstum der US-Staatsverschuldung, die
im Mai 2021 28,3 Billionen Dollar oder 149 Prozent des BIP erreichte.
Die Auslandsverschuldung fast aller Länder der Welt nimmt zu. Im Jahr 2020
stieg sie um 24 Billionen Dollar und damit auf 366 Prozent des globalen
BIP.
Dieser Prozeß wird durch die bösartige Politik des IWF im Einklang mit dem
Washingtoner Konsens gefördert, der die Vergabe von Krediten an die Bedingung
von Reformen knüpft, die eine Verringerung der Rolle des Staates in der
nationalen Wirtschaftsentwicklung (und insbesondere im realwirtschaftlichen
Sektor) und bei den Sozialleistungen erfordern.
Die Volkswirtschaften werden durch die ständige Abwertung des US-Dollars
ausgelaugt. Am 20. Juli 2021 lag der niedrigste Goldpreis an den Börsen bei
1.806,20 Dollar. Das bedeutet, daß der Dollar seit 1944 um den Faktor 52 an
Wert verloren hat!
Die Einberufung einer neuen Bretton-Woods-Konferenz ist daher dringend
erforderlich. Das Schiller-Institut leistet seit mehr als einem Jahrzehnt
enorme Arbeit, um dies zu initiieren. Auch der französische Staatspräsident
Sarkozy, der britische Premierminister Gordon Brown und der deutsche
Bundespräsident Horst Köhler forderten 2008 die Einberufung einer neuen
Bretton-Woods-Konferenz, um ein neues Weltfinanzsystem auszuarbeiten.
Wir brauchen ein System, das auf mehreren Reservewährungen basiert. Meines
Erachtens könnte der Währungskorb neben dem Dollar und dem Euro auch den
chinesischen Yuan, den russischen Rubel, das britische Pfund, den japanischen
Yen und die indische Rupie umfassen, so daß die Währungen der wirtschaftlich
stärksten, bevölkerungsreichsten und rohstoffreichsten Länder zusammengeführt
werden. Wir brauchen eine neue Bindung an Gold als Grundlage für feste
Wechselkurse zwischen den führenden Weltwährungen.
Ohne Frage muß die Politik des IWF radikal geändert werden.
Eine globale Bankenreform
Zweitens. Eine globale Bankenreform. Die Abkehr von den Grundsätzen
der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 führte zu einer beispiellosen Zunahme der
Bankenspekulation. Anstelle einer durchdachten Kreditpolitik (mit Vorrang für
langfristige Kredite, die für die Entwicklung einer Wirtschaft, insbesondere
des realwirtschaftlichen Sektors, benötigt werden) haben sich die Banken
überall in spekulative Riesenkraken verwandelt, die den Unternehmen und der
Bevölkerung die Geldmittel aus der Tasche ziehen. Und dann werden diese
Ressourcen in kurzfristige Mikrofinanzierungen gesteckt oder immer wieder
verkauft, um die Profite der Banken zu maximieren.
So entstehen Finanzderivatblasen. Die Finanzblase der Derivate ist jetzt
größer als 1 Billiarde Dollar, was dem 10-fachen des weltweiten BIP
entspricht. Das verrottete Finanzsystem kann jeden Moment in einer
Kettenreaktion zusammenbrechen. Das Ausmaß der Zerstörung durch einen
Zusammenbruch des Weltfinanzsystems könnte apokalyptisch sein. Schon jetzt
führt der anhaltende Prozeß des Aufpumpens von Finanzblasen zu einem
kontinuierlichen Rückgang der Investitionen in Produktion und Infrastruktur
und vergrößert die Kluft zwischen Reich und Arm.
Als Reaktion auf die Abwertung des US-Dollars (und die damit verbundene
Entwertung der Arbeitskraft und der natürlichen Ressourcen der Nationen) sind
Krypto-Währungen entstanden. Völlig anonym und durch nichts gedeckt.
Aber eine Rettung des Bankensystems wird nur dann sinnvoll und
zukunftsweisend sein, wenn es eine globale Bankenreform gibt. Lyndon LaRouche
wurde nicht müde, diese Notwendigkeit zu wiederholen, und schlug vor, nach dem
Vorbild des Glass-Steagall-Trennbankengesetzes das spekulative Bankenkapital
zu amputieren, der „Kasinowirtschaft“, wie er es nannte, ein Ende zu setzen
und die Ablösung des monetaristischen Systems durch ein neues Kreditsystem zu
ermöglichen. Das war ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen
Kreditsystems, das vor 200 Jahren von Alexander Hamilton eingeführt wurde und
sich als äußerst wirksam erwiesen hat.
Leistungsstarke Energiequellen
Drittens. Leistungsstarke Energiequellen. Wladimir Lenin, der
Ideologe und Organisator der sozialistischen Revolution in Rußland und Führer
des ersten sozialistischen Staates der Welt, der UdSSR, hat vor 100 Jahren
diesen genialen Satz gesagt: „Kommunismus ist gleich Sowjetmacht plus
Elektrifizierung des ganzen Landes.“ Das war eine verblüffend präzise
Formulierung des Kerngedankens, daß die menschliche Gesellschaft ihre
Vollkommenheit erreicht, wenn die Regierung gerecht ist und aus dem Volk und
für das Volk ist (diese Idee hatte auch US-Präsident Abraham Lincoln). Diese
zweite Bedingung war die vollständige Elektrifizierung des Landes. Daraus
entstand der geniale GOELRO-Plan, der die Grundlage für die rasante
Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft bildete.
Die Frage nach einer gerechten Regierung ist ein Thema für sich. Betrachten
wir nun die Frage der Versorgung des gesamten Planeten mit der Energie, die
notwendig ist, um die größten wissenschaftlichen und technologischen
Herausforderungen zu bewältigen, das weltweite Wirtschaftswachstum und sichere
und komfortable Lebensbedingungen für die Menschen zu gewährleisten. Das ist
die Aufgabe aller Aufgaben.
LaRouche philosophierte nicht nur über die Notwendigkeit eines ständigen
Wachstums der Energiequellen; er richtete die physische Ökonomie auf genau
dieses Ziel aus. Um diesen Prozeß objektiv beurteilen zu können, entwickelte
er das Kriterium des Verhältnisses zwischen Energieflußdichte und relativer
Bevölkerungsdichte. LaRouche sah die Lösung dieses Problems darin, der
Menschheit die zuverlässigste und billigste Energie zur Verfügung zu stellen:
die Kernenergie. Deshalb begrüßte er die technologische Verbesserung von
Kernkraftwerken und betonte die Notwendigkeit einer internationalen
Zusammenarbeit bei ihrer Entwicklung und Inbetriebnahme.
Wir erinnern uns, wie Lyndon LaRouche nachdrücklich erklärte: „Wir sollten
alle verdammten Windmühlen in den Vereinigten Staaten abreißen und die
Sonnenkollektoren zerstören. Das sind Technologien mit geringer
Energieflußdichte. Sie bedeuten Bankrott!“
Und was haben wir nun in der Realität? Entgegen der wissenschaftlichen
Logik und den realen Erfordernissen des wissenschaftlichen und technologischen
Fortschritts wird die „grüne Energie“ verbreitet. Dabei spielt keine Rolle, ob
sie zu den klimatischen Bedingungen eines bestimmten Landes paßt. Im Jahr 2020
wurde der „Great Reset“ offen verkündet, in dessen Rahmen der „Green New Deal“
zur offiziellen Doktrin von US-Präsident Biden wurde – offen und brutal allen
Nationen der Welt aufgezwungen. Das bedeutet in erster Linie die
Entwicklungsländer. Mit Verlockungen über den Kampf für die Verbesserung des
Klimas und den Schutz der Umwelt werden die Länder der Dritten Welt in die
Falle der chronischen Energieinsuffizienz getrieben. Dadurch wird ihnen die
Möglichkeit genommen, ihre Volkswirtschaften zu entwickeln, die Armut zu
bekämpfen und das Aussterben ihrer Bevölkerung zu verhindern.
Die Katastrophe in Texas im Winter 2021 hat deutlich gezeigt, wie
verwundbar Windkraftanlagen sind und wie unfähig die Regierung ist, die
Bevölkerung zu schützen. Und das war in den Vereinigten Staaten!
In der Ukraine sehen wir sehr gut die künstliche, aggressive Durchsetzung
der grünen Energie unter dem Druck des Westens. Im Jahr 2020 erzeugten die
ukrainischen Kernkraftwerke 51,2% des Stroms des Landes, während 35,2% aus
Wärmekraftwerken stammten, die mit Kohle oder Erdgas betrieben wurden. Ich
betone, daß die Ukraine über genügend Kohlevorkommen für die nächsten 100
Jahre verfügt. Die ukrainische Erdgasförderung deckt den gesamten Bedarf des
Landes für Wohnraum und Versorgungsleistungen. 5,1% des ukrainischen Stroms
stammen aus Wasserkraftwerken und nur 7,3% aus Wind- und Solarkraftwerken.
Doch obwohl die grüne Energie nur 7% des Stroms erzeugt, macht sie 25% der
Stromkosten aus. Der ständige Anstieg der Strompreise ist eine unerträgliche
Belastung für praktisch die gesamte Bevölkerung.
Seit 30 Jahren erlebt die Ukraine die Zerstörung ihrer materiellen
Produktion. Das BIP betrug im Jahr 2020 nur noch zwei Drittel des Wertes von
1990. Die Energiebasis des Landes wurde noch schneller zerstört: Von 298,8
Mrd. kWh im Jahr 1990 ist die Stromerzeugung auf 148,8 Mrd. kWh im Jahr 2020
gesunken. Sie ist um die Hälfte gesunken!
Doch anstatt die Energieflußdichte zu erhöhen, was in erster Linie den
Ausbau der Kernenergie und die Verbesserung unserer Wärmekraftwerke bedeuten
würde, zwingt der Westen der ukrainischen Regierung die grüne Energie auf.
Staatliche Bürgschaften in einer Größenordnung, die den Staatshaushalt in den
Ruin treiben würde, werden für die Installation von Windrädern und Solarzellen
aufgelegt, die bereits Millionen von Hektar des fruchtbaren Ackerlandes der
Ukraine belegen.
Präsident Biden und Bundeskanzlerin Merkel vereinbarten bei ihrem Treffen
am 15. Juli 2021 (ohne Beteiligung oder Zustimmung der Ukraine!), unserem Land
1 Mrd.$ für einen „grünen Fonds“ zur Verfügung zu stellen, dessen Zweck der
Übergang zu erneuerbaren Energiequellen ist. Dies ist ein Fonds, der die
Ukraine umbringt.
Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Ukraine vor dem Zusammenbruch der
UdSSR gemessen am Pro-Kopf-BIP zu den zehn am besten entwickelten Ländern
gehörte, jetzt aber das ärmste Land in Europa mit der niedrigsten
Lebenserwartung ist. In einem UNICEF-Bericht vom Juli dieses Jahres wurde
festgestellt, daß 10 Millionen Menschen in der Ukraine Hunger leiden. Das ist
einer von drei! (Von der ukrainischen Bevölkerung, die 1990 52 Millionen
betrug, sind nur noch 30 Millionen Menschen übrig).
Was erwartet die Ukraine in der Zukunft? Wird sie ein Friedhof mit
Windrädern anstelle von Kreuzen sein?
Die Menschheit muß sich also entscheiden: entweder kämpfen wir für unsere
eigene Rettung und fortschrittliche Entwicklung oder wir stehen vor der
schrecklichen Aussicht auf globale Destabilisierung und Katastrophen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
|