Afrika wieder selbstversorgend machen
Von Nino Galloni
Nino Galloni ist Wirtschaftswissenschaftler und war
Generaldirektor des italienischen Arbeitsministeriums. In der
Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 18. Juni 2022 hielt er den
folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Italienischen.)
Liebe Helga, guten Abend an dich und alle unsere Freunde!
Seit Jahren verliert die Globalisierung immer mehr an Boden. Der Hauptgrund
dafür ist, daß es sich dabei vor allem, wenn nicht sogar ausschließlich, um
die Kosten dreht, so daß es zu einem Kostenwettbewerb zwischen den
Volkswirtschaften gekommen ist, der einige Länder zu niedrigeren Löhnen und
auch zu geringerer Qualität gezwungen hat. Sagen wir, es handelt sich um eine
moderne Globalisierung, denn die gab es schon zu Zeiten des Römischen Reiches,
weil zunächst Getreide aus Sizilien importiert wurde und dann das aus Ägypten
billiger war.
Was sich jedoch in der heutigen Zeit geändert hat, ist ein grundlegender
Punkt, nämlich daß sich die Globalisierung in der Praxis nicht auf die
Qualität ausgewirkt hat, so daß Länder wie Italien praktisch gezwungen waren,
die Löhne zu senken, um mit Ländern mitzuhalten, die ihrerseits aufgrund ihrer
niedrigeren Löhne exportieren mußten, was zu unlösbaren Problemen führte. Die
Globalisierung begann jedoch, als die Löhne in den Vereinigten Staaten gesenkt
wurden, so daß es notwendig war, Produkte von geringer Qualität und zu
niedrigen Preisen zu importieren, um die Nachfrage und den Verbrauch
aufrechtzuerhalten. Dies ermöglichte es Ländern wie China, sich zu entwickeln,
d.h. sie nutzten die Situation aus, während Länder wie Italien, anstatt sich
mit Ländern wie China zu integrieren und auf der Grundlage der Qualität
unserer Produkte zu konkurrieren, Wege einschlugen, die keine Ergebnisse
brachten.
Heute leiden wir zum Beispiel seit den 1960er Jahren unter dem Problem des
Hungers in Afrika, das es vorher nicht gab, weil die Afrikaner ihr eigenes
Getreide, ihre eigene Hirse und ihr eigenes Sorghum anbauten und irgendwann
begannen, billigen Weizen und billiges Mehl aus Nordamerika zu importieren,
wodurch ihre gesamte einheimische Produktion entwurzelt wurde.
Als dann in den 1970er Jahren die Preise stiegen, gab es das Problem der
Verschuldung der afrikanischen Länder, weil die herrschenden Kreise, die die
nationalen Befreiungen bewirkten, verdrängt und durch korrupte Klassen ersetzt
wurden, die Waffen und Luxusgüter importierten. Dann stellte sich heraus, daß
die Masse der Afrikaner aufgrund der Inflation nicht mehr das Geld hatte, um
die Baguettes und das Mehl aus Nordamerika zu kaufen.
Aber jetzt haben wir meiner Meinung nach eine große Chance. Der Preis
(nicht die Kosten) sind gleich geblieben, aber die Preise für dieses Getreide
steigen, weil es nicht verfügbar ist, weil es keine Investitionen in die
Infrastruktur gibt oder weil die Schiffe im Schwarzen Meer gestoppt werden.
An diesem Punkt sollte eine Vereinbarung zwischen Rußland, Italien und den
afrikanischen Ländern getroffen werden, vor allem mit denjenigen, die gezeigt
haben, daß sie sich um ihre Bevölkerung kümmern. Sie sollten dieses
ukrainische Getreide verwenden, während die afrikanischen Länder sich
umorganisieren, weil die Preise steigen, um mit der Produktion ihrer eigenen
Hirse, ihres eigenen Sorghums zu beginnen, die in der Regenzeit, d.h. in
einigen Monaten, angebaut werden können. Man muß also das Getreide, das unter
russischer Kontrolle steht, verwenden, um die Regenzeit zu überstehen.
Und was wird gesät werden? Neben Hirse und Sorghum auch alte
Getreidesorten. Heute sind in Italien und insbesondere in Sizilien, Apulien,
Kampanien und Kalabrien viele junge Menschen auf das Land zurückgekehrt und
haben dafür gesorgt, daß 40 Milliarden an Lebensmittelimporten ersetzt werden.
Wir sind weltweit führend in der ökologischen und biodynamischen
Landwirtschaft.
Ich glaube, daß wir die Perspektive umkehren und diesen Krieg nutzen
können, um den Afrikanern das zurückzugeben, was ihnen schon immer gehörte,
nämlich eine produktive Fähigkeit.
Ich werde Ihnen auch von einer Erfahrung erzählen, die ich mit meinem
Missionsbruder im Kongo gemacht habe: Wir haben Wasser auf gepflügtes Land
gebracht, und die Ähren wuchsen, und die Menschen, die kein Geld hatten, um
ausländisches Brot zu kaufen, hatten ihr eigenes Brot, das sie aus ihrem
eigenen Getreide hergestellt hatten.
Natürlich ist die Produktivität dieses Bodens gering, und deshalb müssen
wir aus der kapitalistischen Logik und der Globalisierung herauskommen, vor
allem, wenn in einigen Jahren hypothetisch billiges Getreide wieder auf den
Markt kommen wird. Ich glaube, daß diese afrikanischen Länder ihre Stärke
bewiesen haben, ihre Unabhängigkeit bewahren und mit Rußland in einen Dialog
treten – und ich hoffe, auch mit Italien, wenn wir uns vom Joch dieser
Untertanen befreien, die uns seit Jahren beherrschen und unsere Demokratie
verleugnen. Sie werden von der gerechten Revolte meines Landes, meiner
Landsleute, überholt werden.
Dann glaube ich, daß diese afrikanischen Länder sich weigern werden, wieder
billiges Getreide zu importieren, um die eigenen Länder zu enteignen. Und das
wird das Ende der Globalisierung und die Wiederherstellung einer Wirtschaft
sein, in der Qualität, Unabhängigkeit, Demokratie und der Dialog zwischen
allen Völkern zurückkehren werden.
Ich hoffe daher, daß wir, um dem Trend der letzten Jahrzehnte
entgegenzuwirken, diese geopolitische Situation nutzen müssen, die einen sehr
wichtigen Wandel auf dem Planeten erzwingt: Es gibt nicht mehr eine unipolare
Welt unter amerikanischer Führung, sondern eine multipolare Welt, die einen
Dialog führen muß.
Das bedeutet, daß wir untersuchen müssen, was das neue Bretton Woods sein
wird, wie Lyndon LaRouche vor vielen Jahren zu sagen pflegte und noch zu
seinen Lebzeiten vertrat. Das ist auch der Weg, um die Wirtschaft zu
regulieren und die wirtschaftliche Entwicklung mit einem System von Krediten
und schuldenfreiem Geld wiederzubeleben. Es geht darum, die Infrastrukturen
wieder aufzubauen, die internationalen Verbindungen immer effizienter zu
gestalten, die wissenschaftliche Forschung in allen Bereichen voranzutreiben
und so eine Welt zu schaffen, in der die lokalen Produktionen harmonieren, in
der es auch grundlegende Produktionen für die Länder gibt, die diese
Eigenschaft haben. Also Lebensmittel, Kleidung, Wohnungen usw. auf der einen
Seite und auf der anderen Seite die Entwicklung all jener Technologien, die es
der Menschheit ermöglichen, zu wachsen, und die es uns ermöglichen werden, zu
zeigen, daß es nicht zu viele von uns auf dem Planeten gibt, sondern genau das
Gegenteil.
Denn wenn wir uns beispielsweise die Probleme in Afrika ansehen, dann sehen
wir, daß es unterbevölkert ist. Aber damit es richtig bevölkert wird, müssen
wir Projekte wie Transaqua auf den Weg bringen, um Wasser aus dem Kongobecken
in den Tschadsee zu leiten, auch Entwässerungsprojekte, um die Verdunstung des
Nils zu verhindern. Auch dürfen wir nicht vergessen, daß die heutigen
Entsalzungsanlagen, anders als noch vor einigen Jahrzehnten, sehr gut
funktionieren; sie können mit Kernenergie auf Thoriumbasis und auf andere
Weise betrieben werden und sehr gutes Wasser produzieren. Ich habe in den
letzten Jahren einige Anlagen gesehen, die ENEL auf einigen Inseln gebaut hat,
um Wasser durch Entsalzung zu produzieren, und es war nicht anders als
Mineralwasser aus der Flasche, es war sehr gut. Es ist nicht wie früher, als
man es nicht trinken konnte, heute ist es gut, es ist sehr gut für die
Bewässerung geeignet, es gibt arabische Länder, die dank dieser Technologien
zu Gärten werden. Wir sehen nicht ein, warum wir diese Möglichkeit nicht auf
den ganzen Planeten ausdehnen sollten. Das ergibt sich aus der Zusammenarbeit
zwischen den Völkern bzw. aus einer demokratischen Logik auf der Grundlage von
Vereinbarungen, wie einem neuen Bretton Woods, das monetäre Aspekte,
Kreditaspekte, aber auch Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
berücksichtigt.
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