„Der Jüngste auf der Liste“
Die Sicht eines jungen US-Journalisten auf Amerikas kriminelle
Kriegspolitik und den Versuch, mich zum Schweigen zu bringen
Von Bradley Blankenship
Bradley Blankenship ist Journalist und hat für RT, Xinhua,
CGTN und andere Medien geschrieben.
Hallo, alle zusammen! Vielen Dank für diese Gelegenheit. Ich finde es
wirklich großartig, was das Schiller-Institut tut, um uns, die wir auf der
Liste stehen, zu unterstützen.
Zuerst möchte ich ein wenig über meine Sichtweise sprechen, denn ich denke
- nichts gegen die anderen auf der Liste – aber ich bin wahrscheinlich der
Jüngste auf der Liste, also ist meine Erfahrung ein wenig anders. Ich muß
sagen, daß ich einfach so alt bin, wie ich bin, und die Dinge erlebt habe, die
ich erlebt habe.
Ich bin zum Beispiel in Cincinnati, Ohio, geboren und im nördlichen
Kentucky aufgewachsen, das im wesentlichen das Zentrum der Heroin- und
Opiatkrise in den Vereinigten Staaten ist. Meine Erfahrung, wie wenig sich die
Regierung der Vereinigten Staaten um ihre Bürger kümmert, hat mich dazu
inspiriert, all das zu machen, worin ich mich auskenne, insbesondere die
Kritik an der Politik der US-Regierung.
Das, was ich in meinem Leben persönlich erlebt habe – das Elend der
Menschen um mich herum und so weiter, und auch, weil ich die US-Außenpolitik
erst später in meinem Leben entdeckt habe –, das alles hat mich so weit
gebracht, daß ich sagen kann, ich fühle mich nicht als Patriot. Ich habe nicht
das Gefühl, daß ich mein Land respektiere. Nicht zuletzt wegen solcher Listen,
die sich gegen Menschen wie mich und Menschen wie Scott [Ritter] und andere,
Leute wie Geoff [Young], richten.
Ich denke, ich sollte auch erwähnen, daß dies nicht das erste Mal ist, daß
mir so etwas passiert. Vor einigen Jahren, auf dem Höhepunkt des
Syrien-Krieges, war ich Mitarbeiter einer Nachrichtenagentur namens
Al-Masdar News Agency. Wir wurden beschuldigt, von der Hisbollah
finanziert zu werden, die, wie viele von Ihnen wissen, eine von den USA als
terroristisch eingestufte Organisation ist. Das bedeutete also, daß man uns
irgendwie mit einer terroristischen Organisation in Verbindung brachte. Diese
Anschuldigung wurde von einer von Israel unterstützten Gruppe namens PropOrNot
erhoben und von der Washington Post aufgegriffen. Danach war es in den
internationalen Medien zu lesen. Ich wurde persönlich beschuldigt, von der
Hisbollah finanziert zu werden, was, wie Sie sich vorstellen können, eine
ziemlich schwere Anschuldigung ist.
Ich war auch mit teleSUR verbunden, ich lebte eine Zeit lang in
Ecuador. Das von den USA unterstützte Regime von Lenin Moreno hat unsere
Organisation mit Sanktionen belegt. Wir konnten nicht bezahlt werden, und die
Polizei schikanierte uns und speziell mich, weil ich als verantwortlicher
Redakteur tätig war. Wir hatten bewaffnete Wachleute, die uns schützten. Sie
können sich vorstellen, daß das für jemanden, der Anfang 20 ist, eine ziemlich
beängstigende Situation ist. Kurz darauf bin ich nach Europa gezogen, und
jetzt lebe ich in der Tschechischen Republik, wo man mich ebenfalls wegen
meiner Ansichten ins Visier nimmt.
Ich habe zum Beispiel einmal darauf hingewiesen, daß der Prager Stadtrat
eine Statue von Ivan Konew abgerissen hat, dem sowjetischen General, der die
Tschechische Republik von der Nazi-Tyrannei befreit hat. Sie rissen die Statue
ab und hängten kurz darauf in Prag ein Plakat auf, das die Nazi-Kollaborateure
ehrt. Als ich in einer Kolumne darauf hinwies, wurde ich sofort von den
tschechischen Medien, tschechischen Nationalisten und allen möglichen Leuten
angegriffen. Ich wurde hier von Boulevardzeitungen aufs Korn genommen, von
Leuten, die versuchten, in meinem Leben herumwühlten. Kurz nachdem Rußland in
den Konflikt mit der Ukraine eingetreten war, tauchten Leute vor meinem Haus
auf, ein Mob, der versuchte, mich anzugreifen, und ich mußte die Polizei
rufen.
Das ist kein Scherz, das ist unser Leben. Vor allem hier in der
Tschechischen Republik und in vielen anderen Teilen der Welt, die früher zum
Warschauer Pakt gehörten, gibt es Gesetze, unter denen man ins Gefängnis
kommen kann, wenn man sich prorussisch äußert, so zum Beispiel in der
Tschechischen Republik. Ich weiß zwar, daß das nicht so streng gehandhabt
wird, aber es kann trotzdem passieren. Und da ich auf dieser Schwarzen Liste
stehe und ein Ausländer in diesem Land bin, bin ich besonders gefährdet.
Ich wollte nur sagen, daß die Inhaftierung eine Form von politischer Gewalt
ist. Und ja, ich kann mir durchaus vorstellen, daß es hier in der
Tschechischen Republik Menschen gibt, die wegen ihrer angeblich prorussischen
Ansichten strafrechtlich verfolgt und ins Gefängnis gesteckt wurden. Das
passiert auch jetzt. Je nachdem, wie weit man bereit ist, die Sache zu
treiben, könnte ich auch dazu gehören.
In der Tat wurde ich für nächste Woche ins Innenministerium vorgeladen. Es
könnte also sein, daß ich zu diesem Zeitpunkt festgenommen werde. Das ist
etwas, womit ich in meinem Leben zu tun habe.
Die Frage, warum ich auf der Liste stehe, finde ich recht interessant. Ich
war überrascht, mich auf dieser Liste zu finden. Ich sollte sagen, daß ich
Reporter für die Xinhua News Agency hier in der Tschechischen Republik
bin, Kolumnist bei RT, sowie Kolumnist bei CGTN und
verschiedenen anderen chinesischen Medien. Der Grund, warum ich überrascht
war, mich auf dieser Liste wiederzufinden, ist der von mir beschriebene Grund.
Man sagt zum Beispiel, daß die Sanktionen gegen Rußland nicht funktionieren,
richtig? Wenn zufällig Sie ein Mensch sind, der heute in der Welt lebt, ist
das doch offensichtlich. Ich lebe in Europa, ich sehe die Energiekrise hier.
Zum Beispiel haben gerade 70.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz im Zentrum von
Prag gegen die Politik ihrer Regierung demonstriert und den Rücktritt der
tschechischen Regierung wegen ihrer Politik gefordert.
Es heißt auch, ich sei ein russischer Propagandist, weil ich sagte, die
Ukraine sei eine Brutstätte des Rechtsextremismus. Ich war in der
RT-Sendung „Cross Talk“ mit Peter Lobel, und ich sagte: „Einen Tag
danach war die Schießerei in Buffalo.“ Das passiert uns Menschen gerade
jetzt.
Ich habe auch gesagt, daß die Welt meiner Meinung nach mit Putin verhandeln
sollte. Das ist eine prinzipielle, friedensfreundliche Position. Wenn Ihnen
das ukrainische Leben, die ukrainische Infrastruktur und die ukrainische
Wirtschaft am Herzen liegen, dann wird niemand wollen, daß dieser Krieg
weitergeht. Genau das passiert aber mit unserer Politik der Bewaffnung und
Unterstützung der Regierung Selenskyj. Das bedeutet nicht, daß wir
pro-russisch sind.
Ich möchte auch anmerken, daß ich in meiner Kolumne in RT ausdrücklich gesagt habe, daß ich den Krieg für eine Verletzung des
Völkerrechts halte. Mich also irgendwie als Unterstützer des russischen
Staates zu bezeichnen, ist absolut lächerlich. Ich danke Ihnen.
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