„Ich hatte in meinem Leben noch nie einen so gebildeten Politiker getroffen“
Von Jozef Mikloško
Jozef Mikloško war nach dem Fall der Mauer 1990-1992
Vizepremierminister der Tschechoslowakei.
Liebe Helga und Freunde.
Vielen Dank für die freundliche Einladung zu dieser Konferenz. Ich komme
aus der Slowakei und habe 27 Jahre in der Forschung im Bereich Mathematik und
Informatik am Institut für Technische Kybernetik der Slowakischen Akademie der
Wissenschaften gearbeitet.
Nach der Samtenen Revolution war ich dann in vielen verschiedenen
Funktionen als Mitglied der Christdemokratischen Partei in der Regierung und
im Parlament und auch in der Diplomatie tätig. Erlauben Sie mir, mit meinen
Ausführungen über die heutige verrückte Situation in Europa und auch in der
Slowakei fortzufahren.
Im Jahr 1989 ist der Kommunismus auf wundersame Weise zusammengebrochen.
Wir hatten die Chance, ein Leben in Wahrheit zu beginnen. Aber es kamen
Nationalismus, Egoismus und die westliche Schocktherapie, die keine Therapie
war, sondern ein Schock. Viele fragten: „Warum habt ihr uns aus Ägypten
herausgeholt?“ Aber das Schiff drehte sich um 180 Grad zurück in Richtung
Freiheit und Demokratie.
Seit 33 Jahren sind wir nun frei. Wir können schreiben, sagen und drucken,
was wir wollen. Wir können reisen, Geschäfte machen und leben, wie wir wollen.
Begrenzt werden wir nur durch die verrückte Welt der Werbung, des Konsums, der
Mode und der Berühmtheiten. Das Denken der Menschen hat sich jedoch kaum
verändert, alte Gewohnheiten sind geblieben – Verantwortungslosigkeit,
Faulheit und Passivität.
Die Fähigkeit der Menschen, zwischen gut und schlecht, wichtig und
unwichtig, wesentlich und unwesentlich zu unterscheiden, ist geschwächt. Die
Revolution hat uns von den Kommunisten befreit, aber sie hat auch zu den
großen sozialen Unterschieden, zur Zunahme der Arbeitslosigkeit, zur Rückkehr
alter Strukturen und zum Ausschluß ehemaliger Dissidenten aus der Politik
beigetragen.
Die Folgen der globalen, finanziellen, demographischen und moralischen
Krise sind auch der Zusammenbruch von Familien, verlassene Kinder, der Druck
der Werbung, eine konsumfeindliche Kultur und jetzt steigende Preise,
Energiespekulationen und wachsende Bitcoins und Börsengeschäfte und das
Streben nach größerer Polarisierung.
Die Probleme des Kapitalismus, der Globalisierung, der Arbeitslosigkeit,
der Diktatur der Finanzmärkte, der sozialen Fragen usw. können nicht mit den
Werten der westlichen Zivilisation gelöst werden, weil diese Werte die Ursache
dieser Probleme sind.
Die einzige Lösung ist ein neuer Lebensstil, Solidarität, Subsidiarität und
die Anerkennung der Würde eines jeden Menschen. Heute verschwindet die Moral
aus Familie, Politik, Wirtschaft und Kultur. Die demographische Krise,
Migration und Auswanderung, die Überflutung mit Menschen aus anderen Kulturen
und der Wandel der Werteorientierung drückt uns nach unten. Europa stirbt
unter dem Motto „In Vielfalt geeint“. Ja, es ist vielfältig, aber nicht
geeint. Das Sozialsystem hat zu viele Arbeitslose produziert. Die
Öffentlichkeit wird durch die Aggression der Kommunikations- und
Informationsindustrie in den Medien manipuliert.
Jetzt möchte ich einige persönliche Erinnerungen an Lyndon LaRouche
erwähnen. Ich habe ihn 17mal getroffen und mit ihm diskutiert. In meinem
700-seitigen Buch „Top Secret – Als wir frei waren“, das 1999 veröffentlicht
wurde, sind etwa 80 Seiten über ihn und das Schiller-Institut enthalten.
Ich wurde 1990 mit seinem Fall vertraut, als ich nach der Samtenen
Revolution Vizepremier der Tschechoslowakei war. Es war eine Tragödie, daß Lyn
zur Zeit des Mauerfalls einfach so ins Gefängnis gesteckt wurde.
Ich hatte in meinem Leben noch nie einen so gebildeten Politiker,
Wirtschaftswissenschaftler, Mathematiker, Musiker und Historiker getroffen,
der auf jede Frage eine Antwort wußte. Er führte christlich-moralische
Prinzipien in die politische Ökonomie ein. Ich war immer wieder überrascht
über sein Wissen über klassische Musik, Supercomputer, Religion und Politik.
Er war ein harter Kämpfer, aber auch voller Humor und Zärtlichkeit, wenn er
zum Beispiel über die Liebe und Gott sprach. Er war immer ein Generator neuer
Ideen. Sein Programm war: die Notwendigkeit zu produzieren, nicht zu
spekulieren; moralische Prinzipien müssen in Politik und Wirtschaft etabliert
werden. Er sagte viele Dinge voraus, die heute geschehen.
Seinetwegen habe ich die Vereinigten Staaten sechsmal besucht. Ich habe im
Kongreß, im Senat, an Universitäten und auf Konferenzen Lobbyarbeit betrieben.
Die Verurteilung zu 15 Jahren Haft war mit so vielen Unregelmäßigkeiten
behaftet, daß die internationale Gemeinschaft, darunter auch ich, viele Male
dagegen protestierte. Ich bin stolz darauf, daß auch ich dazu beigetragen
habe, daß er 1994 auf Bewährung entlassen wurde.
Wir trafen uns zum ersten Mal im August 1993. Unsere Freundschaft begann im
Gefängnis in Rochester, wo ich ihn besuchte. Seine Strafe von 15 Jahren war
ein Todesurteil. Lyn empfing mich mit einem Lächeln und Optimismus. Wir
sprachen sechs Stunden lang. Im Dezember 1993 war ich stolz, stolz darauf, daß
ich wahrscheinlich der erste Mensch auf Erden war, der wußte, daß Lyn frei
sein würde.
Ich war sehr froh, daß die Slowakei im August 1994 das zweite Land war, das
er nach seiner Freilassung besuchte. Er traf auf der Konferenz mit 120 jungen
Menschen aus 17 Ländern zusammen. Sein zweiter Besuch in der Slowakei war im
Jahr 1996.
Auf einer Konferenz in den Vereinigten Staaten im Jahr 1996 stellte ich ihm
eine Frage über Gott. Seine Antwort war wunderschön: „Der neue Wein, den ich
hereinbringe, kann nicht in alten Schläuchen sein. Wir werden eine neue
Revolution auf der Grundlage der christlichen Liebe beginnen. Dem Nächsten
gegenüber wie ein Samariter.“
Als Lyn 75 wurde, fand in den Vereinigten Staaten ein Galakonzert statt.
Ich war der Zeremonienmeister. Ich stellte ihm öffentlich diese Frage: „Welche
Auswirkungen hat die Manipulation durch die Medien auf die Menschen und was
sollte dagegen getan werden?“ Seine Antwort ist auch heute noch aktuell.
„Die Situation in den Medien ist schrecklich. Die heutige Anti-Kultur macht
die Jugend körperlich und geistig kaputt. Sex ist eine Ware, wie Coca-Cola. Es
ist notwendig, die grundlegenden Axiome zu ändern, an die viele glauben, weil
der Mensch sich von den Tieren unterscheidet. Die Hedonismus-Philosophie der
Baby-Boomer-Generation ist fehlgeleitet. Das Ergebnis ist die Generation X,
die Opfer dieser Ideologie ist. Sie ist eher eine Degeneration als eine
Generation, denn sie hat alle historischen Erfahrungen aufgegeben und hat
keine eigene Meinung. Jesus Christus hat uns gezeigt, was es heißt, für
Wahrheit und Gerechtigkeit zu kämpfen, daß der Erfolg nicht von unseren
Fähigkeiten abhängt. Daß wir, auch wenn wir verlieren, keine Kompromisse mit
dem Bösen eingehen dürfen“.
Dies war die Antwort von Lyndon LaRouche auf meine schwierige Frage.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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