Überzeugende Überlegungen der katholischen Kirche
zu Frieden und nuklearer Abrüstung
Von Tony Magliano
Tony Magliano ist ein international bekannter katholischer
Kolumnist für soziale Gerechtigkeit und Frieden.
Bevor ich Ihnen einige kritische Gedanken der katholischen Kirche zu
Frieden und nuklearer Abrüstung vortrage, möchte ich zunächst Helga für ihre
engagierte Arbeit bei der Förderung dieses internationalen Dialogs danken.
Danke, Helga.
In Hiroshima, der ersten Stadt, die im Zweiten Weltkrieg von einer
US-Atombombe in Asche gelegt wurde, sprach Papst Franziskus vor dem
Atombomben-Friedensdenkmal:
„Hier sind von vielen Männern und Frauen, von ihren Träumen und Hoffnungen,
inmitten von Blitz und Feuer nichts als Schatten und Stille zurückgeblieben.
In einem Augenblick wurde alles von einem schwarzen Loch aus Zerstörung und
Tod verschlungen.“
Und mit prophetischer Warnung erklärte Papst Franziskus: „Der Einsatz von
Atomenergie zu Kriegszwecken ist unmoralisch, wie ebenso der Besitz von
Atomwaffen unmoralisch ist... Gott wird uns danach beurteilen.“
Während seines Gesprächs mit Journalisten auf dem Rückflug nach Rom von
seinem jüngsten Pastoralbesuch in Bahrain teilte Papst Franziskus seine
Gedanken über viele der aktuellen, von Menschen verursachten Tragödien in der
Welt mit, einschließlich der zahlreichen bewaffneten Konflikte von heute, die
ihn an die Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg in der Normandie
erinnerten. Er sagte:
„Das war der Anfang vom Ende des Nationalsozialismus, das ist wahr. Aber
wie viele junge Menschen wurden an den Stränden der Normandie zurückgelassen?
Man sagt, dreißigtausend... Wer denkt an diese jungen Menschen? Der Krieg
gebiert all dies. Deshalb seid ihr, die ihr Journalisten seid, bitte
Pazifisten, sprecht euch gegen Kriege aus, kämpft gegen den Krieg. Ich bitte
euch als Bruder. Ich danke euch.“
In den Tagen vor der Entscheidung von Präsident Putin, russische Truppen in
die Ukraine einmarschieren zu lassen, richtete Papst Franziskus diesen Appell
an das Gewissen des russischen Führers und an unser aller Gewissen: „Laßt uns
nicht vergessen, daß Krieg Wahnsinn ist.“ Und er beklagte: „Diejenigen, die
Krieg führen, vergessen die Menschlichkeit. Wie traurig ist es, wenn Menschen
und Völker daran denken, gegeneinander Krieg zu führen.“
Und zu all diesem Wahnsinn erklärte der Heilige Vater kühn: „Legt eure
Waffen nieder! Gott ist mit den Friedensstiftern, nicht mit denen, die Gewalt
anwenden.“
Das Übel der Gewalt und des Krieges kann viele Formen annehmen: Es gibt
Krieg gegen Arme und Hungernde, Krieg gegen Migranten und Flüchtlinge, Krieg
gegen Obdachlose, Krieg gegen andere Religionen, Krieg gegen Frauen, Krieg
gegen die Erde und die Umwelt und Krieg gegen ungeborene Kinder.
In ihrer Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises im Jahr 1979 sagte
die heilige Mutter Theresa von Kalkutta aufschlußreich: „Ich glaube, der
größte Zerstörer des Friedens ist heute die Abtreibung, denn sie ist ein
direkter Krieg, eine direkte Tötung. Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind im
Mutterleib töten kann, was bleibt mir dann noch, um dich zu töten, und dir, um
mich zu töten? Es gibt nichts mehr zwischen uns.“
Am 17. November 2017 trafen sich fünf weitere Nobelpreisträger mit Papst
Franziskus im Vatikan zu einem internationalen Symposium mit dem Titel
„Perspektiven für eine atomwaffenfreie Welt und für die ganzheitliche
menschliche Entwicklung“. In ihrer Erklärung beteuerten die
Friedensnobelpreisträger:
„Das Verbot von Atomwaffen und die Förderung von Frieden und integraler
Abrüstung bedeutet, daß wir die Menschheit an die erste Stelle setzen und uns
gemeinsam den ernsten Herausforderungen stellen, mit denen die Menschheit
konfrontiert ist: Klimawandel, eine globalisierte Wirtschaft, die die
Anhäufung von Reichtum um des Reichtums willen verherrlicht und sich wenig um
die Bedürfnisse der Mehrheit der Milliarden von Menschen kümmert, die unser
Klima teilen, und Terrorismus aller Art, einschließlich des staatlichen, um
nur einige zu nennen.“
Am 20. September desselben Jahres, 2017, ratifizierte der Heilige Stuhl als
erster Staat den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen. In einer Erklärung
an die Vereinten Nationen erklärte der Heilige Stuhl, daß der „Vertrag über
das Verbot von Atomwaffen ein weiterer Schlag auf dem Amboß in Richtung der
Erfüllung der Prophezeiung von Jesaja ist: ,Sie werden ihre Schwerter zu
Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln umschmieden.‘“
Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen ist ein wesentliches Instrument
in dem Bemühen, den Staaten die Entwicklung, Erprobung, Herstellung,
Produktion, Weitergabe, den Besitz, die Lagerung, den Einsatz oder die
Androhung des Einsatzes von Kernwaffen sowie die Stationierung von Kernwaffen
in ihrem Hoheitsgebiet vollständig zu verbieten. Außerdem ist es ihnen
untersagt, irgend jemanden zu unterstützen, zu ermutigen oder zu veranlassen,
sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen.
Es ist unverantwortlich, daß keines der neun Kernwaffenländer den Vertrag
über das Verbot von Kernwaffen unterzeichnet hat. Ermutigend ist jedoch, daß
91 Nationen den Vertrag unterzeichnet haben und daß der Vertrag nun 68
Vertragsstaaten hat, wobei der Heilige Stuhl einer der ersten ist. In seiner
Enzyklika Pacem in Terris, Friede auf Erden, schrieb Papst Johannes
XXIII.:
„Wenn wir die Armut bekämpfen und uns den ungerechten Bedingungen der
Gegenwart widersetzen, fördern wir nicht nur das menschliche Wohlergehen,
sondern auch die geistige und sittliche Entwicklung des Menschen und kommen
damit der gesamten Menschheit zugute. Denn der Friede ist nicht einfach die
Abwesenheit von Kriegen, die auf einem unsicheren Gleichgewicht der Kräfte
beruhen; er entsteht durch die Bemühungen, die Tag für Tag auf die Errichtung
des von Gott gewollten geordneten Universums mit einer vollkommeneren Form der
Gerechtigkeit unter den Menschen gerichtet sind.“
Angesichts von über 800 Millionen Mitmenschen, die unterhalb der
internationalen Armutsgrenze von nur 1,90 Dollar/Tag ums Überleben kämpfen,
und angesichts von 300 Millionen Kindern, die jede Nacht hungrig zu Bett
gehen, haben die wirtschaftlich sichereren Nationen der Welt die moralische
Verantwortung, diese Tragödie so schnell wie möglich zu beenden.
Papst Johannes Paul sagte: „Wenn Entwicklung der neue Name für Friede ist,
dann sind der Krieg und die militärischen Vorbereitungen dazu der größte Feind
einer allseitigen Entwicklung der Völker. Wenn wir das Gemeinwohl der ganzen
Menschheit als Maßstab nehmen und nicht die Gier des Einzelnen, dann wäre
Frieden tatsächlich möglich.“ (Sollicitudo Rei Socialis, Enzyklika, 30.
Dezember 1987)
Am 7. September 2013 beteten zahllose Gläubige aus aller Welt, darunter
100.000 Menschen auf dem Petersplatz, mit Papst Franziskus für den Frieden in
Syrien und in der ganzen Welt. Während des vierstündigen Gebetsgottesdienstes
auf dem Petersplatz sagte der Heilige Vater:
„In jedem Akt der Gewalt und in jedem Krieg bringen wir die Wiedergeburt
Kains hervor. ... Wir haben unsere Waffen perfektioniert, unser Gewissen ist
eingeschlafen, und wir haben unsere Ideen geschärft, um uns zu rechtfertigen.
Als ob es normal wäre, säen wir weiterhin Zerstörung, Schmerz und Tod! Gewalt
und Krieg führen nur zum Tod, sie sprechen vom Tod! Gewalt und Krieg sind die
Sprache des Todes!“
Engagieren wir uns nicht für den Tod, sondern für die Entwicklung einer
Welt des Friedens, die auf Gerechtigkeit und Gleichheit aller Männer und
Frauen beruht.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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