Aussichten für eine auf Fusionsenergie basierende Wirtschaft
für die BRICS-Staaten und ihre Partner
Von Richard A. Black
Richard A. Black ist der Vertreter des Schiller-Instituts
bei den Vereinten Nationen in New York. Die folgende Rede hielt er auf der
„Internationalen wissenschaftlichen und praktischen Konferenz:
Wissenschaftlich-technologische und innovative Zusammenarbeit der
BRICS-Länder“, die am 25. und 26. Oktober 2022 vom Nationalen Komitee für
BRICS-Forschung aus Moskau ausgerichtet wurde. Der Text wurde leicht
überarbeitet und aus dem Englischen übersetzt. Das Video des Vortrags ist hier
verfügbar: https://youtu.be/B0m5-v0etmE?t=8153
Ich möchte dem Nationalen Komitee für BRICS-Forschung in Rußland für die
Einladung des Schiller-Instituts zur Teilnahme an dieser historischen
Konferenz danken.
Auf einem Technologieseminar im September 2022 in Peking sagte Prof. Peng
Xianjue von der Chinesischen Akademie für Technische Physik:
„Die Fusionszündung ist das Juwel in der Krone der Wissenschaft und
Technologie in der heutigen Welt. Die Freisetzung von Fusionsenergie im
Energiemaßstab wird der wichtigste Meilenstein sein auf dem Weg zur
Fusionsenergie für die Menschheit.“
Professor Peng kündigte an, daß China bis 2028 kontinuierliche
Fusionsenergie zur Verwendung in einem hybriden Spaltungs-/Fusions-Kraftwerk
erzeugen wird. Schätzungen zufolge werden die Reaktoren bis 2035 in der Lage
sein, aus dem Fusionsprozeß direkt Energie für das Stromnetz zu erzeugen.
In einer Rede vor 3300 hochrangigen russischen Unternehmensvertretern und
internationalen Delegierten auf einem russischen Industrialisierungsgipfel im
Jahr 2019 berichtete Präsident Putin:
„Die thermonukleare Fusionsenergie, die tatsächlich der Art und Weise
ähnelt, wie Wärme und Licht tief im Inneren unseres Sterns, der Sonne, erzeugt
werden, ist ein Beispiel für eine solche naturähnliche Technologie. Potentiell
können wir damit eine riesige, unerschöpfliche und sichere Energiequelle
erschließen.“
Präsident Putin betonte, daß Rußland bereit ist, eine „expansive und
gleichberechtigte Zusammenarbeit“ mit Nationen auf der ganzen Welt einzugehen,
um die Durchbrüche in Wissenschaft und Technik zu erzielen, die erforderlich
sind, um riesige Mengen an Strom für den weltweiten Bedarf zu erzeugen.
Tab. 1: Enormes Defizit des Stromverbrauchs
in den Entwicklungsländern
(Stromverbrauch in kWh pro Person und Jahr)
|
Vorgeschlagener Standard: USA
|
11.731
|
Derzeitiger Verbrauch: Afrika
|
559
|
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– Mali
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153
|
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– Sierra Leone
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42
|
|
– Tschad
|
12
|
Derzeitiger Verbrauch: Iberoamerika
|
2096
|
|
– Peru
|
1398
|
|
– Guatemala
|
589
|
|
– Haiti
|
37
|
Derzeitiger Verbrauch: Asien (ohne Japan)
|
2540
|
|
– Indonesien
|
799
|
|
– Myanmar
|
269
|
|
– Jemen
|
123
|
Quelle: EIR, US Department of Energy, Energy Information Agency,
International Energy Agency (IEA)
|
Tabelle 2: Die Entwicklungsländer benötigen
57,4 PWh Wattstunden an erhöhtem Elektrizitätsverbrauch
|
Kontinent
|
Derzeitiger Netto-Stromverbrauch (TWh)
|
Notwendige Steigerung
des Netto-Stromverbrauchs
zum Erreichen des US-Standards (TWh)
|
Afrika
|
638
|
13.768
|
Iberoamerika
|
1315
|
6108
|
Asien (ohne Japan)
|
10.219
|
37.485
|
Entwicklungs- länder insg.
|
12.217
|
57.361
|
Quelle: EIR, US Dept. of Energy, Energy Information Agency, Nationales Statistisches Amt-China, International Energy Agency
|
Tabelle 3: Die Energiedichte von Brennstoffen
|
Energiequelle
|
Energiedichte (Joules/Gramm)
|
Steinkohle
|
2,7 x 104
|
Typischer Kernbrennstoff
|
3,7 x 109
|
Deuterium-Tritium-Fusion
|
3,2 x 1011
|
Quelle: EIR, 21st Century Science &
Technology
|
Das globale Energiedefizit
Die laufenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, die darauf abzielen,
die Kernfusion in naher Zukunft in Betrieb zu nehmen – durch und für die
BRICS-Staaten und -Partner –, machen diesen Bereich zu einem zentralen Thema
der heutigen Konferenz: wissenschaftliche, technische und innovative
Zusammenarbeit. Nimmt man die führende Arbeit Indiens bei der Entwicklung
eines mit Thorium betriebenen Reaktors und die historische Rolle Südafrikas
bei der Entwicklung von Spaltreaktoren hinzu, so wird deutlich, daß die BRICS
und der Globale Süden heute an der Spitze der weltweiten Wissenschaft stehen,
um die globale Energiearmut zu bekämpfen.
In diesem Bericht werde ich kurz das Ausmaß der weltweiten Energiedefizite
erörtern, einige Schlüsselprinzipien der physikalischen Ökonomie des
amerikanischen Wissenschaftlers Lyndon LaRouche vorstellen, das Wesen und die
Herkunft des Fusionsbrennstoffs erörtern und schließlich den verlogenen
Charakter der in der akademischen Welt und bei den Regierungen des Westens
verbreiteten Ideologie der „Grenzen des Wachstums“ oder der angeblichen
„Ressourcenknappheit“ entlarven.
Mein Kollege bei Executive Intelligence Review, der physische Ökonom
Richard Freeman, hat berechnet, wie hoch die immensen aktuellen
Energiedefizite im Globalen Süden sind, und was erforderlich ist, um diese
Teile der Welt rasch auf den Standard des Pro-Kopf-Energieverbrauchs in den
USA zu bringen.
Betrachten Sie Tabelle 1: Der derzeitige Pro-Kopf-Energieverbrauch
in Asien (ohne Japan) ist nur ein Viertel so hoch wie in den USA, in
Lateinamerika ein Fünftel und in Afrika ein Zwanzigstel. Dieses technologische
Defizit ist die Ursache für Hungersnöte, unkontrollierte Krankheiten und
Pandemien sowie sozialen Zerfall.
Grundlegende Prinzipien der physischen Ökonomie
In Tabelle 2 sehen wir den tatsächlichen, modernen Energiebedarf der
Entwicklungsländer. Die Entwicklungsländer als Ganzes benötigen 57,4 PWh
jährlich an zusätzlichem Stromverbrauch. Ein Blick auf die untere Zeile dieses
Diagramms zeigt, daß der unterentwickelte Sektor seine Stromproduktion
verfünffachen muß.
Betrachten wir nur zwei Prinzipien der physischen Ökonomie im Hinblick auf
die Energieerzeugung und ihren Einsatz in der Gesellschaft: 1. die
Energieflußdichte und 2. den Energieverbrauch im Verhältnis zum BIP pro Kopf.
Die Energieflußdichte wird nach der Definition des amerikanischen
Wissenschaftlers und Ökonomen Lyndon LaRouche als die Intensität der Energie
gemessen, die am Ort der Erzeugung oder Anwendung eingesetzt wird. Man denke
an die Energie, die in einem Laserstrahl für die Metallzerspanung konzentriert
ist, verglichen mit der Energie, die eine Wassermühle des 18. Jahrhunderts
erzeugt. Betrachten Sie dazu die vergleichende Energiedichte verschiedener
Brennstoffe in Tabelle 3.
Man beachte, daß die verfügbare Energie aus der
Deuterium-Tritium-Fusionsreaktion im Vergleich zur modernen Kohleverbrennung
nicht nur um ein Vielfaches höher ist, sondern sogar um sieben Größenordnungen
zunimmt.
In allen Ländern korreliert der Anstieg des Pro-Kopf-Stromverbrauchs eng
mit dem Anstieg des BIP. Die stark ausgeweitete Stromproduktion einer auf
Kernspaltung basierenden Wirtschaft ist eine Voraussetzung für moderne
Arbeitskräfte, die den Fortschritt einer Nation ermöglichen. Doch obwohl die
massive Ausweitung der Energieerzeugung auf der Grundlage von
Kohlenwasserstoffen und Kernspaltung von entscheidender Bedeutung ist – und
das für den Globalen Süden sofort, bis innerhalb von etwa 15 Jahren die
Fusionsenergie in Betrieb genommen wird –, liefert nur die Fusionsenergie die
gesamte Energiemenge, die erforderlich ist, um die Weltgemeinschaft,
einschließlich ganz Afrikas, langfristig auf das erforderliche höhere Niveau
zu bringen. Historiker werden feststellen, daß der senegalesische
Kernchemiker, Historiker und politische Visionär Cheikh Anta Diop bereits 1960
eine solche Energiepolitik für den afrikanischen Kontinent vorgab, er sprach
von der „effektiven Kontrolle thermonuklearer Reaktionen ... in Anlagen, die
Tokamaks genannt werden“.
Quelle: EIRNS/Jason Ross, Daten der World DataBank (2010)

Abb. 1: Stromverbrauch im Vergleich zum Pro-Kopf-BIP.
Die Korrelation zwischen dem Pro-Kopf-Stromverbrauch und dem BIP ist
bemerkenswert deutlich. Wer darauf besteht, daß Entwicklungsländer „angepaßte
Technologien“ einsetzen, der besteht darauf, daß sie auf ewig arm bleiben.
Der derzeitige Bau des Kernspaltungskomplexes der Generation III+ mit
vier Blöcken im ägyptischen El Dabaa – eine Kooperation zwischen der
Russischen Föderation und Ägypten – ist ein Beispiel dafür, was erforderlich
ist. Welche Aussichten hätte dann erst der von China entworfene
Spaltungs-/Fusions-Hybridreaktor als Brücke zur fusionsbasierten
Energieversorgung in Afrika?
Abbildung 1 zeigt die Korrelation zwischen dem Stromverbrauch und dem
Pro-Kopf-BIP in den einzelnen Ländern.
Der Mond: Eine praktische Quelle
für Fusionsbrennstoff
Aus Zeitgründen können wir nicht ausführlich darauf eingehen, aber der
beste Fusionsbrennstoff ist das Heliumisotop He3. Auf der Erde
kommt es äußerst selten vor, aber eine nahegelegene Quelle, der Mond, enthält
enorme Mengen dieses Brennstoffs in seinem Boden, dem Regolith. In einer
echten Demonstration der „Sonnenenergie“ produziert die Sonne He3
als einen der Bestandteile des „Sonnenwindes“, den sie ständig in unser
Sonnensystem ausstrahlt. Da der Mond nicht über das schützende Magnetfeld der
Erde verfügt, speichert er große Mengen an He3 von der Sonne.
Gegenwärtig schätzt man, daß der Mondboden zwischen einer und fünf Millionen
Tonnen He3 enthält.
Prof. Ouyang Ziyuan, renommierter Geochemiker und Kosmochemiker und
leitender Wissenschaftler des chinesischen Monderkundungsprogramms (CLEP),
sagte dazu, der Mond sei so reich an He3, daß diese Quelle „den
Energiebedarf der Menschheit für mindestens 10.000 Jahre decken“ könne. Ein
Teil der Mission von Chinas Chang'e-Mondsonden besteht darin,
He3-Vorkommen auf dem Mond aufzuspüren. Professor Ouyang plädiert
seit langem dafür, daß dieses Großprojekt eine Zusammenarbeit vieler Nationen
sein sollte, um „den Energiebedarf der Menschheit zu lösen“.
W.I. Wernadskij und die Zukunft der Menschheit
Die Ansichten und Arbeiten von Professor Ouyang spiegeln heute in
beispielhafter Weise die immensen konzeptionellen Beiträge des Biogeochemikers
Wladimir I. Wernadskij aus dem 20. Jahrhunderts wider. Wernadskijs Beiträge
definierten Prinzipien des menschlichen Fortschritts im Universum, die uns ein
tieferes Verständnis der natürlichen Entwicklung ermöglichen, die in allen
aktuellen Arbeiten auf dem Weg zu einer auf Fusionsenergie basierenden
Wirtschaft zum Ausdruck kommt. 1938 schrieb Wernadskij in seinem Werk
Probleme der Biogeochemie II: Über die grundlegende materiell-energetische
Unterscheidung zwischen lebenden und nicht lebenden natürlichen Körpern der
Biosphäre:
„Wir leben in einer ganz neuen, strahlenden geologischen Epoche. Der Mensch
verändert durch seine Arbeit – und seine bewußte Beziehung zum Leben – die
Hülle der Erde, die geologische Region des Lebens, die Biosphäre. Der Mensch
versetzt sie in einen neuen geologischen Zustand: Durch seine Arbeit und sein
Bewußtsein befindet sich die Biosphäre in einem Prozeß des Übergangs zur
Noosphäre. Der Mensch schafft neue biogeochemische Prozesse, die es vorher
nicht gab...
Das Gesicht der Erde verändert sich tiefgreifend. Das Stadium der Noosphäre
ist im Entstehen begriffen. In der Biosphäre der Erde ist eine intensive Blüte
im Gange, deren weitere Geschichte, so scheint es uns, grandios sein wird. In
diesem geologischen Prozeß – der im wesentlichen biogeochemisch ist – kann
eine einzelne individuelle Einheit aus der Gesamtheit der Menschheit – eine
große Persönlichkeit, sei es ein Wissenschaftler, ein Erfinder oder ein
Staatsmann – von grundlegender, entscheidender, lenkender Bedeutung sein und
sich als geologische Kraft manifestieren. Diese Art der Manifestation von
Individualität in Prozessen von enormer biogeochemischer Bedeutung ist ein
neues planetarisches Phänomen.“
So wurde der Betrug des „neomalthusianischen Wirtschaftsliberalismus“, wie
LaRouche ihn nannte, der in den letzten Jahrzehnten vom Club of Rome von David
Rockefeller und Aurelio Peccei mit ihrem vielgelesenen Buch Die Grenzen des
Wachstums verbreitet wurde, von Wernadskij schon Jahrzehnte vor dessen
Veröffentlichung diskreditiert. Wernadskij hat durch rigorose
wissenschaftliche Arbeit gezeigt, daß das Universum – wie es im klassischen
Griechenland verstanden wurde – ein axiomatisch hylozoisches Universum
ist.
Quelle: Chance McGee, Hussein Askary/Schiller-Institute, 2017

Abb. 2: Afrika bei Nacht, 2018/2058
Die Intensivierung der BRICS-Aktivitäten und ihre Erweiterung um neue
Mitglieder und Partner sowie ähnliche Prozesse, an denen die Shanghaier
Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU)
und andere für alle offene multinationale Organisationen beteiligt sind,
bringen die Aussichten auf eine fusionsbasierte Wirtschaft sowie auch für ein
neues Paradigma der schnellen, gerechten und fortschrittlichen Entwicklung für
alle Nationen auf eine neue, hoffnungsvolle Ebene.
Ich schließe mit einer Grafik, die das Schiller-Institut 2018
veröffentlicht hat (Abbildung 2). Links sehen Sie eine aktuelle
Satellitenaufnahme des energiearmen Afrikas bei Nacht; rechts sehen Sie eine
künstlerische Projektion eines „elektrifizierten“ Afrikas bei Nacht im Jahr
2058.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Kommentare und Fragen sind
willkommen; senden Sie sie an das Schiller-Institut unter richardblack1776@gmail.com.
Quellen
1. Lyndon H. LaRouche, Jr.: Was Sie schon immer über Wirtschaft wissen
wollten, 1984.
2. Lyndon H. LaRouche, Jr., „The Legacy of Mendeleyev and Vernadsky: The
Spirit of Russia’s Science” (Das Vermächtnis von Mendelejew und Wernadskij:
Der Geist der russischen Wissenschaft), Executive Intelligence Review,
Bd. 28, Nr. 47, 7. Dezember 2001, S. 23-45.
3. Richard Freeman, „Clean Coal Can Electrify the World“ (Saubere Kohle
kann die Welt elektrisieren), Executive Intelligence Review, Bd. 48,
Nr. 31, 6. August 2021, S. 38-44.
4. EIR-Sonderbericht, The New Silk Road Becomes the World
Land-Bridge (Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke), 2014.
5. Hussein Askary und Jason Ross: Extending the New Silk Road to West
Asia and Africa, Schiller Institute Strategic Report, Nov. 2017.
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