Eine Hommage an Indien zum 75. Jahrestag der indischen Unabhängigkeit
Von Helga Zepp-LaRouche
Im Rahmen des „Manhattan-Dialogs“ am 20. August, der dem 75.
Jahrestag der Unabhängigkeit Indiens gewidmet war, hielt die Vorsitzende des
Schiller-Instituts den folgenden Vortrag. (Die Zwischenüberschriften wurden
von der Redaktion hinzugefügt.)
Guten Tag. Es ist wirklich eine Freude, des 75. Jahrestages der
Unabhängigkeit Indiens zu gedenken, der vor fünf Tagen, am 15. August 1947,
begangen wurde. Obwohl es in den westlichen Medien kaum erwähnt wurde, ist
dieses Ereignis von größter Bedeutung, weil es in einem der größten Länder der
Welt stattfand. Einem Land, das eine äußerst faszinierende und reiche Kultur
hat.
Es ist dringend notwendig, daß wir diese Geschichte lebendig machen und die
Menschen in der Welt über die Bedeutung dieses Ereignisses aufklären. Das ist
keine Frage der Vergangenheit, sondern die Ideen, die in den
Unabhängigkeitskampf und den Sieg über das Britische Empire eingeflossen sind,
vor allem unter der Führung von Mahatma Gandhi, sind von absoluter Aktualität
für die Lösung der Probleme der Welt von heute.
Mahatma Gandhis Idee, die weltweit im Allgemeinen mit dem Begriff der
Gewaltlosigkeit in Verbindung gebracht wird, ist in Wirklichkeit ein viel
umfassenderes Konzept als das, was die meisten Menschen kennen. Es geht nicht
nur darum, keine Gewalt anzuwenden, sondern auch um das Gegenteil von Gewalt:
Es ist die Philosophie der Liebe, es ist eine Philosophie, die Menschen
einzubeziehen, die Welt in Geist und Herz aufzunehmen und auf diese Weise eine
Harmonie zu schaffen, die Frieden schafft.
Die Renaissance der Blockfreien-Bewegung
Gandhis Gedanken waren der wichtigste Einfluß auf die Entstehung der
Bewegung der Blockfreien Staaten, und im Grunde genommen erleben wir heute –
und das ist interessanterweise auch den meisten Menschen im Westen nicht
bekannt – eine umfassende Renaissance der Blockfreien-Bewegung. Das geschah
nicht von selbst, sondern als direkte Reaktion auf den Versuch, eine unipolare
Welt durchzusetzen, was die „westlichen“ Länder seit dem Zusammenbruch der
Sowjetunion versuchen. Die ganze Situation ist jetzt sehr weit eskaliert, und
insbesondere als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine gibt es Bestrebungen,
darauf zu bestehen, daß die ganze Welt im Lager der sogenannten Demokratien
stehen müsse, die sich in einem tödlichen Kampf gegen die sogenannten
Autokratien befänden. Damit verbunden ist derzeit die Absicht, die Vereinigten
Staaten, Großbritannien, die EU, Japan, Südkorea, Australien – mehr ist das
Lager der „Demokratien“ nicht – vollständig von Rußland abzukoppeln und einen
Bruch herbeizuführen, was wegen der brutalen Sanktionen bereits fast
vollständig geschehen ist, aber gleichzeitig auch „die Abhängigkeit von China
zu verringern“, was ein andere Formulierung für einen wirtschaftlichen Bruch
ist. Und alle sollen irgendwie in eine globale NATO gezwungen werden.
Das hat sich als ein völliger Bumerang erwiesen, denn die
Entwicklungsländer haben von den „Demokratien“ nicht viel Gutes erfahren und
sie haben eine lebhafte Erinnerung daran, was der Kolonialismus ihnen angetan
hat und noch immer antut. Sie weigern sich, in eine geopolitische Blockbildung
hineingezogen zu werden, weil sie genau wissen, daß es sich nicht um einen
Konflikt zwischen „Demokratien“ und „Autokratien“ handelt, sondern zwischen
den Kräften, die das koloniale System erhalten wollen, und den Kräften, die
darauf bestehen, daß es eine Befreiung davon geben muß.
Was stattdessen kommen muß, ist das Recht auf Entwicklung für jede Nation
der Welt. Auf diese Weise ist die Bewegung der Blockfreien Staaten völlig neu
entstanden, und das mit großem Nachdruck.
Das Wesen des Britischen Empire
Wenn man sich Gandhis Konzept der Gewaltlosigkeit anschaut, ist das
tatsächlich eine der wichtigsten Ideen, um die nukleare Vernichtung der
menschlichen Gattung zu verhindern. Man muß darüber nachdenken, es ist nicht
selbstverständlich, und wenn jemand Fragen dazu hat, sollten wir darüber
diskutieren. Aber die Menschen im Westen müssen herausfinden – und sie wissen
fast nichts über die tiefe philosophische Weltsicht, die damit einhergeht –,
daß die Methode, mit der Gandhi das Britische Empire besiegen konnte, was ja
keine Kleinigkeit war – daß diese Methode extrem wichtig ist, um den Frieden
in der Welt heute zu erhalten.
Wenn man sich zurückerinnert, war Britisch-Indien, der britische Raj,
eigentlich eine Geschichte von zwei Jahrhunderten Verbrechen und Völkermord.
Die vollständige Zerstörung einer relativ blühenden Wirtschaft in die Armut.
Shashi Tharoor, ein indischer Parlamentarier, den ich bei der ersten Sitzung
des Raisina-Dialogs der indischen Regierung 2016 kennengelernt habe, wo er mit
mir auf dem Podium saß, wurde weltberühmt, als er die Briten in einer
15-minütigen Rede vor der Oxford Union, die sehr witzig und köstlich war,
herausforderte. Er präsentierte dem völlig verblüfften Publikum die Geschichte
von 200 Jahren britischem Kolonialismus – von Ausbeutung, Unterdrückung und
äußerster Brutalität gegenüber den Menschen. Er forderte Reparationen. Dabei
machte er ganz deutlich, daß es ihm nicht um die Summe ging, die Indien
erhalten sollte, sondern darum, daß die Briten ihre Schuld eingestehen
sollten, was offensichtlich nie geschehen ist. Keine der Kolonialmächte hat
sich jemals bei den Opfern, die unter ihrem Kolonialismus zu leiden hatten,
entschuldigt.
Tharoor hat ein Buch mit dem Titel Das unrühmliche Empire: Was die
Briten Indien angetan haben (The Inglorious Empire; What the British
Did to India) geschrieben… Tharoor schreibt in seinem Buch, daß die
indische Wirtschaft, als die Briten Indien in Besitz nahmen, 25% der
Weltwirtschaft ausmachte. Als die Briten wieder abzogen, waren es nur noch 3%,
während das Britische Empire zu einem Riesenreich angewachsen war, in dem
angeblich die Sonne nie unterging. Tharoor scherzte: „Der Grund, warum die
Sonne nie untergeht, ist, daß selbst Gott den Briten im Dunkeln nicht trauen
kann.“
Was er in diesem Buch beschreibt und was allgemein bekannt ist, ist, daß
die Briten ein brutales System horrender Steuererhebung einführten. Sie
betrieben die Zerstörung bestehender Industrien wie Textilien, Stahl,
Metallurgie und Schiffsbau. Gleichzeitig verhängten sie unbezahlbare Zölle auf
indische Waren, so daß Indien nicht nach Großbritannien exportieren konnte,
und ähnliche Regeln eines sog. „freien Handels“. Indien wurde immer ärmer. Die
Briten erließen auch ein Gesetz, das den Bau von Lokomotiven in Indien verbot.
Sie verschlimmerten absichtlich mehrere Hungersnöte, und während der
Hungersnot in Bengalen 1943 sagte Churchill offen, daß er die Inder hasse.
Allein bei der Hungersnot in Bengalen verhungerten vier Millionen Menschen,
insgesamt starben mehr als 35 Millionen Menschen in Hungersnöten.
Das unmittelbare Erleben der britischen Brutalität während der Unruhen in
Kolkata (Kalkutta) 1946 hat Lyndon LaRouche, der im Zweiten Weltkrieg als
Soldat in China-Indien-Burma war, sehr beeindruckt. Zu sehen, was die Briten
bei diesen Unruhen anrichteten, die Brutalität, mit der sie vorgingen, hat
seine Weltsicht und sein Verständnis völlig verändert. Es unterstrich für ihn
auch auf sehr direkte Weise den großen Unterschied zwischen dem Ziel, das
Franklin Roosevelt hatte – nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg den
Kolonialismus zu beenden und den Lebensstandard der Entwicklungsländer zu
heben, was leider nie umgesetzt wurde, weil er vorher starb – und Truman und
Churchill auf der anderen Seite. Laut Roosevelts Sohn sagte Churchill in einer
Diskussion mit Roosevelt das berühmte Zitat: „Ich habe nicht am Zweiten
Weltkrieg teilgenommen, um das Britische Empire zu begraben.“
Gandhis Leistung
Wenn man bedenkt, was für ein Ungeheuer das Britische Empire war, ist
Mahatma Gandhis Leistung enorm. Nachdem er in seinem Leben viel verändert
hatte – er begann als Anwalt in Großbritannien, dann ging er nach Südafrika –,
kam Gandhi mehr und mehr zu der Überzeugung, daß allein Gewaltlosigkeit – ich
glaube, das Hindi-Wort dafür ist ahinsa, Ablehnung von Gewalt – das
Gesetz unseres Lebens werden muß, wenn die Menschheit überleben soll.
Albert Einstein hatte genau den gleichen Gedanken. Er war davon überzeugt,
daß es auf der Welt erst dann keinen Krieg mehr geben wird, wenn es eine
grundlegend neue Art des Denkens gibt.
Gandhi glaubte auch an die Einheit Gottes, unabhängig von der Bezeichnung
der Religion. Für ihn spielte es keine Rolle, ob es sich um Christen, Farsi,
Hindus, Muslime oder sogar Unberührbare handelte. Ich denke, dieser Gedanke
Gandhis ist für das heutige Indien, in dem die Rassenspannungen wieder
zunehmen, äußerst wichtig. Er setzte sich auch für die Abschaffung des
Kastensystems ein, eine der Hinterlassenschaften des britischen Kolonialismus,
denn die Briten hatten aus einer vorhandenen Struktur in Indien eine ganz
brutale Trennung zwischen den sogenannten Kasten gemacht.
In diesem Sinne rief Gandhi mehrere Massenbewegungen ins Leben, die immer
auf der Idee der Gewaltlosigkeit beruhten: die Nicht-Kooperation 1922, der
Salzmarsch 1930 und der Kampf für die Unabhängigkeit, „Quit India“, 1942. Er
gab dieser emotionalen Kraft den Namen Satyagraha, was so viel bedeutet
wie Kraft der Liebe und Wahrheit.
Friedrich Schiller drückte in seinen Philosophischen Briefen genau
dieselbe Idee aus, indem er sagte, alles, was man liebt, macht uns reicher; es
wird Teil des eigenen Selbst, und was man haßt, das verliert man.
Martin Luther King, der nach Indien reiste, um Gandhis Methode der
Gewaltlosigkeit zu studieren, kam zu dem gleichen Schluß. Er schrieb: „Die
größte Schwäche der Gewalt ist, daß sie eine Abwärtsspirale ist, die genau das
hervorbringt, was sie zu zerstören sucht. Anstatt das Böse zu vermindern,
vervielfacht sie es. Mit Gewalt kann man zwar den Hassenden töten, aber man
tötet nicht den Haß. Vielmehr vergrößert Gewalt den Haß. Wer Gewalt mit Gewalt
vergilt, der vervielfacht die Gewalt und macht eine ohnehin schon sternlose
Nacht noch finsterer. Finsternis kann die Finsternis nicht vertreiben – das
kann nur das Licht, das kann nur die Liebe.“
LaRouche und Indien
Lyndon LaRouche und ich reisten 1982 zum ersten Mal nach Indien und trafen
uns mit Indira Gandhi. Wir haben uns sogar zweimal mit ihr getroffen. Nach
ihrer Ermordung setzten wir unsere Arbeit mit Rajiv Gandhi fort. Aber über
viele Jahre hinweg pflegten wir auch die Freundschaft mit mehreren Mitgliedern
ihres Kabinetts, wie K.R. Ganesh, Ganesh Shukla, auch dem
Wirtschaftswissenschaftler Arjun Kumar und Jayshree Sengupta. 2001 trafen wir
mit K.R. Narayanan, dem Präsidenten, aber auch mit Premierminister Vajpayee
von der BJP zusammen. Im Laufe der Jahre haben wir auch viele andere
getroffen.
Was wir mit Indira Gandhi besprachen, war ein 40-Jahres-Entwicklungsplan,
dessen Grundidee darin bestand, daß es etwa zwei Generationen dauern würde,
Indien in einen modernen Staat zu verwandeln.
Das beginnt mit dem Aufbau einer grundlegenden Infrastruktur in allen
Regionen Indiens – Anfang der 80er Jahre gab es in vielen Teilen Indiens nicht
einmal Straßen, nur unbefestigte Wege.
Zweitens braucht man eine allgemeine Schulbildung für alle Kinder. Sie
haben vorhin die schönen Bilder von Lyn und den Kindern gesehen, aber das
Problem ist, daß viele dieser Kinder nur sehr kurz zur Schule gehen konnten,
weil sie die meiste Zeit ihren Eltern auf dem Feld bei der Ernte helfen
mußten, so daß sie keine Bildung erhielten.
Dann braucht man natürlich Großprojekte. Anfang der 80er Jahre gab es in
den Städten 50 Millionen Menschen mit einer Bildung auf europäischem Niveau.
Aber im Vergleich zu den 750 Millionen Menschen auf dem Land, die nicht so
gebildet waren, gab es eine große Kluft.
Indira Gandhi gefiel das Programm, und sie begann sofort, es umzusetzen.
Sie war eine großartige Führungspersönlichkeit, und ich denke immer noch gerne
an die Gespräche mit ihr zurück, denn wenn man eine so herausragende
Persönlichkeit kennenlernt, verändert es das ganze Leben. Ich habe mich sehr
gefreut, mit ihr über Schillers Jungfrau von Orleans zu sprechen, die
sie während ihres Studiums in Paris sehr mochte. Sie nahm sich Jeanne d'Arc
als Vorbild, und ich muß zugeben, daß dieses Stück von Schiller auch mein
politisches Leben tief beeinflußt hat.
Wiege der Zivilisation
Wir sprachen mit ihr über die große Gupta-Zeit, in der großartige, schöne
Dramen geschrieben wurden, und über die Bedeutung von Panini, dem großen
Philologen, der um 700 v. Chr. lebte. Unser Interesse an Sanskrit und Panini
war sogar so groß, daß wir daraufhin Professor Dandekar, einen der führenden
Sanskrit-Philologen Indiens, in Puna aufsuchten. Panini bestand darauf, daß
alle Begriffe der Sprache – die Struktur des Ausdrucks – vom transitiven Verb
abgeleitet sind. Mit dieser Idee ist eine ganze Tradition von Wissenschaftlern
wie Cusa, Kepler, Leibniz, Gauß verbunden, die die elementaren Phänomene
anhand der Form des transitiven Verbs definierten. Dies steht im Gegensatz zu
denen, die das Substantiv betonen, das ist die Tradition der Empiristen und
Nominalisten wie Bacon, Descartes, Newton, die bekanntlich auch die Existenz
von Hypothesen ablehnten. Die erste Tradition vertritt die Idee, daß wir in
einem Universum leben, das sich negentropisch entwickelt, während die zweite
Gruppe von der Vorstellung ausgeht, daß das Universum entropisch ist, sich
gewissermaßen auflöst.
Wilhelm von Humboldt, ein sehr berühmter Philologe in Deutschland zu Beginn
des 19. Jahrhunderts und ein guter Freund von Friedrich Schiller, sprach
tatsächlich 40 Sprachen. Er kam zu dem Schluß, daß Sanskrit die reichhaltigste
Sprache ist und daß sich im Grunde alle indoeuropäischen Sprachen von ihr
ableiten.
Lyn war in diesem Zusammenhang sehr an der Erforschung der Wurzeln des
frühen wissenschaftlichen Denkens interessiert. Denn Sanskrit hat die
vedischen Hymnen zunächst nur mündlich, später aber auch schriftlich
überliefert.
Ein äußerst interessanter Hinweis darauf sind die Schriften von Bal
Gangadhar Tilak, der Bücher wie Der Orion und Die arktische Heimat
in den Veden schrieb. In diesen Büchern zeigte er, daß die frühesten
vedischen Hymnen, die sehr wichtige Kalenderinformationen enthielten, auf vor
4000 v. Chr. datiert werden müssen. Man konnte darauf schließen, weil die
Position der Tagundnachtgleiche mit einer bestimmten Konstellation des Orion
zusammenfiel. In Die arktische Heimat in den Veden, das 1903 verfaßt
wurde, beschrieb Tilak, wie die astronomischen Angaben in der vedischen
Literatur präzise Daten über das Alter der verschiedenen Perioden in den
vedischen Schriften liefern. Es zeigt auch, daß der Beginn der arischen
Zivilisation Tausende von Jahren vor der ältesten vedischen Periode liegen
muß, und daß diese Zivilisation sowohl eiszeitlich als auch
zwischeneiszeitlich gewesen sein muß. Das bedeutet, daß sie allen
mesopotamischen und ägyptischen Zivilisationen um mehrere Jahrtausende
vorausgeht.
Das ist nicht die offizielle Geschichtsschreibung der Briten – die Briten
versuchen immer, die Geschichte kürzer aussehen zu lassen, als sie ist, und
sie versuchen, die Beiträge anderer Zivilisationen zu unterdrücken. Aber in
die gleiche Richtung weist die Entdeckung einer versunkenen Stadt, die 2001 im
Golf von Khambhat (Cambay) gefunden wurde. Diese versunkene Stadt, die etwa 40
Meter unter dem Meer liegt, wird auf ein Alter von 9500 Jahren geschätzt. Sie
liegt etwa 30 km westlich von Gujarat, und Archäologen fanden unter dem Wasser
Menschenknochen, Steinwerkzeuge, Keramikstücke und Skulpturen. Mit der
Radiokarbonmethode konnten sie nachweisen, daß diese Artefakte 9500 Jahre alt
sind und daß die Stadt am Ende der letzten Eiszeit existierte. Sie liegt 36
Meter unter dem Meeresspiegel und war riesig. Sie hatte eine Fläche von 7,5 km
mal 3,5 km. Es war eine gigantische Stadt, und sie ist 5000 Jahre älter als
alle anderen bekannten Städte in Mesopotamien und an anderen Orten.
Im Rigveda, einem der frühesten Zeugnisse der menschlichen
Zivilisation, wird ein Fluß namens Sarasvati erwähnt. Dieser Fluß sei vom
Himalaja bis zum Arabischen Meer geflossen, durch das Gebiet, in dem jetzt
diese Stadt gefunden wurde. Lange Zeit waren die Spuren dieses Flusses nicht
mehr sichtbar, und die Menschen hielten ihn für eine Erfindung. Erst vor ein
paar Jahren war es möglich, mit der NASA Bilder aus dem Weltraum zu machen,
die tatsächlich belegen konnten, daß ein solches Flußbett genau dort
existierte, wo es in den Schriften stand. Es war nur aufgrund tektonischer
Bewegungen verschwunden, die diese Spuren beseitigt hatten. Aber der
Rigveda spricht von hochentwickelten Zivilisationen, darunter die
sogenannten Harappan-Städte in Indien, Pakistan und vielleicht sogar in
Afghanistan.
All das bedeutet, daß die Bedeutung dieser Region der Welt als eine der
Wiegen der Menschheit noch viel mehr erforscht werden muß und daß wir viel
mehr Teil der einen universellen menschlichen Kultur sind, als den Menschen
allgemein bewußt ist.
Die Bedrohung überwinden
Um also auf den Anfang zurückzukommen, auf die Frage, die ich nach der
Dringlichkeit von Gandhis Philosophie gestellt habe, möchte ich es noch einmal
sagen: Wir sind mit einer unglaublichen Situation konfrontiert, mit der Gefahr
eines Atomkriegs, der zur Auslöschung der Menschheit führen würde. Wir erleben
mit zunehmendem Tempo, wie das Finanzsystem durch Hyperinflation
zusammenbricht. Wir stehen vor einer weltweiten Hungersnot, und selbst Henry
Kissinger warnt im Alter von 99 Jahren vor einem bevorstehenden Dritten
Weltkrieg – obwohl man sagen muß, daß er selbst viel zur Situation der Welt,
wie sie heute ist, beigetragen hat.
Wir haben also im Moment zwei völlig unterschiedliche Situationen: auf der
einen Seite die westliche Welt, die versucht, ein dominanter Faktor zu
bleiben, und auf der anderen die Renaissance der Blockfreien-Bewegung, die
BRICS-Länder, die Gürtel- und Straßen-Initiative, die Shanghaier Organisation
für Zusammenarbeit und ein Großteil des globalen Südens, die tatsächlich
versuchen, eine neue Weltwirtschaftsordnung zu schaffen. Sie arbeiten auch
sehr aktiv an einem neuen Kreditsystem, wie dem Neuen Bretton Woods, das
Lyndon LaRouche vor vielen Jahren als die absolut notwendige Lösung definiert
hat.
Wir haben den Vorschlag gemacht, den Dritten Weltkrieg zu verhindern, indem
man eine globale internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur
schafft, was der gleichen Idee entspricht wie die von Xi Jinping
vorgeschlagene globale Sicherheitsinitiative und globale
Entwicklungsinitiative. Dabei ist das „Panchsheel“, das Nehru aus dem
Gedankengut von Mahatma Gandhi entwickelt hat, die Fünf Prinzipien der
friedlichen Koexistenz, ein absolut wichtiger und nicht verhandelbarer
Teil.
Auch wenn es manchmal sehr schwierig aussieht: Wie kann man eine
Kriegsmaschinerie stoppen? Ein Krieg in der Ukraine droht jetzt außer
Kontrolle zu geraten, die Spannungen um Taiwan nehmen zu. Ist Gandhis Methode,
die Gewaltlosigkeit, immer noch das Mittel, um Frieden zu schaffen?
Ich möchte meine Ausführungen mit der Antwort beenden, die Nehru 1960 auf
die Frage eines Journalisten namens Karangia gab. Nehru sagte: „Seine
[Gandhis] Gedanken, Methoden und Lösungen haben dazu beigetragen, die Kluft
zwischen der industriellen Revolution und dem Atomzeitalter zu überbrücken....
Schließlich ist die einzig mögliche Antwort auf die Atombombe die
Gewaltlosigkeit, nicht wahr?“
Dem kann ich nur zustimmen.
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