Die Rolle des Handwerks für die Völkerverständigung
Von Karl Krökel
Karl Krökel ist Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft
Dessau-Roßlau (Anhalt) und Organisator der „Handwerker für Frieden“.
Hallo und viele Grüße aus Deutschland.
Heute gehe ich nicht auf die aktuellen Fragen ein wie die Gefahr eines
Nuklearkrieges, daß in den kommenden Monaten Millionen Menschen in Deutschland
verarmen und hunderttausenden Betrieben der Bankrott droht, das bankrotte
neoliberale System, die Deindustrialisierung Deutschlands oder die
Autorenschaft des Nord-Stream-Sabotageaktes.
Ich werde als Kreishandwerksmeister immer wieder gefragt, warum
ausgerechnet wir Handwerker uns in solchen Fragen wie Friedenspolitik, gegen
Sanktionen, gegen Waffenlieferungen widmen. Oder, daß wir als Handwerker den
Weg unterstützen, uns in aktive Bürger der Welt - in eine Bewegung von
Weltbürgern - entwickeln zu müssen. Und vor allem, daß wir fordern, daß
kollektives Handeln zu einer Kraft werden muß, die die bestehende
Sicherheitsarchitektur neu ausrichtet.
Die Antwort darauf leitet sich aus der langen Geschichte und Tradition des
Handwerks ab. Das Handwerk denkt in Generationen und erwartet das auch von der
Politik. Es schafft Werte und Wachstum, es gibt ökologische und soziale
Impulse, und es sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Für das Handwerk, aber
auch für die Gesellschaft insgesamt ist Frieden die wichtigste
Rahmenbedingung.
Auch leistete das Handwerk über all diese Generationen einen wesentlichen
Beitrag zur Völkerverständigung. Das geht Jahrhunderte zurück. Zum Beispiel
war die Pflicht zur Wanderschaft Voraussetzung für eine Zulassung zur
Meisterprüfung und Teil des vorgeschriebenen Ausbildungsweges. Es sollten neue
Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennengelernt werden, meist
über sechs Jahre. Einen nicht geringen Einfluß auf die gewählten Ziele hatten
dabei Sprachgrenzen, die Religion und bereits bestehende Migrationsnetzwerke.
Die europäischen Auswirkungen auf den Wissenstransfer waren enorm.
Zur Erinnerung: Von Peter dem Großen bis zum Ende der Kanzlerschaft
Bismarcks gab es eine deutsch-russische Allianz. Damals sind Hunderttausende
Deutsche nach Rußland ausgewandert, haben dort Handelsbeziehungen geknüpft.
Dreimal waren Deutsche in Rußland Kanzler, und fast in jeder russischen
Regierung waren Deutsche als Minister vertreten. Es waren Deutsche, die die
Akademie der Wissenschaft in Rußland aufgebaut haben und neue Technologien und
Handwerkstechniken nach Rußland einführten. Es waren Deutsche, die die neu
gegründete russische Hauptstadt Sankt Petersburg mit aufgebaut haben.
Das sind die Sphären in denen wir als Handwerker denken und handeln:
Wissen, Wollen, Können, Ehrlichkeit, Verläßlichkeit, liebe zum Beruf und Stolz
auf das Geschaffene, Menschlichkeit, Gleichberechtigung - nicht Lügen, Gier,
Krieg, Finanzblasen, Unterdrückung und verlorengegangene
Diskussionskultur.
Die Hinwendung Europas nach Osten stellt also die historische Norm dar,
nicht die 70-jährige Präsenz der USA, deren Informationskrieg gegen Rußland
vor allem den Zweck hat, die Europäer ihre Geschichte vergessen zu lassen.
Wir Handwerker vergessen aber unsere Geschichte nicht - wir wissen, wo wir
herkommen, und wollen nicht, daß das Werk von Generationen einfach
verschleudert wird. Und wir uns Hals über Kopf in amerikanische Hände werfen.
Wir sollten den Krieg in der Ukraine zum Anlaß nehmen, alles zu überdenken,
was in den letzten Jahrzehnten in der gesamten Welt schiefgelaufen ist.
Gerade als ehemalige Bürger der DDR haben wir nach 1989 die vielen
Möglichkeiten einer kooperativen, partnerschaftlichen Ordnung gesehen. Es wäre
zu diesem Zeitpunkt vielleicht sogar möglich gewesen, zu einer gemeinsamen
Neukonzeption eines Zivilisations- und Wirtschaftsmodells zu gelangen und auf
Rußland zuzugehen. Denn Deutschland verdankt seine Wiedervereinigung in erster
Linie der Sowjetunion. Von allen vier Siegermächten war es vor allem die
Sowjetunion, die 1989 die Möglichkeit einer deutschen Wiedervereinigung immer
wieder ins Gespräch brachte. Frankreich und Großbritannien lehnten diese
Ansinnen rundheraus ab. Auch für die Amerikaner kam die Wiedervereinigung nur
unter der Bedingung in Frage, daß das vereinigte Deutschland Teil der NATO
werden würde.
Die Russen kamen den Amerikanern entgegen, verzichteten auf ihr Ziel eines
neutralen Deutschlands und ermöglichten so die Wiedervereinigung. Was die USA
daraus gemacht haben, sehen wir als Handwerker mit Beschämung.
Nichts wäre dringlicher, als eine Zäsur vorzubereiten, die Europa wieder zu
seinen Zielen von 1989 zurückbringt und alle europäischen Länder aus der NATO
austreten.
Der eurasische Kontinent ist das Herz der Welt. Dort sind zwei Drittel der
Bodenschätze und zwei Drittel der Weltbevölkerung beheimatet sind. Das
wiederzufinden und aufzubauen ist jetzt unsere Aufgabe - was die USA
verhindern wollen.
Deswegen rufe ich die Handwerker aller fünf Kontinente auf, sich der
Bewegung „Handwerker für den Frieden“ anzuschließen, als großer Teil der
„Bewegung von Weltbürgern“ zu werden, weil das die einzige Möglichkeit ist,
das Chaos zu stoppen.
Mit handwerklichem Gruß,
Euer Karl Krökel
|