Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Diplomatie und Zusammenarbeit in Krisenzeiten

Von Dr. Clifford A. Kiracofe

Cliff Kiracofe war ehemaliger leitender Mitarbeiter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des US-Senats und ist Präsident des Washingtoner Instituts für Frieden und Entwicklung. In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 18. Juni 2022 hielt er den folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Englischen.)

Ich möchte dem Schiller-Institut dafür danken, daß es mich zu dieser dringend benötigten Konferenzreihe eingeladen hat. Meine heutigen Bemerkungen werden kurz sein. Meine Botschaft ist einfach: Um die heutige Weltkrise zu bewältigen, müssen wir konstruktive Diplomatie und internationale Zusammenarbeit fördern.

Die heutige internationale Situation birgt viele Gefahren, darunter das Risiko eines Atomkriegs und die Gefahr eines globalen Wirtschaftschaos.

Die Welt bewegt sich heute in Richtung Multipolarität, was einige Beobachter als Polyzentrismus oder Pluralismus bezeichnen. Trotz dieses Trends befinden sich die Vereinigten Staaten und der Westen in einem fehlgeleiteten Kreuzzug, um zum Blocksystem des Kalten Krieges und zum Nullsummen-Denken des Kalten Krieges zurückzukehren.

Das Blocksystem, das Washington und seine europäischen NATO-Vasallen anstreben, besteht aus sogenannten „Demokratien“ auf der einen Seite und sogenannten „autoritären“ Staaten auf der anderen Seite. Diese Formulierung der alten Blockpolitik des Kalten Krieges war der außenpolitische Konsens der US-Elite, auf den man sich 2005 geeinigt hatte, ist also nicht neu in Washington.

Dieses politische Blocksystem hat sein wirtschaftliches Gegenstück, so daß sich heute eine zweigeteilte globale Wirtschaftslage entwickelt. Diese gespaltene wirtschaftliche Situation wird durch die globale Wirtschaftskrise verschärft, die durch mehrere Faktoren verursacht wurde. Der Prozeß der Bildung von Wirtschaftsblöcken wird heute von einer sich auflösenden Weltwirtschaftslage begleitet.

Wie ist es dazu gekommen und was sind die Merkmale?

Zunächst machte sich 2018-2019 eine Abschwächung der europäischen Wirtschaft bemerkbar. Dann hatten der Handelskrieg von Trump und der Tech-Krieg von Trump, der heute unter Biden andauert, schwere negative Auswirkungen. Dann schlug die COVID-Krise zu und schwächte die Weltwirtschaft weiter.

Vor diesem Hintergrund führte das völlige Versagen der europäischen und US-amerikanischen Diplomatie bei der Vermeidung eines Krieges in der Ukraine zu der gegenwärtigen Situation in diesem Land. Der UN-Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 2202 von 2015 den Minsk-2-Prozeß gebilligt. Dieser kam jedoch aufgrund der Gleichgültigkeit des Westens und der Unnachgiebigkeit des Kiewer Regimes, das der Westen der Ukraine durch den Putsch auf dem Maidan im Jahr 2014 aufgezwungen hat, nie in Gang.

Die Ukraine-Krise stört die Weltwirtschaft weiter, und trotzdem werden die westlichen Wirtschaftssanktionen unaufhörlich verschärft. Milliarden von Dollar an US-amerikanischen und europäischen Steuergeldern werden in den ukrainischen Neonazi-Sumpf gesteckt.

Die neue Runde westlicher Sanktionen, wie auch alle anderen Sanktionen gegen Rußland, ganz zu schweigen von denen gegen China, haben einen Rückkopplungseffekt auf die westlichen Volkswirtschaften und die Weltwirtschaft und sind daher kontraproduktiv. Diese Sanktionen ziehen die Weltwirtschaft nach unten und destabilisieren sie.

Derzeit erleben wir eine galoppierende Inflation in Verbindung mit einer globalen Unterbrechung der Versorgungsketten, der Energie und der Nahrungsmittel. Der Zusammenbruch der Finanzmärkte steht unmittelbar bevor, wenn diese „Südseeblase“ von heute endlich platzt. Wir schlafwandeln nicht auf den Abgrund zu, sondern marschieren geradewegs darauf zu, in einem geistigen Zustand der Verleugnung, den man vielleicht besser als Psychose bezeichnen sollte.

Die finanziellen Aspekte der gegenwärtigen Krise

Was ist mit den globalen finanziellen Aspekten der gegenwärtigen Krise?

Wir alle wissen, daß die Zentralbanken, insbesondere die amerikanische Fed und die europäische EZB, mit endlosem Gelddrucken und untauglichen Zinssätzen eine grob unverantwortliche Geldpolitik betrieben haben. Das Helikoptergeld in Verbindung mit den untauglichen Zinssätzen, die in vielen Fällen bizarrerweise in den negativen Bereich fallen, führt zu einer beispiellosen Inflation und zu wilden Spekulationen auf den Finanzmärkten.

Einige Beobachter weisen auf die Zweiteilung des globalen Währungssystems hin. Bekanntlich stützt sich das internationale Währungssystem derzeit auf den US-Dollar als wichtigste Reservewährung. Diese Situation besteht seit den Vereinbarungen von Bretton Woods im Jahr 1944.

Aber 1944 ist lange her, und die globale Finanzarchitektur ist heute gefährlich instabil geworden. Natürlich ist finanzielle Stabilität ein Schlüssel zu einer gut funktionierenden internationalen Wirtschaft. Die Alternative ist Instabilität, die zu Chaos führt. Einige Experten glauben, daß wir heute vor einer solchen Situation stehen.

Es ist nicht unvernünftig, wenn Staaten, die über das rücksichtslose und gefährliche internationale Wirtschaftsverhalten des Westens besorgt sind, überlegen, wie sie sich schützen können. In den letzten Jahren hat dies die Form einer Vorbereitung auf das angenommen, was man „Entdollarisierung“ nennt. Das heißt, man bereitet sich auf eine Zeit vor, in der der US-Dollar nicht mehr die einzige anerkannte Reservewährung in einem Währungsstandard von US-Schatzanweisungen ist.

Was ist zu tun?

Eine Zweiteilung der internationalen Währungssysteme mit zwei konkurrierenden Blöcken, die sich gegenüberstehen, ist langfristig keine optimale Lösung. Zweifellos wird dieser Prozeß, der sich heute vollzieht, noch eine Zeitlang anhalten.

Aber ich halte es für klug, daß wir jetzt kreativ über einen Ausweg nachdenken. Wir befinden uns heute in einer komplexen Weltkrise, aber diese Phase des internationalen Lebens wird vorübergehen. In den dunklen Tagen dieser komplexen Krise müssen wir jetzt über den Weg nach vorne und die Schaffung einer tragfähigen Situation nach der Krise nachdenken.

US-Präsident Franklin Roosevelt erkannte, daß die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch Vorausplanung und Handeln gestaltet werden mußte. Da er ein dysfunktionales globales Wirtschaftssystem als Folge des Krieges voraussah, bemühte er sich, dies zu verhindern und die Voraussetzungen für finanzielle Stabilität und eine kooperative Diplomatie in der Nachkriegszeit zu schaffen. Glücklicherweise war die internationale Gemeinschaft in der Lage, sich zu sammeln und bei den Vereinbarungen von Bretton Woods zusammenzuarbeiten.

Roosevelts Vision für die Nachkriegsdiplomatie und die internationale Zusammenarbeit hatte zwei Hauptmerkmale. Erstens wurde mit der Wiederbelebung des Geistes des Internationalismus die Organisation der Vereinten Nationen geschaffen. Zweitens hoffte Roosevelt auf eine praktische Zusammenarbeit der Großmächte wie den USA, Rußland und China in der Nachkriegszeit.

Heute brauchen wir ein neues Bretton Woods und eine konstruktive Diplomatie zwischen den Großmächten. Es stimmt zwar, daß der Prozeß der Zweiteilung im Gange ist, aber dennoch müssen wir nach vorne blicken, um ein erneuertes internationales System zu schaffen, das inklusiv und nicht exklusiv ist. Das bedeutet, daß die Grundlage für die internationale Zusammenarbeit der gegenseitige Vorteil für alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft ist.

Das Nullsummen-Denken des Kalten Krieges muß zurückgewiesen werden. Es gibt nur eine Welt, in der wir auf diesem Planeten Erde leben. Daher ist kooperatives, umfassendes und systematisches Denken für uns alle notwendig, um die Weltangelegenheiten mit einer guten Global Governance zu regeln und so internationalen Frieden und Entwicklung zu fördern.

Abschließend möchte ich sagen, daß wir zum Geist des Internationalismus zurückkehren müssen, der sich im 19. Jahrhundert angesichts des zunehmenden Militarismus entwickelte. Der Internationalismus förderte die kooperativen Projekte des Völkerbundes und der Vereinten Nationen im 20. Jahrhundert nach den Verwüstungen des Krieges, die durch einen sich immer weiter ausbreitenden Militarismus verursacht wurden. Kehren wir also angesichts des ungezügelten Militarismus von heute zum Geist des Internationalismus zurück und planen wir eine Zukunft, auf die wir uns alle freuen können.