Langfristiges Überleben: eine neue Sicherheitsarchitektur
Von Helga Zepp-LaRouche
Guten Tag oder guten Abend, je nachdem, an welchem Ort auf der Welt Sie
gerade sind.
Betrachtet man die gegenwärtige strategische Situation von oben, vom langen
historischen Bogen der Geschichte aus, wie sollte sich die Menschheit
Institutionen geben, die ihr langfristiges Überleben garantieren?
Von der gegenwärtigen Dynamik zwischen einem aufstrebenden China und Asien im
allgemeinen und einem scheiternden westlichen liberalen System aus gesehen,
scheint es offensichtlich, daß das Ergebnis dieser historischen Ära ein neues
Paradigma in den internationalen Beziehungen sein muß. Die Geopolitik, deren
Fortsetzung uns gegenwärtig an den Rand eines Atomkrieges gebracht hat und deren
Wahnsinn nirgendwo deutlicher zum Ausdruck kommt als in der Militärdoktrin, die
dem Manöver „Global Lightning“ zugrunde liegt und die von einer langwierigen
nuklearen Kriegsführung ausgeht, diese Geopolitik, die der Welt im 20.
Jahrhundert zwei Weltkriege beschert hat und die im Zeitalter der
thermonuklearen Waffen zur Vernichtung der Menschheit führen würde, muß ersetzt
werden. Sie muß ersetzt werden durch eine neue internationale
Sicherheitsarchitektur, die die Sicherheitsinteressen aller Staaten der Erde,
einschließlich Rußlands und Chinas, sowie der Entwicklungsländer
gewährleistet.
Konfuzius wird der Gedanke zugeschrieben, daß man ein Problem nur dann lösen
kann, wenn man die Begriffe in Ordnung bringt. Denn wenn die Begriffe in
Unordnung sind, führt das zu Mißverständnissen, die zu Streit führen, was
wiederum die Grundfesten des Staates ins Wanken bringt, und es kann keine
Harmonie in der Welt geben.
Deshalb ist es eine der dringlichsten Aufgaben, den Unterschied zu klären
zwischen der historischen Wahrheit über das, was in den letzten mehr als 30
Jahren seit dem Zerfall der Sowjetunion geschehen ist, und der offiziellen
Darstellung, wie sie in den westlichen Mainstream-Medien erzählt wird, und auf
der Münchner Sicherheitskonferenz, wo in diesen Tagen eine Gutteil der Elite der
NATO-Fraktion vertreten ist und wo Außenminister Tony Blinken und die deutsche
Außenministerin Baerbock scheinbar unzertrennlich sind - ein erstaunliches
Schauspiel.
Die offizielle Linie dieser Kräfte ist, Putin sei der Aggressor, Rußland sei
das einzige Land, das in der Nachkriegszeit mit Gewalt die Grenzen in Europa
verändert hat, nämlich auf der Krim, und der einzige relevante Kampf sei der
zwischen den „liberalen Demokratien“ und den aggressiven autokratischen Staaten;
daß die NATO nie etwas falsch gemacht habe und Rußland souveränen Ländern wie
der Ukraine das Recht abspreche, das Bündnis zu wählen, dem sie angehören
wollen. Das letzte, was einige dieser Medien und Politiker wollen, ist eine
genaue historische Untersuchung, wie es zu der jetzigen Situation kam. Aber
diese Aufarbeitung ist die unabdingbare Voraussetzung, um zu einer positiven
Lösung der gegenwärtigen Situation zu kommen.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat nicht die Überlegenheit des westlichen
liberalen Modells bewiesen. Sie ist genau aus den Gründen zusammengebrochen, die
Lyndon LaRouche 1984 benannt hat: das Festhalten an der Ogarkow-Doktrin, die
Weigerung, Präsident Reagans Angebot zur Zusammenarbeit bei der späteren SDI
anzunehmen, und das Festhalten an den Prinzipien dessen, was der sowjetische
Ökonom Preobraschenski als „primitive sozialistische Akkumulation“ bezeichnet
hatte.
Papst Johannes Paul II. warnte nachdrücklich, der Westen solle nicht den
Schluß ziehen, daß er moralisch überlegen sei, und verwies als Beweis auf den
Zustand des Entwicklungssektors, der als Nebenprodukt dieses westlichen
liberalen Systems arm und unterentwickelt sei.
In dieser Zeit, zwischen dem Fall der Berliner Mauer und der Auflösung des
Warschauer Paktes, gab es die reale Chance für etwas völlig Neues. Der
Kommunismus verschwand, der Westen hatte keinen Feind mehr, Lyndon LaRouche und
seine Bewegung schlugen zunächst das „Produktive Dreieck Paris-Berlin-Wien“ und
dann die „Eurasische Landbrücke“ als Grundlage für die Schaffung einer
Friedensordnung für das 21. Jahrhundert vor.
Der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock, hat immer wieder mit
Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Sowjetunion in den letzten Jahren ihres
Bestehens keine Bedrohung mehr darstellte und daß der Kalte Krieg nicht mit der
Sowjetunion endete, sondern bereits zwei Jahre zuvor zu Ende gegangen war.
Gorbatschow hatte der Demokratisierung Osteuropas und verschiedenen internen
Reformen zugestimmt, weshalb ein großer Teil der russischen Bevölkerung ihn
haßte und als Verräter betrachtete, anders als die Menschen im Westen, die
„Gorby, Gorby, Gorby“ skandierten.
NATO-Lüge entlarvt
Das Argument, es habe nie ein Versprechen an Rußland gegeben, daß die NATO
nicht nach Osten expandieren würde, ist eine eklatante Lüge, die von Zeitzeugen
wie Matlock entlarvt worden ist. Es gibt die Diskussion des damaligen
US-Außenministers James Baker III am 9. Februar 1990, in der er Gorbatschow
bestätigte, daß „die NATO sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen“ würde, und
erst kürzlich bestätigte dies auf spektakuläre Weise Roland Dumas, der damalige
französische Außenminister. Offensichtlich wegen der akuten Kriegsgefahr brach
er vor fünf Tagen sein jahrelanges Schweigen und bezeugte in einem langen
Interview auf der französischen Internetseite Les Crises, was er unserem
französischen Vertreter Jacques Cheminde schon vor drei Jahren unter vier Augen
gesagt hatte, daß in jenen Tagen die sehr wichtigen Verhandlungen über die
Abrüstung und Entmilitarisierung des Warschauer Paktes liefen. Dumas sagte:
„Und die Diskussion begann folgendermaßen: Es war der russische Diplomat, der
sich für Gorbatschow, aber auch für den russischen Außenminister Schewardnadse
zu Wort meldete und sagte: Wir, die russische Delegation, wollen wissen, was im
Rahmen der Abrüstung mit den Waffen der NATO geschehen wird. Und wir fordern –
ich erinnere mich sehr gut, er war förmlich -, daß die alliierten Truppen zwei
Verpflichtungen einhalten. Die erste, die sehr sentimental war, betrifft die
Erhaltung von Denkmälern in allen sowjetischen Ländern zum Ruhme der
Sowjetarmee. Die zweite ist, daß es eine Verpflichtung der Truppen des
Warschauer Paktes und der NATO geben sollte, daß es keine Bewegung von
NATO-Truppen in den Regionen des Sowjetpaktes geben sollte, die abgerüstet
werden sollen.“
Und auf die Frage, warum das nicht in den Verträgen festgehalten wurde,
antwortete er: „Es wurde nicht erwähnt. Das heißt, daß Leute, die so vorsichtig
sind wie die Amerikaner und die Leute von der atlantischen Allianz, nicht darum
gebeten haben, daß dies festgehalten wird. Es ist möglich – aber in Bezug auf
den Charakter der allgemeinen Diskussion, d.h. den Versuch, abzurüsten, um die
Kriegsgefahr zu beseitigen – denn das war es, was zählte – und sich auf eine
andere Periode vorzubereiten, im Kontext der damaligen Zeit, die Abrüstung war,
war es logisch. Also fand diese Diskussion statt. Sie fand vor allem deshalb
statt, weil die Russen darum baten, weil wir sie unterstützten, ich selbst
zuerst und die Amerikaner auch. Und die Deutschen natürlich auch.“
Jack Matlock betont, daß das Versprechen, das schon vor dem Ende der
Sowjetunion allgemein akzeptiert wurde – daß Sicherheit „Sicherheit für alle“
bedeuten muß –, das Argument war, mit dem Gorbatschow die Reduzierung der
Bewaffnung des sowjetischen Militärs rechtfertigte. Matlock erzählt auch, daß
Präsident Bush senior in einer seiner letzten Reden in Kiew, als es noch eine
Sowjetunion gab, den Ukrainern riet, sich Gorbatschows freiwilliger Föderation
anzuschließen, die er vorschlug, und er warnte die Ukrainer vor
„selbstmörderischem Nationalismus“.
Sehen wir uns ein Video mit dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich
Genscher an, der das klar bestätigte.
* * *
(Videoausschnitt:)
Sprecherin: Im Gegenzug zur deutschen Einheit verspricht der Westen,
die NATO nicht weiter nach Osten vorrücken zu lassen. In Washington macht der
damalige Außenminister weitreichende Zusagen.
Hans-Dietrich Genscher: Wir waren uns einig, daß nicht die Absicht
besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens
nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir da nicht einverleiben wollen, sondern
gilt ganz generell.
Die nächste Szene zeigt US-Außenministerin Madeleine Albright mit drei
europäischen Ministern im Jahr 1999 auf einem Podium. Hinter ihnen sind die
Flaggen der NATO, der USA und anderer Staaten zu sehen.
Sprecherin: Ein Versprechen von kurzer Lebensdauer. Die ersten
osteuropäischen Länder werden in die NATO aufgenommen. [US-]Außenministerin
Albright strahlt, als sie ihre Amtskollegen aus Polen, Tschechien und Ungarn im
Arm hält. Ein bedrohlicher Griff aus Sicht Moskaus. Doch man ist zu schwach, um
zu reagieren.
(Ende des Videos.)
* * *
Zepp-LaRouche: Man sieht also, Dumas, Genscher, Matlock, sie alle
bestätigen, daß diese Versprechungen gemacht wurden, und sie widersprechen
eindeutig der offiziellen Darstellung, solche Versprechungen seien nie gemacht
worden, die NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ständig wiederholt.
Und gerade heute berichtet Der Spiegel über ein kürzlich
aufgetauchtes, bisher „geheimes“ Geheimdokument im britischen Nationalarchiv,
das der US-Politologe Joshua Shifrinson entdeckt hat, über ein Treffen zwischen
den politischen Direktoren der Außenministerien der USA, Großbritanniens,
Frankreichs und Deutschlands am 6. März 1991 in Bonn. In dem Dokument heißt es,
daß alle darin übereinstimmten, daß eine NATO-Mitgliedschaft für osteuropäische
Länder nicht in Frage käme. Jürgen Chrobog, Vertreter der Bonner Regierung, wird
zitiert, daß eine Ausweitung der NATO über die Elbe hinaus nicht in Frage käme
und deshalb Polen und anderen Ländern keine NATO-Mitgliedschaft angeboten werden
könne. Der US-Vertreter auf dem Treffen, Raymond Seitz, stimmte zu, daß man den
Sowjets in den Zwei-plus-Vier-Gesprächen versprochen habe, daß die NATO weder
formell noch informell nach Osten expandieren werde.
Der Spiegel weist darauf hin, daß die Russen schon 1993, also lange
vor Putin, beklagt haben, daß die Osterweiterung der NATO den Geist der
Zwei-plus-Vier-Gespräche verletze. Es wurde zwar nicht schriftlich festgehalten,
aber beide Seiten handelten 1990 in gutem Glauben, was heute völlig vergessen
scheint.
Das „Ende der Geschichte“ bleibt aus
Dieser gute Glaube wurde jedoch nicht von allen geteilt. Anstelle eines neuen
Systems, das Sicherheit für alle bieten würde, was auch der Beitritt Rußlands
zur NATO hätte sein können, starteten die Neocons in den USA und ihre britischen
Kollegen das PNAC, das „Projekt für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert“, um
eine unipolare Welt aufzubauen. Der „irrationale Überschwang“ übernahm nicht nur
die Märkte, wie Alan Greenspan zu einem bestimmten Zeitpunkt feststellte,
sondern es war die Euphorie, daß das westliche liberale System den Kalten Krieg
„gewonnen“ habe, was zum Narrativ wurde, das die historischen Fakten ersetzte.
Das alberne und völlig falsche Argument von Francis Fukuyama vom „Ende der
Geschichte“, wonach sich die liberale Demokratie auf jedes Land der Erde
ausbreiten würde, begann einen Nebelschleier über die Köpfe der westlichen
Institutionen zu legen.
Die Mittel, mit denen diese unipolare Welt entstehen sollte, waren allerdings
weniger schön: Farben-Revolutionen – orange, rosa, weiß, gelb, arabisch, also
fast das gesamte Spektrum des Regenbogens – wurden mit Milliarden von Dollar
gefördert, fünf Milliarden für die Ukraine schon vor 2014, wie Victoria Nuland
offen prahlte. Dazu gehörte auch die Unterstützung des Putsches in Kiew 2014,
der offen bekennende Nazi-Elemente in der Tradition von Stepan Bandera an die
Macht brachte – Netzwerke, die von den Geheimdiensten der NATO in der
Nachkriegszeit in Organisationen wie dem „Antibolschewistischen Block der
Nationen“ für eine potentielle Konfrontation mit der Sowjetunion gepflegt worden
waren. Diese Geheimdienste wußten also genau, wer den Putsch auf dem Maidan
durchführte.
Als Reaktion auf die brutale Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung
in der Ukraine stimmte die Bevölkerung der Krim in einem Referendum dafür, sich
Rußland anzuschließen.
Natürlich mußten im Zuge dieses Prozesses die UN-Charta und das Völkerrecht
durch die „regelbasierte Ordnung“ ersetzt werden, und das geschah mit der großen
Unterstützung von Tony Blair, der 1999 in Chicago für die „humanitären
Interventionskriege“, für R2P (Schutzverantwortung), plädierte, die das Ende des
Westfälischen Friedens verkünden sollten. Die Umstände des 11. September 2001 –
vor denen Lyndon LaRouche neun Monate vorher als „bevorstehendem
Reichstagsbrand“ gewarnt hatte – beseitigten einen großen Teil der Bürgerrechte
in den USA und schufen die Grundlage für die „endlosen Kriege“, beginnend mit
Afghanistan, dem ersten Krieg, der auf Lügen basierte. Was folgte, waren die
Lügen von Colin Powell vor der UNO im Jahr 2003 über die
Massenvernichtungswaffen im Irak, gefolgt von den Kriegen in Libyen, Syrien und
direkt und indirekt vielen anderen militärischen Operationen. Millionen von
Toten und Verletzten, Millionen von Flüchtlingen waren die Folge. Diente dies
alles dem Interesse der USA oder des Westens im allgemeinen?
Ein gigantischer Rückschlag war die Folge. Putin, der in den ersten Jahren
seiner Präsidentschaft viele Bewunderer im Westen hatte, machte sich bei den
Architekten der unipolaren Welt immer unbeliebter, weil er sich der
regelbasierten Ordnung nicht unterwarf. Er begann, die Rolle Rußlands als
Weltakteur wieder zu behaupten, 2008 in Georgien, 2015 in Syrien, und jetzt in
jüngster Zeit mit der Forderung, die NATO-Osterweiterung nicht nur zu stoppen,
sondern auf den Stand von 1997 zurückzusetzen, und mit der Forderung nach
schriftlichen, rechtsverbindlichen Garantien der USA und der NATO, daß die
Ukraine niemals Mitglied wird, daß es keine offensiven Waffensysteme entlang der
russischen Grenze gibt und daß die NATO nicht weiter nach Osten vorrückt.
Wenn man die Geschichte der letzten 30 Jahre betrachtet, ist dies eigentlich
eine recht bescheidene Forderung, auch angesichts der Tatsache, daß die Ukraine
die Anforderungen der NATO-Vertragsartikel 5 und 10 nicht erfüllt, wie General
Kujat, der ehemalige Inspekteur der Bundeswehr, richtig argumentiert.
In der Zwischenzeit ist ein anderer Aspekt des Rückschlags gegen die
regelbasierte Ordnung in den Vordergrund gerückt. China, das seine eigenen Pläne
für eine eurasische Landbrücke hatte, reagierte sehr positiv auf die vom
Schiller-Institut vorgeschlagenen Programme für eine neue Seidenstraße, fühlte
sich aber nach der sogenannten Asienkrise 1997, in der die Währungen einiger
asiatischer Länder von Soros und Co. brutal verspekuliert wurden, wirtschaftlich
nicht stark genug, um diese Pläne zu verwirklichen. Chinas Reaktion auf diese
Erfahrung und die allgemeinen Ziele der Armutsbekämpfung weltweit war die
Ankündigung der Neuen Seidenstraße (BRI) durch Präsident Xi Jinping im Jahr 2013
in Kasachstan. Dieses größte Infrastrukturprojekt der Geschichte hat sich zu
einer riesigen Erfolgsgeschichte entwickelt, an der sich fast 150 Länder
beteiligen.
Doch vor allem dieser anhaltende wirtschaftliche Aufstieg Chinas als
Lokomotive der BRI veranlaßte die Befürworter des unipolaren Weltbildes und ihre
Finanziers in der Londoner City, an der Wall Street und im Silicon Valley dazu,
Rußland und China immer häufiger als „autokratisch“, „autoritär“ und schlimmer
zu bezeichnen. Und diese Angriffe hatten vorhersehbar den Effekt, der der
Alptraum von Leuten wie Zbigniew Brzezinski, Dick Cheney und dergleichen war:
Diese beiden Länder haben eine beispiellose Partnerschaft geschaffen.
Am 4. Februar, zu Beginn der Olympischen Spiele in Peking, unterzeichneten
Präsident Putin und Präsident Xi Jinping ein Dokument über eine umfassende
strategische Partnerschaft, die nach ihrer eigenen Beschreibung ein Modell für
die künftigen internationalen Beziehungen zwischen den Nationen darstellt, das
auf der gegenseitigen Verfolgung der Interessen des anderen im gesamten Spektrum
wirtschaftlicher, politischer, kultureller und militärischer Bereiche beruhen
wird.
Dieses Abkommen hat die Idee einer unipolaren Welt formell beendet, es ist
eine Tatsache der Geschichte, die bleiben wird, nicht zuletzt, weil es den
marginalen militärischen Vorteil Rußlands mit der Stärke der chinesischen
Wirtschaft verbindet und in der Praxis solche Drohungen, wie sie von zwei
ungenannten Beamten des Weißen Hauses geäußert wurden – daß die USA Rußland an
der Diversifizierung weg von Öl und Gas hindern und ihm den Zugang zu
fortgeschrittenen Technologien verwehren würden –, obsolet macht.
Die Geopolitik endgültig beenden
Es ist jetzt an der Zeit, daß alle klardenkenden und friedliebenden Menschen
im Westen die strategische und historische Situation ohne Vorurteile oder
ideologische Voreingenommenheit überprüfen. Wenn die Menschheit eine sichere und
glückliche Zukunft haben soll, müssen wir das geopolitische Denken in Begriffen
der Konfrontation aufgeben und es durch ein Konzept der Zusammenarbeit aller
Nationen für eine gemeinsame Zukunft der Menschheit ersetzen, denn das ist es,
was wir haben, im Guten wie im Schlechten.
Es ist an der Zeit, die NATO für obsolet zu erklären und sie durch eine
internationale Sicherheitsarchitektur zu ersetzen, die die Sicherheitsinteressen
aller Nationen auf dem Planeten gewährleistet. Anstatt die neue umfassende
Partnerschaft Rußlands und Chinas als ein feindliches Gebilde zu behandeln, das
mit einem neuen Wettrüsten bekämpft werden muß, sollten die Nationen Europas,
der USA und anderer Kontinente die Bereitschaft signalisieren, sich auf einen
neuen Westfälischen Frieden einzulassen, der auf dem Interesse des anderen und
dem Gemeinwohl aller beruht.
Den Kräften, die diesen Vertrag in den Jahren 1644-48 aushandelten, war klar,
daß die Fortsetzung des 30jährigen Krieges – der in Wirklichkeit den Höhepunkt
eines 150jährigen Religionskrieges in Europa darstellte –, in dem ein Drittel
der Menschen und des Vermögens vernichtet worden war, keinen Sieger haben
konnte. Wieviel mehr sollte heute allen Seiten klar sein, daß eine Fortsetzung
der Konfrontation einschließlich der drohenden thermonuklearen Auslöschung der
gesamten menschlichen Spezies niemanden als Gewinner dastehen lassen wird?
Ein solcher neuer Westfälischer Friede muß auf Grundsätzen beruhen, die mit
dem Naturrecht und der Gesetzmäßigkeit des physikalischen Universums im Einklang
stehen. Er muß die Schönheit der menschlichen Spezies widerspiegeln, die als
einzige bisher bekannte Spezies mit einer schöpferischen Vernunft ausgestattet
ist, die uns von allen Tieren und anderen Lebensformen unterscheidet.
Natürlich wird er sich wie der ursprüngliche Westfälische Friede mit allen
spezifischen Themen befassen müssen, wie z.B. einem Minsk-II-Abkommen, anderen
territorialen Streitigkeiten, aber auch mit den großen Herausforderungen unserer
Zeit, wie z.B. einem Weltgesundheitssystem zur Bekämpfung von Pandemien, der
Lösung der Welthungersnot von „biblischen Ausmaßen“, von der [der Direktor des
Welternährungsprogramms] David Beasley spricht, der weltweiten Armutsbekämpfung
und anderen Fragen des Gemeinwohls der gesamten Menschheit.
Die unmittelbare Aufgabe, die vor uns liegt, ist es, die Zusammenarbeit aller
Länder mit Projekten der Gürtel- und Straßen-Initiative zu organisieren, die in
dem von uns 2014 veröffentlichten Bericht „Die neue Seidenstraße wird zur
Weltlandbrücke“, einem vollständigen Plan für die Entwicklung und Integration
aller Kontinente des Planeten, bereits umfassend dargelegt sind!
Sie muß sich mit der unmittelbaren Gefahr eines systemischen Zusammenbruchs
des transatlantischen Finanzsystems befassen, für den die von Lyndon LaRouche
vor vielen Jahren entworfenen Vier Gesetze das Mittel der Wahl sind. Und sie muß
die Bereiche der unverzichtbaren internationalen Zusammenarbeit definieren, wie
die schnellstmögliche Verwirklichung der neuen Wirtschaftsplattform auf der
Grundlage der thermonuklearen Fusionsenergie, um Energie- und Rohstoffsicherheit
für alle Nationen zu erreichen. Und sie muß die friedliche Zusammenarbeit in der
Weltraumforschung, Weltraumfahrt und Weltraumkolonisation definieren. Wir sind
die schöpferische Spezies, und jetzt ist der Moment in unserer Geschichte, dies
zu beweisen!
Ein letzter Punkt: Wenn man den Erfolg des Westfälischen Friedens mit dem
völligen Scheitern des Versailler Vertrages vergleicht, der nicht die Interessen
aller beteiligten Parteien berücksichtigte, sondern nur das Vorspiel zum
nächsten Weltkrieg war, dann sollte es offensichtlich sein, daß das Prinzip der
Souveränität aller Nationen, die durch ein höheres Ziel der einen Menschheit
vereint sind, aufrecht erhalten werden muß.
Wir sollten uns also auf den Geist des Mauerfalls besinnen, der eine
Sternstunde der Menschheit hätte sein können, und auf das Potential des
Zwei-plus-Vier-Abkommens, das nicht nur de facto ein Friedensvertrag für
Deutschland war, der die Nachkriegszeit beendete, sondern auch theoretisch die
deutsche Souveränität begründete.
Aber wie jeder weiß, ist diese Souveränität aufgrund der oben beschriebenen
Entwicklungen nie in den Köpfen der Deutschen angekommen, wo im Gegensatz zu
Frankreich, wo die Souveränisten in der Mehrheit sind, das Wort Souveränist dem
Durchschnittsbürger nicht einmal bekannt ist. Auch das muß also erreicht
werden.
Verwandeln wir also diesen äußerst gefährlichen Moment in eine Chance, eine
neue Ära der Menschheit zu gestalten! Laßt uns eine echte Sternstunde der
Menschheit schaffen, die der unsterblichen Spezies, für die wir geschaffen
wurden, würdig ist!
Ich danke Ihnen.
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