Die kulturellen Beziehungen zwischen USA und China sind entscheidend,
um einen Krieg zu verhindern
Von Dr. George Koo
Dr. George Koo war langjähriger Unternehmensberater für den
amerikanisch-chinesischen Handel und ist Vorsitzender der Burlingame
Foundation. Im Schlußabschnitt der Konferenz des Schiller-Instituts am 19.
Juni 2022 sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem Englischen.)
Ich danke Ihnen für die Einladung zur Teilnahme an dieser internationalen
Konferenz. Es ist mir eine Ehre und eine Freude, zum Thema der Rivalität
zwischen den Vereinigten Staaten und China zu sprechen.
Es handelt sich um eine besonders verwirrende Rivalität voller
Widersprüche. Die USA sind der Hegemon der Welt und verkünden offen ihren
Wunsch, diese Position als einzige Supermacht der Welt auch weiterhin zu
halten.
China hat die USA immer als einzige Supermacht anerkannt und hat nicht den
Wunsch geäußert, mit den Amerikanern zu konkurrieren oder sie von ihrem Platz
an der Spitze des Berges zu verdrängen. Bei jeder Gelegenheit äußert das
Biden-Team jedoch Anschuldigungen, daß China die Rolle des Welthegemons übernehmen wolle.
Ich sage „bei jeder Gelegenheit“, weil der Sprecher, egal ob vom Außen-
oder Verteidigungsministerium, der Berater des Präsidenten oder sogar Biden
selbst, immer damit beginnt, daß er sagt, die USA wollten nur mit China
konkurrieren und kooperieren, um dann auf der anderen Seite China zu Amerikas
übelgesinntem Feind zu erklären.
Die amerikanischen Anschuldigungen gegen China umfassen ein breites
Spektrum an „inakzeptablem“ Verhalten. Zum Beispiel, daß China die Frechheit
besitze, sich über die Patrouillen der US-Marine im Südchinesischen Meer zu
beschweren. Zum Beispiel die Ausarbeitung eines nationalen Entwicklungsplans,
der die USA in bestimmten Technologiebereichen zu überholen droht. Die Nutzung
der Halbleitertechnologie zur Herstellung von Geräten, die der amerikanische
Verbraucher kaufen möchte. Die Entwicklung von automatisierten Fabriken, um
kostengünstige Geräte für die amerikanischen Haushalte zu produzieren.
Wenn diese Anschuldigungen nicht schon feindselig genug sind, hat das Weiße
Haus unter Biden noch weitere erfunden. Zum Beispiel die Behauptung, daß es in
Xinjiang zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei, die die
UN-Hochkommissarin nicht bestätigen konnte, geschweige denn Anzeichen für
einen Völkermord. Zum Beispiel die Behauptung, junge Uiguren würden gezwungen,
auf Baumwollfeldern mit mechanischen Erntemaschinen von John Deere zu
schuften.
Als Reaktion darauf begnügt sich China mit der Veröffentlichung seines
Jahresberichts über Menschenrechtsverletzungen in den USA, in dem einige der
„Unzulänglichkeiten“ des amerikanischen Demokratiemodells aufgeführt werden.
So sind in den USA beispielsweise Todesfälle durch Schußwaffen an der
Tagesordnung und mehr als einmal pro Woche werden Massentötungen durch
Amokläufe gemeldet. Aber die dringlichste nationale politische Frage, die in
Amerika so viel Sauerstoff verbraucht, ist die Frage, ob eine Frau das Recht
hat, zu entscheiden, was gut für ihren eigenen Körper ist.
Nationale politische Persönlichkeiten, die eindeutig gegen die
US-Verfassung verstoßen und viele Gesetze gebrochen haben, wie Rudy Giuliani,
Mark Meadows, Peter Navarro und Donald Trump, haben noch keinen einzigen Tag
im Gefängnis verbracht. Die Autobahnen sind immer noch voller Schlaglöcher.
Die Angst der farbigen Bevölkerung vor der Strafverfolgung hat nicht
abgenommen. Wahlen sind bei weitem nicht kostenlos. Statt dessen steigen die
Kosten für politische Wahlkämpfe mit jeder Saison geometrisch an.
Meine bescheidene persönliche Beobachtung als ehemals stolzer Amerikaner,
der sich nun große Sorgen um die Zukunft seiner Enkelkinder macht, lautet also
wie folgt: Das Land ist zu einem Land verkommen, in dem es nur noch um Geld
und persönliche Macht geht. Niemand in einer nationalen Führungsposition
kümmert sich darum, was gut für das Land ist und welche harten Entscheidungen
getroffen werden müssen.
China unterscheidet sich historisch, kulturell und philosophisch sehr von
den USA. China geht nicht um die Welt und sagt anderen Nationen: „Ich gewinne,
ihr verliert, wenn ihr euch nicht meinem Bündnis anschließt.“ China fordert
niemanden auf, sich für eine Seite zu entscheiden. Es geht einfach auf jedes
Land zu, um nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen und Projekte zu
finden, von denen alle profitieren. Das ist die ganze Logik hinter der Gürtel-
und Straßeninitiative.
China versucht, Freundschaften zu schließen. China bittet weder Länder,
sich mit ihm zu verbünden, noch fordert es seine Freunde auf, gegen ihre
eigenen nationalen Interessen zu handeln. China würde zum Beispiel Deutschland
oder Italien nicht auffordern, kein Öl und Erdgas mehr aus Rußland zu beziehen
oder den Handel mit ihrem wichtigsten Handelspartner einzustellen.
Mit anderen Worten: Chinas Herangehensweise an internationale Beziehungen
macht es jedem Land leicht, freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen – im
Gegensatz zur amerikanischen Herangehensweise, die nach dem Motto „my way or
the highway“ („Entweder du tust, was ich sage, oder du fliegst!“)
funktioniert. Mit den USA auszukommen ist in etwa so, als würde man mit einem
Tiger schlafen, denn man weiß nie, wann sich der „Freund“ gegen einen wendet
und beschließt, daß die bisherige Loyalität zu den USA nun plötzlich
entbehrlich ist.
Minister Blinken reist um die Welt, um Verbündete zu rekrutieren, und tut
so, als sei alles beim Alten, und nichts hat sich geändert. In der Tat hat
sich viel verändert. Was einst eine unipolare Welt war, die sich um Amerika
dreht, entwickelt sich zu einer multipolaren Welt. Das Gipfeltreffen der
Amerikas, das Anfang dieses Monats in Los Angeles unter der Leitung von
Präsident Biden stattfand, ist nur der jüngste Beweis dafür. Viele
lateinamerikanische Länder, darunter Mexiko, fanden Gründe, nicht
teilzunehmen. Es gibt nichts Besseres, als eine Party zu veranstalten, die
früher ein Pflichttermin war und die die Länder nun ausfallen lassen
wollen.
Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte ich die entscheidende Frage der
Stunde aufwerfen, nämlich: Wo steht Taiwan zwischen den beiden
Großmächten?
In den Mainstream-Medien und in der Regierung Biden wird oft behauptet, daß
Taiwan für das chinesische Festland das sei, was die Ukraine für Rußland ist.
Das heißt, Taiwan könnte überzeugt werden, die nächste Front eines
militärischen Konflikts auszulösen, indem es China provoziert. Dieselben
Experten und Beamten verkündeten, daß es gelungen sei, die Ukrainer davon zu
überzeugen, die russischen Streitkräfte bis auf den letzten Ukrainer zu
bekämpfen.
Auch wenn das Endergebnis dieses Stellvertreterkriegs noch nicht feststeht,
so sind doch einige der Folgen des Konflikts bereits deutlich zu erkennen und
schaden dem Ansehen und dem Ruf der USA. Die EU hat die Hauptlast der
Flüchtlingsströme aus der Ukraine zu tragen und stellt, da sie erheblich
höhere Energiepreise zahlt und mit Engpässen bei Grundnahrungsmitteln
konfrontiert ist, die Weisheit in Frage, den von den USA verhängten Sanktionen
und Diktaten zu folgen, die zu einer galoppierenden Inflation für ihre
Bevölkerung führen. Die amerikanische Inflation wird übrigens durch dieselben
Faktoren verursacht, aber bisher ist es der US-Regierung gelungen, Ursache und
Wirkung gegenüber der amerikanischen Bevölkerung zu verschleiern.
Um einen Krieg mit China zu provozieren, müßte die Regierung in Taipeh die
Unabhängigkeit erklären. Washington hat die regierende DPP ermutigt, sich
dieser roten Linie anzunähern, und den Parteiführern Glauben gemacht, daß die
USA bereit seien, mit Taiwan in den Krieg zu ziehen. Die große Mehrheit der
Menschen in Taiwan hält die amerikanischen Zusicherungen jedoch nicht für
glaubwürdig, glaubt nicht, daß Taiwan einen Stellvertreterkrieg gegen China
gewinnen kann, und kann Tod und Zerstörung nicht rechtfertigen, nur um
Washington glücklich zu machen. Für die Menschen in Taiwan ist es auch
unvorstellbar, daß China tatsächlich die eigene Bevölkerung auf Taiwan
angreifen würde.
Die derzeitige Führung in Washington scheint auf eine Konfrontation mit
China fixiert zu sein. Ihr Nullsummenspiel läßt keinen Raum für Kompromisse
oder Zusammenarbeit. Ich mache mir große Sorgen, aber ich kann nicht
vorhersagen, wann und ob die USA sich zurückziehen werden. Hoffentlich werden
solche Konferenzen des Schiller-Instituts und anderer dazu beitragen, die
amerikanische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß unsere Regierung den
Kurs ändern muß, der in die Katastrophe führt.
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