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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Rolle des Handwerks für die Völkerverständigung

Von Karl Krökel

Karl Krökel ist Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Dessau-Roßlau (Anhalt) und Organisator der „Handwerker für Frieden“.

Hallo und viele Grüße aus Deutschland.

Heute gehe ich nicht auf die aktuellen Fragen ein wie die Gefahr eines Nuklearkrieges, daß in den kommenden Monaten Millionen Menschen in Deutschland verarmen und hunderttausenden Betrieben der Bankrott droht, das bankrotte neoliberale System, die Deindustrialisierung Deutschlands oder die Autorenschaft des Nord-Stream-Sabotageaktes.

Ich werde als Kreishandwerksmeister immer wieder gefragt, warum ausgerechnet wir Handwerker uns in solchen Fragen wie Friedenspolitik, gegen Sanktionen, gegen Waffenlieferungen widmen. Oder, daß wir als Handwerker den Weg unterstützen, uns in aktive Bürger der Welt - in eine Bewegung von Weltbürgern - entwickeln zu müssen. Und vor allem, daß wir fordern, daß kollektives Handeln zu einer Kraft werden muß, die die bestehende Sicherheitsarchitektur neu ausrichtet.

Die Antwort darauf leitet sich aus der langen Geschichte und Tradition des Handwerks ab. Das Handwerk denkt in Generationen und erwartet das auch von der Politik. Es schafft Werte und Wachstum, es gibt ökologische und soziale Impulse, und es sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Für das Handwerk, aber auch für die Gesellschaft insgesamt ist Frieden die wichtigste Rahmenbedingung.

Auch leistete das Handwerk über all diese Generationen einen wesentlichen Beitrag zur Völkerverständigung. Das geht Jahrhunderte zurück. Zum Beispiel war die Pflicht zur Wanderschaft Voraussetzung für eine Zulassung zur Meisterprüfung und Teil des vorgeschriebenen Ausbildungsweges. Es sollten neue Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennengelernt werden, meist über sechs Jahre. Einen nicht geringen Einfluß auf die gewählten Ziele hatten dabei Sprachgrenzen, die Religion und bereits bestehende Migrationsnetzwerke. Die europäischen Auswirkungen auf den Wissenstransfer waren enorm.

Zur Erinnerung: Von Peter dem Großen bis zum Ende der Kanzlerschaft Bismarcks gab es eine deutsch-russische Allianz. Damals sind Hunderttausende Deutsche nach Rußland ausgewandert, haben dort Handelsbeziehungen geknüpft. Dreimal waren Deutsche in Rußland Kanzler, und fast in jeder russischen Regierung waren Deutsche als Minister vertreten. Es waren Deutsche, die die Akademie der Wissenschaft in Rußland aufgebaut haben und neue Technologien und Handwerkstechniken nach Rußland einführten. Es waren Deutsche, die die neu gegründete russische Hauptstadt Sankt Petersburg mit aufgebaut haben.

Das sind die Sphären in denen wir als Handwerker denken und handeln: Wissen, Wollen, Können, Ehrlichkeit, Verläßlichkeit, liebe zum Beruf und Stolz auf das Geschaffene, Menschlichkeit, Gleichberechtigung - nicht Lügen, Gier, Krieg, Finanzblasen, Unterdrückung und verlorengegangene Diskussionskultur.

Die Hinwendung Europas nach Osten stellt also die historische Norm dar, nicht die 70-jährige Präsenz der USA, deren Informationskrieg gegen Rußland vor allem den Zweck hat, die Europäer ihre Geschichte vergessen zu lassen.

Wir Handwerker vergessen aber unsere Geschichte nicht - wir wissen, wo wir herkommen, und wollen nicht, daß das Werk von Generationen einfach verschleudert wird. Und wir uns Hals über Kopf in amerikanische Hände werfen. Wir sollten den Krieg in der Ukraine zum Anlaß nehmen, alles zu überdenken, was in den letzten Jahrzehnten in der gesamten Welt schiefgelaufen ist.

Gerade als ehemalige Bürger der DDR haben wir nach 1989 die vielen Möglichkeiten einer kooperativen, partnerschaftlichen Ordnung gesehen. Es wäre zu diesem Zeitpunkt vielleicht sogar möglich gewesen, zu einer gemeinsamen Neukonzeption eines Zivilisations- und Wirtschaftsmodells zu gelangen und auf Rußland zuzugehen. Denn Deutschland verdankt seine Wiedervereinigung in erster Linie der Sowjetunion. Von allen vier Siegermächten war es vor allem die Sowjetunion, die 1989 die Möglichkeit einer deutschen Wiedervereinigung immer wieder ins Gespräch brachte. Frankreich und Großbritannien lehnten diese Ansinnen rundheraus ab. Auch für die Amerikaner kam die Wiedervereinigung nur unter der Bedingung in Frage, daß das vereinigte Deutschland Teil der NATO werden würde.

Die Russen kamen den Amerikanern entgegen, verzichteten auf ihr Ziel eines neutralen Deutschlands und ermöglichten so die Wiedervereinigung. Was die USA daraus gemacht haben, sehen wir als Handwerker mit Beschämung.

Nichts wäre dringlicher, als eine Zäsur vorzubereiten, die Europa wieder zu seinen Zielen von 1989 zurückbringt und alle europäischen Länder aus der NATO austreten.

Der eurasische Kontinent ist das Herz der Welt. Dort sind zwei Drittel der Bodenschätze und zwei Drittel der Weltbevölkerung beheimatet sind. Das wiederzufinden und aufzubauen ist jetzt unsere Aufgabe - was die USA verhindern wollen.

Deswegen rufe ich die Handwerker aller fünf Kontinente auf, sich der Bewegung „Handwerker für den Frieden“ anzuschließen, als großer Teil der „Bewegung von Weltbürgern“ zu werden, weil das die einzige Möglichkeit ist, das Chaos zu stoppen.

Mit handwerklichem Gruß,

Euer Karl Krökel