Die nukleare Apokalypse verhindern
Von Oberst a.D. Richard Black
Colonel Richard Black war Leiter der
Strafrechtsabteilung im Pentagon und Landessenator von Virginia. Auf der Online-Konferenz
des Schiller-Instituts am 26. Mai hielt er die folgende Rede (Original
Englisch).
Ich danke Ihnen vielmals. Als erstes möchte ich sagen: Ich
liebe mein Land. Ich habe in Vietnam gekämpft, ich habe dort mein Leben
hunderte Male riskiert. Ich habe für es geblutet. Ich bin 269
Hubschraubereinsätze im Kampf geflogen, viermal wurde der Hubschrauber vom
Bodenfeuer getroffen. Ich meldete mich freiwillig als Fluglotse beim Ersten
Marineregiment und nahm an 70 blutigen Kampfeinsätzen teil. Ich wurde
verwundet, meine Funker wurden bei der Rettung eines umzingelten Außenpostens
getötet. Ich habe 32 Jahre im Militär gedient, erst als Marinepilot, dann als
Justizoffizier der Armee. Nach meiner Pensionierung war ich Leiter der
Abteilung Strafrecht im Pentagon, wo ich vor dem Kongreß aussagte, den
Streitkräfteausschuß des Senats in Angelegenheiten von nationaler Bedeutung
beriet und Exekutivanordnungen für die Unterschrift des Präsidenten
vorbereitete.
Dennoch bin ich ein entschiedener Gegner unseres Krieges in
der Ukraine, eines Krieges, der gefährlich außer Kontrolle geraten ist. Nach
dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 begann die NATO mit einem aggressiven
Vormarsch nach Osten und erreichte schließlich die Ukraine. 2014 benötigte die
Ukraine finanzielle Hilfe, und Rußland und die Europäische Union unterbreiteten
konkurrierende Vorschläge. Die Ukraine entschied sich für das russische
Angebot, was sofort eine Reaktion auslöste. Die Central Intelligence Agency und
der britische MI6 organisierten einen gewaltsamen revolutionären Staatsstreich,
durch den der rechtmäßig gewählte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch
gestürzt wurde. Obwohl Russisch die Muttersprache von fast einem Drittel der
Ukrainer ist, strich die revolutionäre Junta rasch die Bestimmung, die Russisch
als eine der beiden Amtssprachen der Ukraine vorsah. Dadurch wurde es für Russischsprachige
natürlich schwierig, Geschäfte zu tätigen oder ihre täglichen Angelegenheiten
zu regeln.
Die Krim und der Donbaß waren russischsprachige Gebiete, die
sich weigerten, die feindliche revolutionäre Junta als rechtmäßige Regierung
der Ukraine anzuerkennen. Die Krim war rund 500 Jahre lang Teil Rußlands
gewesen; nur eine historische Anomalie hatte sie innerhalb der ukrainischen
Grenzen platziert. Die Bürger der Krim erklärten ihre Unabhängigkeit und
begrüßten die russischen Truppen. Danach zogen die ukrainischen Soldaten
friedlich ab, und Rußland annektierte die Krim, nachdem die Bürger mit
überwältigender Mehrheit für die Wiederaufnahme ihrer Beziehungen zum
Mutterland gestimmt hatten. Die beiden Donbaß-Republiken erklärten ihre
Unabhängigkeit, woraufhin die Revolutionsregierung der Ukraine ihnen den Krieg
erklärte. Mehr als 14.000 Menschen starben in diesem Krieg - noch vor den
Aktionen Rußlands in der Ukraine.
Nach dem Putsch von 2014 überschwemmten die USA und die NATO
die Ukraine mit Waffen und Beratern und halfen ihr, sich auf einen Krieg gegen
Rußland vorzubereiten. Die NATO begann mit der Aufstockung von Truppen in ganz
Osteuropa; Marines wurden in Norwegen stationiert. Wir begannen, über
Atomwaffen in Polen zu diskutieren. Die neu gewählte deutsche Regierung
erneuerte ihre Zusage, Atombomben auf deutschem Boden zu stationieren.
Eine Falle der NATO
Als die Spannungen zunahmen, rief Rußland wiederholt zum
Frieden auf, aber die Falle war von der NATO aufgestellt. Ende 2021 hatte die
Ukraine viele Tausende von Soldaten für einen Angriff auf den Donbaß, direkt an
der russischen Grenze, zusammengezogen. Präsident Putin versuchte verzweifelt,
einen Krieg zu vermeiden. Im Dezember 2021 unterbreitete er der NATO konkrete
schriftliche Vorschläge, aber die NATO war wild entschlossen, Krieg zu führen,
und wies seine Vorschläge zurück. Da die Hoffnungen auf Frieden zunichte
gemacht wurden und eine Invasion im Donbaß unmittelbar bevorstand, ordnete
Präsident Putin eine Sonder-Militäroperation in der Ukraine an. Die
ukrainischen Truppen waren nach acht Jahren Kampf gegen den Donbaß
kampferprobt. Rußland verfügte dagegen über eine Friedensarmee mit wenig
Bodenkampferfahrung. Zwar waren ihre Luftstreitkräfte nach den Kämpfen in
Syrien sehr erfahren, aber ihre Bodentruppen spielten in diesem Krieg nur eine
kleine Rolle, und nur wenige russische Soldaten hatten in dem kleinen Krieg in
Georgien oder bei der Unterstützung des Donbaß gekämpft. Außerdem bedeutete die
Verzögerung, die durch Rußlands verzweifelte Friedensangebote entstand, daß der
Boden auftaute, was Panzerangriffe sehr schwierig machte. Zu diesen Nachteilen
kam hinzu, daß die russischen Truppen nach sehr strengen Einsatzregeln
angriffen, die darauf abzielten, die Zahl der zivilen Opfer zu minimieren und
Sachschäden zu vermeiden - in der Hoffnung, daß die Ukrainer wenig Widerstand
leisten würden und die Operation nur sehr kurz dauern würde.
Das erwies sich als großer Irrtum, die Russen waren
überrascht, daß sie gegen einen sehr entschlossenen Feind kämpfen mußten.
Rußland paßte sich der Realität an und änderte seine Strategie, um dem
hartnäckigen Widerstand der Ukraine mit viel größerer Kraft zu begegnen. Es
konzentrierte seine Bemühungen auf die Eroberung der Küste und die Ausschaltung
der ukrainischen Bedrohung für den Donbaß. Die geänderte Strategie war
erfolgreich: Rußland hat gerade die wichtige Hafenstadt Mariupol erobert und
die letzten 2500 verbliebenen Verteidiger gefangen genommen. Die ukrainischen
Streitkräfte in der Nähe des Donbaß sitzen in der Falle und sind einem
vernichtenden Artilleriebeschuß ausgesetzt, der Tausende ihrer besten Soldaten
vernichtet. Diese Truppen lassen sich nicht einfach ersetzen.
Im Gegensatz zu Rußland waren die USA und die NATO
vollständig auf einen Krieg vorbereitet. Rußland wurde von einer weltweiten
Medienpropaganda überwältigt, die einen starken Haß auf die Russen schürte. Der
Westen befindet sich nun im Zustand der Kriegshysterie. Der Haß ist so groß,
daß russische Amputierte, Querschnittsgelähmte, Blinde und Menschen im
Rollstuhl nicht an den Paralympischen Winterspielen teilnehmen dürfen. Der
US-Präsident spricht von Eltern, die ihre Kinder nach
Javelin-Panzerabwehrraketen benennen.
Seit 2014 haben wir Milliarden in die Bewaffnung
ukrainischer Soldaten gesteckt, um Russen zu töten. Jetzt haben wir einen
riesigen Scheck über 40 Milliarden Dollar ausgestellt, der eine dramatische
Eskalation dieses völlig unnötigen Krieges garantiert. Einige Politiker haben
sogar damit begonnen, die Amerikaner auf einen selbstmörderischen Atomkrieg
vorzubereiten. Der republikanische US-Senator Roger Wicker sagte, wir könnten
die Entsendung von US-Truppen in die Ukraine in Erwägung ziehen und er würde
einen nuklearen Überraschungsangriff nicht ausschließen - einen Erstschlag, wie
es im Nuklearjargon heißt. Mit anderen Worten: Wir sollten einen
Überraschungsangriff im Stil von Pearl Harbor in Erwägung ziehen, bei dem
Atombomben auf die Straßen von Moskau und St. Petersburg niedergehen und
Millionen unschuldiger Männer, Frauen und Kinder getötet werden.
Hochgefährlicher Leichtsinn
Die Regierung Biden ist wahnsinnig leichtsinnig geworden.
Das Pentagon hat die Versenkung des russischen Kreuzers Moskwa, des
Flaggschiffs der Schwarzmeerflotte, organisiert. Mit ziemlicher Sicherheit hat
die NATO diese Raketen gelenkt und abgefeuert, und das ist natürlich eine
Kriegshandlung. Sind wir verrückt geworden? Die USA haben zugegeben, daß sie an
der Versenkung des Schiffes und auch an der Ermordung eines Dutzends russischer
Generäle beteiligt waren. Was würden wir tun, wenn Rußland Vergeltung übt? Sie
könnten leicht einen amerikanischen Flugzeugträger mit Hyperschallraketen
versenken, gegen die es keine wirksame Verteidigung gibt. Was wäre, wenn sie
anfangen würden, einen amerikanischen General nach dem anderen zu ermorden?
Präsident Biden war Berichten zufolge wütend über undichte Stellen, die die
Mitschuld der USA an der Versenkung des Schiffs und der Ermordung russischer
Generäle aufdeckten. Aber vielleicht sollte er sich weniger über die Indiskretionen
Sorgen machen als über die verantwortungslosen Handlungen selbst. Sogar die New
York Times wird unruhig und berichtet nervös, daß der Krieg für Amerika
immer gefährlicher wird.
Wir sind wieder im Jahr 1914, jenem schicksalhaften Jahr, in
dem die Ermordung des Erzherzogs von Österreich-Ungarn ein Wirrwarr von
Militärbündnissen in Gang setzte und die Welt in einen Krieg stürzte, der 20
Millionen Menschen das Leben kostete und die Voraussetzungen für den Zweiten
Weltkrieg schuf, dem dann weitere 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Nur
zwei Attentate haben das damals verursacht. Heute haben wir schon ein Dutzend
Generäle ermordet und das Flaggschiff der russischen Flotte versenkt.
Am 13. Mai 2022 erklärte Steny Hoyer, der Fraktionschef der
Demokraten im Repräsentantenhaus, daß wir uns jetzt im Krieg mit Rußland
befinden. Während ihres Besuchs in Kiew im Mai versprach die Sprecherin der
Demokraten, Nancy Pelosi, den Krieg so lange fortzusetzen, „bis der Sieg
errungen ist“. General a.D. Breedlove, ein ehemaliger Oberster Alliierter
Befehlshaber in Europa und enger militärischer Vertrauter Bidens, hat
vorgeschlagen, US-Truppen zu entsenden und durch zwei Drittel der Ukraine
hindurch bis zum Dnjepr vorzurücken. Das Vereinigte Königreich erwägt jetzt
eine Marineaktion, um die russische Seeblockade im Schwarzen Meer zu
durchbrechen. Das ist ein Akt, der Vergeltung für die Versenkung des russischen
Flaggschiffs heraufbeschwören könnte.
Jetzt sagt Präsident Biden, daß die US-Truppen nicht gegen
die Russen in der Ukraine kämpfen werden, weil das zum Dritten Weltkrieg führen
würde, aber gleichzeitig unterzeichnete er ein 40-Milliarden-Dollar-Paket für
geliehenes Kriegsmaterial, das an das Paket erinnert, das Franklin Roosevelt
unterzeichnete, als er eine zögerliche Nation zum Eintritt in den Zweiten
Weltkrieg überredete. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen der Welt
von Franklin Roosevelt und der Welt von Biden heute. Denn Rußland und die
Vereinigten Staaten sind die großen nuklearen Supermächte der Welt. Jeder von
ihnen hat jederzeit 1400 nukleare Sprengköpfe in Bereitschaft, um sie
abzuschießen. Selbst wenn wir einen massiven Überraschungsangriff auf Rußland
starten würden, könnten wir seine große Flotte von Atom-U-Booten niemals
zerstören. Viele ihrer Hyperschallraketen würden frühzeitig starten, und viele
andere Bomben und Raketen würden die ersten Angriffe überleben. Rußland würde
dann Vergeltung üben und New York City und Washington in radioaktive Schmelze
verwandeln. In den großen Metropolen - Atlanta, Chicago, San Francisco,
Detroit, Los Angeles - würden nur wenige überleben. Ja, wir würden Rußland
zerstören, und wir würden auch China zerstören. Aber weder Europa noch Asien
würden verschont bleiben; Japan würde einen nuklearen Holocaust erleiden, der
Hiroshima und Nagasaki wie ein Buschfeuer aussehen ließe. London würde von der
Erde verschwinden; Paris, Brüssel, Berlin und Rom würden untergehen. Und wofür?
Um die Söhne korrupter Politiker zu bereichern, die sich mit Insidergeschäften
die Taschen füllen? Für den Ruhm einer dämonischen neuen Weltordnung?
Henry Kissinger hat zu Friedensverhandlungen innerhalb von
zwei Monaten aufgerufen, bevor der Krieg zu unüberwindbaren Verwerfungen führt.
Er mahnt uns, sich nicht von der Stimmung des Augenblicks mitreißen zu lassen.
Botschafter Arnaud, ehemaliger französischer Botschafter in den USA und bei den
Vereinten Nationen, warnt: „Im Moment schlafwandeln wir in eine Richtung, von
der niemand weiß, wohin sie führt.“ Aber wir wissen genau, wohin es führt. Die
sich entfaltende Phantasmagorie kündigt einen Atomkrieg und eine große
Apokalypse an. Ich danke Ihnen.
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