Kriege sind nicht unvermeidlich
Notfallmaßnahmen zur Bewältigung von Krisen:
ein neues, menschenzentriertes Paradigma
Von Tony Magliano
Der folgende Text ist die bearbeitete Abschrift des Vortrags von Tony
Magliano im zweiten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am
19. Februar 2022. Tony Magliano ist ein international tätiger Kolumnist für die
katholische Mission für soziale Gerechtigkeit und
Frieden.
Mein Name ist Tony Magliano. Ich schreibe eine international syndizierte
katholische Kolumne über soziale Gerechtigkeit und Frieden. Ich fühle mich
geehrt, vom Schiller-Institut eingeladen zu sein, ein paar kurze Gedanken zu
äußern über die Krise, die den hungernden Afghanen zugefügt wird, sowie über die
brisante russisch-ukrainische Krise.
Laut dem Projekt „Costs of War“ der Brown University hat Afghanistan mehr als
46.000 zivile Kriegstote zu beklagen, schwere Menschenrechtsverletzungen an der
Zivilbevölkerung durch bewaffnete CIA-Milizen, psychische Probleme bei zwei
Dritteln der Bevölkerung – darunter zahllose traumatisierte Kinder –, eine
großflächige Zerstörung der Infrastruktur und über 2 Millionen Flüchtlinge. Und
zu all diesem Elend kommt noch hinzu, daß unzählige Afghanen hungern!
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, erklärte
kürzlich vor dem UN-Sicherheitsrat: „Der Alltag ist für die Menschen in
Afghanistan eine gefrorene Hölle geworden.“ Er sagte: „Aus moralischer
Verantwortung – und im Hinblick auf die regionale und globale Sicherheit und den
Wohlstand – dürfen wir sie nicht im Stich lassen. Sie brauchen Frieden. Sie
brauchen Hoffnung. Sie brauchen Hilfe. Und sie brauchen sie jetzt.“
Guterres betonte, daß nicht nur eine schnelle, weitaus robustere Reaktion
erforderlich sei, um sicherzustellen, daß alle Afghanen – insbesondere die
Kinder – genügend hochwertige Nahrungsmittel zu essen haben, sondern daß auch
die eingefrorenen afghanischen Währungsreserven freigegeben und zusätzliche
Finanzspritzen bereitgestellt werden müßten.
Zwar hat die Biden-Regierung rund 780 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe
zugesagt, doch dieser geizige Betrag ist weniger als das, was die USA während
ihres 20-jährigen Krieges in Afghanistan alle drei Tage ausgegeben haben.
Dies ist eine humanitäre Notlage! Wir müssen dem selbstlosen Beispiel der
Ersthelfer folgen und Soforthilfe leisten. Das sind wir ihnen schuldig!
Und nun zur brisanten russisch-ukrainischen Krise. Wenn ein Krieg ausbricht,
wird das eine totale Katastrophe sein – außer für die politischen Falken und den
militärisch-industriellen Komplex. Waffenhersteller wie Lockheed Martin, Boeing,
General Dynamics und Raytheon scheffeln bereits ein Vermögen, indem sie diesen
unmoralischen, vermeidbaren Krieg anheizen.
Stellen Sie sich das unmenschliche Gemetzel eines konventionellen Krieges vor
– aber noch schlimmer ist es, wenn man sich einen thermonuklearen Krieg
vorstellt.
Wie Vatican News berichtet, sorgt sich Oberst Siwkow, der
stellvertretende Präsident der vom Kreml unterstützten Russischen Akademie für
Raketen- und Artilleriewissenschaften, daß die militärischen Spannungen zwischen
den USA und Rußland wegen der Ukraine zu einem Atomkrieg eskalieren könnten; er
führt an, daß ein solcher Atomkrieg die USA und Rußland zerstören und die Welt
für immer verändern würde. Dies ist ein geeigneter Zeitpunkt, um den
realistischen Atomkriegsfilm The Day After zu sehen.
Die Menschen auf der Welt, insbesondere die Armen und Schwachen, brauchen
dringend ein neues wirtschaftliches, politisches und gesellschaftliches
Paradigma: ein globales Modell, das das Leben und die Würde des Menschen in den
Mittelpunkt stellt. Wo anstelle von Gier und roher Macht – Liebe, Gerechtigkeit
und Frieden den Tag beherrschen!
Wir müssen unsere egoistischen Scheuklappen ablegen und unseren Blick
erweitern, indem wir erkennen, daß wir von Gott, dem Vater aller, geschaffen
wurden und daß wir alle Brüder und Schwestern in einer einzigen
Menschheitsfamilie sind.
Der jesuitische Theologe und Paläontologe Teilhard de Chardin hat
einsichtsvoll gesagt: „Das Zeitalter der Nationen ist vorbei. Die Aufgabe, die
vor uns liegt, wenn wir nicht untergehen wollen, ist der Aufbau der Erde.“
Papst Franziskus fordert uns in seiner jüngsten Enzyklika Fratelli Tutti –
Alle Brüder: Über Brüderlichkeit und soziale Freundschaft auf, eine vom
Evangelium geprägte, brüderliche globale Alternative aufzubauen, die unsere
„Wegwerfkultur“ durch eine „Kultur der Begegnung“ ersetzt. Er ruft uns alle auf:
„Laßt uns mit dem Geld, das wir für Waffen und andere Militärausgaben ausgeben,
einen globalen Fonds einrichten, der endlich dem Hunger ein Ende setzen und die
Entwicklung in den ärmsten Ländern fördern kann, damit ihre Bürger nicht auf
gewaltsame oder illusorische Lösungen zurückgreifen oder ihr Land verlassen
müssen, um ein würdigeres Leben zu suchen.“
Laßt uns die Erde aufbauen! Ich danke Ihnen.
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