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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Völker der Welt müssen ihre Stimme erheben

Von Donald Ramotar

Donald Ramotar war Präsident von Guyana (2011-2015) und Mitglied des Parlaments (1992-2011).

Vielen Dank und ein herzliches Hallo an alle. Es ist inzwischen allgemein anerkannt, daß die Welt noch nie so nah an einer nuklearen Zerstörung war wie heute. Es ist auch klar, daß die Möglichkeiten einer nuklearen Konfrontation umso größer sind, je länger der Krieg in der Ukraine andauert. Das wurde uns erst letzte Woche eindringlich vor Augen geführt: Wir sahen, wie Raketen in Polen landeten und dort einschlugen, und dieses Land schlug vor, Artikel V des NATO-Vertrags in Anspruch zu nehmen. Der Abschuß von Raketen auf Polen war höchstwahrscheinlich ein bewußter Akt der Ukraine, um die westlichen NATO-Mächte dazu zu veranlassen, Truppen gegen Rußland zu stellen. Das ist geradezu kriminell.

Je länger der Krieg andauert, desto mehr geraten die wahren Gründe für den Konflikt in Vergessenheit. Das ist vor allem auf die massive Offensive der Konzernmedien auf die Köpfe der Massen zurückzuführen. Deshalb ist es wichtig, daß wir die wirklichen Ursachen der gegenwärtigen Situation erkennen, damit wir einen Weg zu einer gerechten und dauerhaften Lösung bahnen können.

Die allgemeine Ursache für diese gefährliche Situation im 21. Jahrhundert liegt in der Natur des westlichen sozioökonomischen Systems. Es ist das System, das die Weltherrschaft anstrebt. Im wesentlichen strebt es diese Weltherrschaft an, um die Ausbeutung der Ressourcen und Völker der Welt fortzusetzen und seine Profite kontinuierlich zu steigern. Das kann nur in einer neokolonialen Beziehung zum Rest der Welt geschehen.

Meiner Meinung nach begann der Krieg in der Ukraine lange bevor der erste Schuß fiel. Der Imperialismus konnte nicht widerstehen, den geschwächten Zustand Rußlands und seiner Verbündeten zu Beginn der 1990er Jahre auszunutzen. Deshalb mußten sie ihr eigenes Versprechen brechen, die NATO keinen Zentimeter nach Osten zu erweitern. Der Plan war, daß Rußland sich nie wieder erheben darf, um die Macht des Westens herauszufordern. Und daß der Sozialismus als alternatives sozioökonomisches System nicht wieder auf europäischem Boden auftauchen darf.

Vor dem Ende des letzten Jahrhunderts sahen wir die Generalprobe für das, was sich heute in der Ukraine abspielt. Ich spreche von der massiven Bombardierung Jugoslawiens, der Zerschlagung des jugoslawischen Staates in mehrere kleinere Einheiten. Das wurde von einer Flut von Propaganda und Desinformation begleitet, um die wahren Gründe zu verschleiern.

Es ist interessant festzustellen, daß die NATO-Bombardierung Jugoslawiens auf die Zivilbevölkerung abzielte, um die Massen zu zwingen, ihre demokratisch gewählte Regierung aufzugeben. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als der Warschauer Pakt aufgelöst und Rußland am schwächsten war. Es war jedoch schon damals klar, daß Rußland das nächste Ziel sein würde.

Ein Krieg der alten neokolonialen Ordnung

Man kann sich fragen: „Warum jetzt Rußland angreifen? Der Sozialismus ist doch nicht mehr das System, das dort praktiziert wird.“ Die Antwort darauf ist, daß Rußland eine alte Zivilisation hat und keine neokoloniale Herrschaft akzeptieren kann. Auch wenn es kapitalistisch ist, will es souverän bleiben und sich nichts vorschreiben lassen. Es möchte als eine starke internationale Macht respektiert werden.

Außerdem hatten 74 Jahre Sozialismus einen großen Einfluß auf die Veränderung der russischen Mentalität. Schließlich verdankt Rußland seine Modernisierung dem sozialistischen System. Die Vorteile des Sozialismus bleiben als Faktor im kollektiven Gedächtnis des Volkes erhalten.

Um das zu überwinden, muß der Westen versuchen, Rußlands Einfluß zu zerstören. Zu diesem Zweck muß er versuchen, Rußland mit Gewalt zu beherrschen und das Land dann zu balkanisieren. In diesem Bestreben wurde die Ukraine als Werkzeug für eine solche Aufgabe ausgewählt.

Der Krieg in der Ukraine hat noch eine andere Dimension. Es ist ein Krieg, der von den Vereinigten Staaten geführt wird, um die alte Ordnung der neokolonialen Ausbeutung zu bewahren und das Entstehen eines neuen Systems internationaler Beziehungen zu verhindern, das sich in unserer heutigen Welt abzeichnet.

Diese neue Entwicklung wurde von den USA selbst herbeigeführt. Ihr Einsatz von Wirtschaftssanktionen hat Länder, die auf ihre Unabhängigkeit Wert legen, dazu veranlaßt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Rußland ist eines der führenden Länder, die für eine neue internationale Wirtschaftsordnung kämpfen.

Erinnern Sie sich daran, daß das eines der Hauptanliegen der Bewegung der Blockfreien war; daher stößt diese Position Rußlands auf offene Ohren in vielen Schwellenländern und bei den Kräften in den beherrschten Ländern, die jetzt versuchen, die neokolonialen Fesseln zu sprengen. Die Blockfreien-Bewegung ist mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion praktisch verschwunden. Dies ist nun ein weiterer Versuch, einen anderen Weg zu finden.

Der Vorstoß, den Einfluß des allmächtigen Dollars zurückzudrängen, den Rußland vorantreibt, das kühne Schritte in diese Richtung unternimmt, hat im gesamten Westen tiefe Ängste ausgelöst. Wenn diese Bemühungen Rußlands und anderer erfolgreich sind, dann würde die Bedeutung des Dollars als internationale Reservewährung stark zurückgehen. Und das würde auch die Fähigkeit des Westens einschränken, der Welt seine Politik zu diktieren.

Das hat den Westen sehr viel aggressiver gemacht. Er ist auf dem Kriegszug, um jede neue, demokratischere internationale Beziehung zu stoppen und abzubrechen, wenn nötig mit Gewalt. Deshalb will er auch die NATO ausbauen.

In dieser sehr gefährlichen Situation müssen sich die Völker der Welt Gehör verschaffen. In erster Linie müssen wir für eine sicherere Welt kämpfen. Der wichtigste Schritt in diese Richtung ist die erneute Forderung nach Abrüstung. In erster Linie müssen wir die nukleare Abrüstung fordern. Wir müssen die Vereinten Nationen auffordern, unverzüglich ein Treffen aller Länder einzuberufen, die Atomwaffen besitzen, und auch der Länder, die kurz davor stehen, Atomwaffen zu besitzen, um den Prozeß der Beseitigung aller dieser Massenvernichtungswaffen einzuleiten. Wenn wir akzeptieren, daß ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und nicht geführt werden darf, dann sollten wir sie abschaffen. Wir sollten sie nicht haben; sie dienen nicht der Erhaltung des Friedens.

Wir müssen uns auch für die vollständige Abschaffung der chemischen Waffen einsetzen. Darüber hinaus sind auch die konventionellen Waffen extrem stark und zerstörerisch geworden. Auch sie müssen erst begrenzt und letztlich abgeschafft werden.

Es wäre eine wunderbare Periode in der Geschichte der Menschheit, wenn unsere großen Entdeckungen in Wissenschaft und Technik friedlichen Zwecken und der Verwirklichung des Strebens der Menschheit nach einer ökologisch gesunden, wohlhabenden und sicheren Welt dienen würden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.