Eurasien rückt zusammen für eine neue
Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur
Von Alexander Hartmann
Die Veröffentlichung des Grundsatzpapiers des Schiller-Instituts „Der LaRouche-Plan für eine neue
internationale Wirtschaftsarchitektur“ in dieser Woche fällt in eine Zeit,
in der die schreckliche Gefahr eines Atomkriegs droht – aber auch in eine
vielversprechende Zeit, denn es ist ein weltweiter Prozeß der Neuordnung im
Gange, in dem die Nationen Entwicklung fordern.
Schon lange vor dem Krieg in der Ukraine hat das unverhohlene Bestreben der
NATO-Großmächte, Rußland und letztlich auch China durch Finanzkrieg,
extraterritoriale Sanktionen und Subversion in die Knie zu zwingen, Länder in
Asien und Eurasien dazu getrieben, neue Partnerschaften und neue Handels- und
Währungsvereinbarungen zu suchen und zu konsolidieren. Die westlichen
Regierungen waren Ende März, beflügelt durch Präsident Bidens Last-Minute-Besuch
in Europa, mit dringlichen Diskussionen über die weltweite Durchsetzung ihrer
„regelbasierten Ordnung“ beschäftigt, aber viele großen Nationen der Welt lehnen
die „Herrschaft durch Sanktionen und Regimewechsel“ des US-GB-NATO-Blocks ab,
wenn auch bisher nur informell.
Dies zeigt sich in den beiden Abstimmungen der UN-Vollversammlung vom 2. und
24. März, als in den Resolutionen eine Verurteilung Rußlands gefordert wurde,
aber 35 bzw. 38 Länder sich der Stimme enthielten, darunter Regierungen aus
allen Kontinenten, die statt Verurteilungen humanitäre Maßnahmen forderten.
China, Indien, Südafrika, Äthiopien, Iran, Pakistan, Bolivien und andere gehören
zu dieser Gruppe. Viele ihrer Botschafter wiesen in ihren Reden darauf hin, daß
wirtschaftliche Entwicklung und gegenseitiger Respekt jetzt im Vordergrund
stehen müssen, und nicht Zwang.
Es zeigt sich auch darin, daß nur etwa 40 Länder Strafsanktionen oder
Handelsbeschränkungen gegen Rußland beschlossen haben – alle anderen, darunter
viele der bevölkerungsreichsten Länder der Welt mit produktiven
Wirtschaftssektoren, widerstehen dem Druck des Westens. Ihr unabhängiger Geist
erinnert an die Zeit vor der weltweiten Erklärung der Hoffnung auf der Konferenz
der Blockfreien 1955 in Bandung.
Intensive Diplomatie
Insbesondere in Asien laufen intensive diplomatische Aktivitäten, um die
wirtschaftliche Kooperation der Länder zu vertiefen – hier eine Auswahl:
- Am 22. und 23. März war Chinas Außenminister Wang Yi Ehrengast des
Außenministertreffens der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) in
Islamabad, wo er zum Aufbau einer Sicherheits- und Entwicklungspartnerschaft
zwischen China und den islamischen Ländern aufrief, die die Grundsätze der
territorialen Integrität und Souveränität wahrt. China hat im Rahmen der Gürtel-
und Straßen-Initiative (BRI) bereits Abkommen mit 54 islamischen Ländern über
600 Projekte geschlossen.
- Von dort aus stattete Chinas Chefdiplomat Kabul einen
Überraschungsbesuch ab, um mit führenden Vertretern der Taliban-Regierung die
BRI zu erörtern, insbesondere die Aussicht auf eine Anbindung Afghanistans an
den China-Pakistan-Wirtschaftskorridor (CPEC).
- Am 25. März hielt sich Wang Yi zu einem inoffiziellen Besuch in
Neu-Delhi auf, wo er mit Außenminister Dr. S. Jaishankar und dem nationalen
Sicherheitsberater Ajit Doval zusammentraf. Dies war der erste Besuch eines
hochrangigen chinesischen Vertreters in Indien seit fast zwei Jahren, als es zu
Grenzkonflikten gekommen war. Im Ukrainekonflikt forderten beide Seiten
einhellig einen sofortigen Waffenstillstand und die Rückkehr zum Dialog. Sowohl
Indien als auch China haben sich bei den beiden UN-Resolutionen zur Verurteilung
Rußlands der Stimme enthalten, beide verweigern eine Beteiligung an den
westlichen Sanktionen und planen sogar eine Ausweitung des Handels mit Rußland,
u.a. durch die Verwendung nationaler Währungen zur Umgehung des
Dollarsystems.
Interessanterweise sagte die indische Regierung einen Tag vor Wangs
unangekündigtem Besuch kurzfristig den geplanten Besuch einer Delegation
britischer Unterhausabgeordneter in Neu-Delhi ab. Der unausgesprochene, aber
offensichtliche Grund für diese Brüskierung ist, daß die Briten angekündigt
hatten, die indische Regierung darüber zu belehren, warum sie sich der
Verurteilung Rußlands anschließen müsse.
- Am 30. und 31. März war Wang Yi Gastgeber des dritten von China
einberufenen Ministertreffens zu Zentralasien in der Stadt Tunxi in der
ostchinesischen Provinz Anhui mit dem Titel „Nachbarländer Afghanistans plus
Afghanistan“. Auf der Tagesordnung standen sowohl die unmittelbare Unterstützung
Afghanistans als auch längerfristige Projekte zur Vernetzung und gemeinsamen
Entwicklung.
- Am Rande des Treffens führten der russische Außenminister Sergej Lawrow
und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi Gespräche, bei denen sie sich darauf
verständigten, daß Rußland und China „in globalen Angelegenheiten mit einer
Stimme sprechen“. Lawrow informierte Wang Yi über den Stand der Verhandlungen
mit der Ukraine und betonte, daß Rußland sich für eine Deeskalation der
Spannungen einsetze und die Friedensgespräche fortsetzen sowie die Kommunikation
mit der internationalen Gemeinschaft in dieser Frage aufrechterhalten werde.
Wang Yi bekräftigte Chinas Position, eine multipolare Welt zu fördern und an
den Grundsätzen der UN-Charta festzuhalten: „In der gegenwärtigen Situation
unterstützen wir Rußland und die Ukraine dabei, die Friedensgespräche trotz der
Schwierigkeiten fortzusetzen, unterstützen die positiven Ergebnisse, die bisher
in den Verhandlungen erzielt wurden, unterstützen die schnellstmögliche
Entschärfung der Lage vor Ort und unterstützen die Bemühungen Rußlands und
anderer Parteien, eine humanitäre Krise großen Ausmaßes zu verhindern.“
Wang erklärte weiter: „Langfristig sollten wir die Lehren aus der
Ukraine-Krise ziehen, auf die legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien auf
der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Achtung und der Unteilbarkeit der
Sicherheit eingehen und durch Dialog und Verhandlungen eine ausgewogene,
wirksame und nachhaltige europäische Sicherheitsarchitektur aufbauen, um
langfristige Stabilität in Europa zu erreichen.“
- Am 31. März traf der russische Außenminister Sergej Lawrow in Indien
ein, um sich mit seinem Amtskollegen Dr. S. Jaishankar zu treffen. Eines der
Hauptgesprächsthemen war die Einführung von Zahlungsmechanismen zwischen Rubel
und Rupie für die Steigerung der russischen Ölexporte nach Indien. Da Rußland
vom Westen mit umfassenden Finanzsanktionen belegt wurde, sind solche nicht auf
Dollar lautenden Zahlungsmechanismen erforderlich, um den Fluß von physischen
Gütern für die produktive Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Auf der Tagesordnung
standen auch Vereinbarungen über die Lieferung russischer Kokskohle an den
indischen Stahlsektor und andere Geschäfte zum gegenseitigen wirtschaftlichen
Nutzen.
- Im Zusammenhang mit kommenden multinationalen Gipfeltreffen hat der
indonesische Präsident Joko Widodo, der in diesem Jahr Gastgeber des G20-Gipfels
im November auf Bali ist, nachdrücklich bekräftigt, daß er Rußland nicht
ausladen wird, obwohl er von London, Washington und Brüssel dazu gedrängt wird.
„Jokowi“ besteht darauf, daß er eine Entwicklungsagenda vorantreiben will.
Glasjew erläutert Vorschlag für neues Finanzsystem
Gleichzeitig werden Schritte unternommen, um eine Alternative zum bankrotten,
westlich dominierten Weltfinanzsystem aufzubauen. Der prominente russische
Ökonom Sergej Glasjew, derzeit Minister für Integration und Makroökonomie bei
der Eurasischen Wirtschaftskommission (dem Exekutivorgan der Eurasischen
Wirtschaftsunion, EAEU), gab dazu der elektronischen Zeitung Business
Online am 27. März ein ausführliches Interview, in dem er seinen Vorschlag
für eine neue internationale Finanzarchitektur erläuterte (siehe https://laufpass.com/wirtschaft/die-usa-haben-verloren/).
Er erklärte, er sei im Gespräch mit Akademikern und Fachleuten in Ländern
wie Rußland, Indien und China:
„Wir arbeiten derzeit an einem Entwurf für ein internationales Abkommen über
die Einführung einer neuen Weltabrechnungswährung, die an die nationalen
Währungen der teilnehmenden Länder und an börsengehandelte Güter gekoppelt ist,
die die realen Werte bestimmen... Objektiv gesehen könnte der Rubel zusammen mit
dem Yuan und der Rupie zu einer Reservewährung werden. Es wäre möglich, zu einem
Mehrwährungssystem auf der Grundlage der nationalen Währungen überzugehen. Aber
man braucht immer noch ein Äquivalent für die Preisbildung.“
Weiter erläuterte er die zentrale Bedeutung der Förderung produktiver
Tätigkeit: „Die globale wirtschaftliche Zusammenarbeit beruht auf gemeinsamen
Investitionen, die darauf abzielen, das Wohlergehen der Menschen zu
verbessern... Eine makroökonomische Stabilisierung in der modernen Wirtschaft
kann nur auf der Grundlage eines beschleunigten wissenschaftlichen und
technologischen Fortschritts erreicht werden.“
Globaler Dialog notwendig
Alle diese Initiativen gehen in die Richtung dessen, was die Welt als
Mobilisierung für eine kooperative Entwicklung braucht, um kurzfristig Leben zu
retten und um den Weg für den Aufbau einer wirtschaftlichen Plattform für
weitere Milliarden Menschen zu ebnen. Auch der Westen muß sich daran beteiligen.
Das ist der Zweck des dringend notwendigen Diskussionsprozesses, der durch die
bevorstehende Konferenz des Schiller-Instituts am 9. April „Für eine Konferenz
zur Schaffung einer neuen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur für alle
Nationen“ und das Diskussionspapier „Der LaRouche-Plan für eine neue
internationale Wirtschaftsarchitektur“ gefördert wird.
Studieren Sie diesen „LaRouche-Plan“, nehmen Sie teil an der Konferenz und
diskutieren Sie mit Ihren Mitbürgern über die Notwendigkeit einer neuen
Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur!
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