Die Jugend und der Weltraum
Von Alejandro Yaya
Alejandro Yaya ist Chemieingenieur und Vizepräsident des
argentinischen Zivilen Instituts für Raumfahrttechnik, Berater im Bereich
Technik- und Innovationsmanagement und Transfer von technologischen Prozessen,
sowie in der wissenschaftlichen technischen Ausbildung. Im zweiten Abschnitt
der Internetkonferenz des Schiller-Instituts sagte er am 20. März
folgendes.
Guten Tag! Ich möchte mit Ihnen über Bildung, Wissenschaft und Technologie
sprechen und über Träume, die Wirklichkeit werden. Die Welt von heute stellt
uns vor unerhörte Herausforderungen: eine Pandemie und ständige Krisen –
wirtschaftliche, finanzielle, kulturelle, institutionelle. Überall sehen wir
Dinge wie Post-Wahrheit, Fake News, Lawfare, Korruption, Kriege,
Menschenhandel, Migration, etc. Die Frage ist: Werden wir es schaffen, aus
diesem Chaos herauszukommen? Wie werden wir es schaffen?
Diese Krisen haben bereits systemische Krisen hervorgebracht, bei denen es
um die Weltordnung geht. Es gibt zwei Modelle – eines ist unipolar,
globalistisch und internationalistisch; das andere Modell ist multipolar,
integriert, respektiert aber die Identität der Nationen. Welches wird sich
durchsetzen? Welchem sollen wir uns anschließen? Das ist eine der wichtigsten
Fragen.
In der Konfrontation zwischen diesen beiden Modellen tauchen alte
Gespenster wieder auf: Ost gegen West; Rußland gegen die USA; und eine neue
Macht, die sich abzeichnet: die USA gegen China; die NATO gegen Rußland. China
hat es in weniger als 30 Jahren geschafft, sich nicht nur wirtschaftlich und
kommerziell, sondern auch in Wissenschaft und Technologie zu einer Macht zu
entwickeln, die die etablierte Ordnung und die heutige Hegemonialmacht, die
USA, herausfordert. Die Volkswirtschaften der beiden Länder sind miteinander
verwoben.
Die Frage ist: Wie soll Lateinamerika diesen Herausforderungen
begegnen?
Kürzlich hat sich der argentinische Präsident mit dem mexikanischen
Präsidenten getroffen und sie haben vereinbart, eine strategische Allianz zu
gründen. Lassen Sie mich gleich sagen, daß diese strategische Allianz
scheitern wird, wenn sie sich nur auf den Handel stützt, wie es in der
Vergangenheit geschehen ist. Damit die strategische Allianz funktioniert, muß
sie auf vollständiger Integration beruhen. Wenn nicht, ist sie nicht
strategisch. Sie muß zum Ziel haben, die Identität der hispanischen Welt
wiederzuerlangen, die alle Völker Amerikas eint: Das große Vaterland. Aber es
muß geschehen.
Und wie kann das nach meiner bescheidenen Ansicht erreicht werden?
Hauptsächlich durch Wissenschaft und Technologie, durch Bildung. Wenn wir
das schaffen, werden wir Fortschritte machen. Aber es muß eine andere Art von
Bildung sein, eine, die auf Schönheit, Technologie und Kunst beruht. Denn das
sind die Herausforderungen dieses Jahrhunderts.
Vor einigen Jahren schlug eine Gruppe angesehener Fachleute aus den
Bereichen Wissenschaft, Technologie und Ingenieurwesen, die an technischen
Hochschulen lehren oder Hochschulabsolventen sind, folgendes vor: Wir müssen
uns auf die angewandte Forschung und Entwicklung konzentrieren, um
Innovationen in diesem Bildungsumfeld hervorzubringen.
Das Problem ist, daß es sich dabei um Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren
handelt. Sofort sagten uns die Kollegen: Das ist unmöglich; das geht nicht.
Das müssen die Universitäten oder die Forschungsgruppen in den
Wissenschaftsakademien des Landes oder vielleicht in der Privatwirtschaft
machen. Aber Jugendliche interessiert so etwas nicht; das ist nicht ihr Ding,
das wird nicht funktionieren.
Gott sei Dank haben diese Dozenten und Enthusiasten nicht auf ihre Kollegen
gehört; sie waren vielmehr entschlossen, gegen Windmühlen zu kämpfen. Sie
beschlossen, mit den Eltern der Kinder zu sprechen und sie einzuladen, sich an
dem Projekt zu beteiligen. Viele von ihnen schlossen sich uns an. Es ist
interessant, daß viele dieser Jugendlichen nicht die fleißigsten waren –
vielleicht gehörten sie sogar zu den am wenigsten fleißigen, die sich dem
Projekt anschlossen. Trotzdem waren wir bei allen sehr streng. Es gab keine
akademischen Vorteile, aber was es gab, war, daß sie lernten, was nötig war,
und daß das, was sie später mit ihrem Studium machen wollten, dabei nicht im
Wege stand.
Damals wurden an dieser Einrichtung Fächer wie Bauwesen, Chemie, Mechanik,
Elektronik und Computerwissenschaften gelehrt. Gesagt, getan: Die Projekte,
die wir den Jugendlichen vorstellten, beruhten auf fortschrittlichen
Technologien, sie waren für die damalige Zeit und den Ort anspruchsvoll. Sie
umfaßten Robotik, nachhaltiges Bauen, Telekommunikation, Luft- und Raumfahrt
sowie das Internet der Dinge. Die Frage war: Ist das machbar?
Alle Projekte hatten eines gemeinsam, einen roten Faden: den Weltraum.
Warum Raumfahrt? Weil der Weltraum die Industrie der Industrien ist und weil
die Souveränität der Nationen vom Zugang zum Weltraum abhängt. Wir waren der
Meinung, daß wir die Jugend nicht für die Revolutionen des 19. oder 20.
Jahrhunderts ausbilden sollten, sondern für das 21. Jahrhundert, wo man zum
Beispiel von Industrie 4.0 spricht. Alle Mittel standen ihnen zur Verfügung,
obwohl wir wenig Mittel hatten, die alle aus unseren eigenen Taschen kamen.
Niemand hat uns bezahlt.
Trotzdem haben wir durchgehalten und andere dazu gebracht, mitzumachen. Wir
mußten beweisen, daß wir nicht verrückt waren. Wir beschlossen, die
vielversprechendsten Projekte beim wichtigsten Innovationswettbewerb in
Argentinien anzumelden.
Das taten wir mit einer Taktik: Wir wußten, daß das eigentlich Wesentliche
für das Auge leider nicht sichtbar ist. Deshalb registrierten wir die Projekte
nicht nur als Technikschule, sondern auch in den Kategorien, in denen sie
etwas zu sagen hatten. Zwei davon waren aus der angewandten Forschung und der
Robotik.
Nachdem die Bewertungsphase überstanden war und die Projekte in den
Wettbewerb aufgenommen wurden, kam die Zeit, sie zu präsentieren. Man merkte
sofort, daß sie junge Hochschüler waren, die angewandte Forschung in der
Robotik betrieben. Das sollte an technischen Gymnasien eigentlich nicht der
Fall sein. Also wurden sie von der Jury befragt und bewertet, und die
Jugendlichen verteidigten ihre Projekte souverän.
Sie hatten das Pech, daß wir, ihre Ausbilder, nicht dabei waren, um ihnen
zu helfen. So fragten wir uns in der Verwirrung, was wir tun sollten: Wenn wir
sie herausnähmen und in die Kategorie der Fachoberschüler steckten, würden wir
alles über Bord werfen, was wir zur Bedeutung von Jugend und Bildung gesagt
und getan haben. Wenn wir sie dort ließen, wäre es eine Blamage für das, was
wir im wissenschaftlich-technischen System taten.
Das Ergebnis war eine Verhandlung. Sie gewannen den ersten Preis für
technische Gymnasien, für ein Projekt, das die Jugendlichen im Bereich der
numerischen Computersteuerung durchgeführt hatten, basierend auf ausrangierten
Elektronikteilen, die mit einem Handy betrieben werden konnten. Dann gewannen
sie in der Kategorie Robotik den zweiten Preis mit einem selbst gebauten
Luftschiff, das autonom fliegen konnte und das ein Kommunikationsprotokoll
hatte, das mit dem ersten Projekt aus der angewandten Forschung verbunden war.
In dieser Kategorie wurde kein Preis gewonnen, aber das Projekt wurde in den
Innovations-Katalog aufgenommen. Es handelte sich um eine suborbitale
Raumsonde, die mit einem Ballon in die Stratosphäre fliegen sollte. Die
Innovation war ein Weltraum-Protokoll, das Wi-Fi nutzte.
Jahre später, nicht mehr an dieser Einrichtung, führten wir unsere Arbeit
mit Begeisterung in anderen Institutionen weiter und nahmen an anderen
Wettbewerben teil. Ein Netzwerk von technischen Raumfahrtschulen präsentierte
eine Anti-Hagel-Rakete. Die revolutionäre Technologie lag in der Bauweise.
Einer der Jugendlichen, der an diesem Projekt teilnahm, gründete ein Start-up,
UA Aerospace. Kürzlich, vor etwa drei Monaten, gab es einen Meilenstein in der
Geschichte Lateinamerikas: das erste private Unternehmen startete eine Rakete
mit flüssigem Treibstoff, und zwar mit Bio-Diesel – eine Weltpremiere, mit der
die Vereinigten Staaten um etwa zwei Wochen geschlagen wurden, als sie
dasselbe taten.
Wir haben die Welt nicht verändert, soweit würde ich nicht gehen. Aber wenn
ich heute zu Ihnen spreche, dann deshalb, weil das Unmögliche möglich ist, und
weil Träume Wirklichkeit werden. Ich schließe mit einem Video über die
Leistung dieses Jugendlichen, der heute arbeitet und auch hilft, andere
Jugendliche auszubilden.
Ich danke Ihnen sehr.
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