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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die entmenschlichende Metasphäre

Von Mike Robinson

Mike Robinson ist Redakteur der UK Column. Im Schlußabschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 19. Juni hielt er den folgenden Vortrag. (Übersetzung aus dem Englischen.)

Zunächst möchte ich mich beim Schiller-Institut für die Ausrichtung dieser Konferenz bedanken. Ich fürchte, daß das, was ich gleich präsentieren werde, ziemlich düster sein wird, und ich hoffe, daß diese Konferenz zu einem großen Teil ein Gegenmittel dazu ist.

Ich wurde gebeten, ein paar Worte über die Richtung zu sagen, in die die Tech-Milliardäre die Menschheit führen wollen, und über die Auswirkungen, die das auf die Köpfe der Menschen hat. Die Vision, die sie haben, scheint in der Tat ziemlich düster zu sein. Zunächst einmal sehen sie keinen besonderen Grund, daß es überhaupt Menschen geben soll. Es gibt einen Artikel aus dem Wired-Magazin, einem Tech-Magazin – „Warum die Zukunft uns nicht braucht“; denn Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie drohen den Menschen zu einer bedrohten Spezies zu machen. Das mag durchaus der Fall sein, wie wir gleich sehen werden, denn hinter dieser Art von Schlagzeile steckt eine ziemlich pessimistische Sicht auf die Zukunft.

Bevor wir zu dieser Sichtweise kommen, möchte ich darauf hinweisen, daß wir immer häufiger Schlagzeilen wie diese sehen: „Google-Ingenieur sagt, daß das KI-System LaMDA eigene Gefühle haben könnte.“ Während also die Menschlichkeit abgebaut wird, erleben wir gleichzeitig, wie die künstliche Intelligenz aufgerüstet wird, oder zumindest wird uns gesagt, daß sie Gefühle entwickelt und so fast menschlich wird. Wir sehen also einerseits, wie das Menschsein abgebaut wird, und andererseits, wie die Technologie aufgerüstet wird. Wann werden wir ein und dasselbe sein?

Das ist der springende Punkt, denn zumindest Elon Musk zufolge wird eine Verschmelzung von biologischer Intelligenz und maschineller Intelligenz notwendig sein, damit der Mensch wirtschaftlich wertvoll bleibt. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hat er ein nettes kleines Unternehmen gegründet; hier ist dessen Website. Das Unternehmen heißt Neuralink, das „ein vollständig integriertes Brain-Computer-Interface-System (BCI) entwickelt“. Manchmal wird dies auch einfach als Brain-Machine-Interface (BMI) bezeichnet. In jedem Fall handelt es sich bei BMIs um Technologien, die es einem Computer oder einem anderen digitalen Gerät ermöglichen, direkt mit dem Gehirn zu kommunizieren und umgekehrt. Warum sollte man das eigentlich tun? Weil man „den Zustand des Menschen verbessern“ will.

„Transhumanismus“

Es gibt eine Website namens Humanity Plus, bei der alles um die Verbesserung des menschlichen Zustands geht und um die „Förderung von Wissenschaft und Technologie für eine bessere Zukunft“. Allerdings führt der Weg zur Verbesserung des Menschen nicht über die klassische Kultur. Nein, das soll über die Verbindung mit der Technologie gehen, um die menschliche Gattung zu verbessern. Die Webseite hat ein nettes Logo – ein „H“ mit einem „Plus“ darauf. Sie veranstalten Versammlungen und schwärmen von einer humanen Menschheit.

Wir werden gleich sehen, wie menschlich das ist. Sie sagen: „Transhumanismus ist eine Denkweise über die Zukunft, die auf der Prämisse beruht, daß die menschliche Gattung in ihrer jetzigen Form nicht das Ende unserer Entwicklung darstellt, sondern eher eine vergleichsweise frühe Phase.“ Sie sprechen von „Posthumanen, die vollständig synthetische künstliche Intelligenzen sein könnten, oder sie könnten verbesserte Uploads sein“ – darüber sprechen wir in einer Sekunde – „oder sie könnten das Ergebnis vieler kleinerer, aber kumulativ tiefgreifender Augmentierungen eines biologischen Menschen sein.“

Es gibt Leute, die in dieser Sache zur Vorsicht mahnen, und zwar mehr als nur zur Vorsicht. Francis Fukuyama von der Stanford University nennt den Transhumanismus „eine der gefährlichsten Ideen der Welt“. Wir werden gleich sehen, wie gefährlich sie sind.

Zunächst einmal geht es um die virtuelle Realität, denn das ist ein Schritt auf dem Weg dorthin. Die meisten Menschen haben die Brillen gesehen, die Menschen tragen, wenn sie virtuelle Welten erforschen, aber derzeit sehen virtuelle Welten („virtual reality“, VR) noch ziemlich künstlich aus; sie sind nicht wirklich real. Allerdings sind sie offenbar real genug, um echte physiologische Wirkungen auzuüben, fast wie Drogen. Für die Menschen, die sich für das Thema Computerspiele stark machen, wird es damit noch viel schlimmer. Hier ist ein Zitat aus diesem Artikel des Atlantic:

    „Wenn das Headset abgenommen wird, kehrt die triste Realität zurück... Was bleibt, ist ein seltsames Gefühl von Traurigkeit und Enttäuschung, wenn man an der realen Welt teilnimmt, meist noch am selben Tag. Der Himmel scheint weniger farbenfroh zu sein, und ich habe das Gefühl, daß mir die ,Magie' fehlt... Ich fühle mich zutiefst beunruhigt und sitze oft einfach nur da und starre eine Wand an.“

Das ist es, was mit dem Geist der Menschen, die diese Technologie nutzen, geschieht. Wir dürfen nicht vergessen, daß „der eigentliche Zweck von VR“, wie es in diesem Artikel heißt, „darin besteht, die Unterscheidung zwischen Simulation und Realität zu erschweren.“

Es stimmt, daß es virtuelle Realität in der Form gibt, wie wir sie in den Medien sehen, aber wie wollen die wirklichen Technologen sie einsetzen? Werfen wir einen Blick auf ein Projekt aus dem Jahr 2008, die Sentient World Simulation. Es handelt sich um ein Konzeptpapier aus dem Jahr 2008, das nur für Kommentare gedacht war, aber sehen wir uns einfach an, was dort gesagt wird:

    „Modellierung und Simulation gehen schnell nicht mehr einher mit neuen Ereignissen, dem Auftreten neuer Kräfte und neu vorgeschlagenen Theorien. Das Ziel der Sentient World Simulation ist es, ein synthetisches Abbild der realen Welt zu schaffen, mit automatischer, kontinuierlicher Anpassung in Bezug auf aktuelle Informationen aus der realen Welt, wie wichtige Ereignisse, Meinungsumfragen, demographische Statistiken, Wirtschaftsberichte und Trendverschiebungen.“

Sie sprechen also davon, im Silicon [Valley] ein Paralleluniversum zu errichten und massenhaft Daten zu sammeln, um vielleicht Vorhersagen über die Zukunft treffen zu können. Dieses Papier diente zwar nur zur Beratung, aber IBM macht sehr gute Fortschritte damit – vielen Dank dafür. Das Programm nennt sich „digitaler Zwilling“. „Ein digitaler Zwilling ist eine virtuelle Darstellung eines Objekts oder Systems, das dessen Lebenszyklus umspannt, mit Echtzeitdaten aktualisiert wird und simuliertes Maschinenlernen und -denken zur Entscheidungsfindung nutzt.“

Es heißt dort: „Simulationen und digitale Zwillinge verwenden beide zwar digitale Modelle, um verschiedene Prozesse eines Systems nachzubilden, aber ein digitaler Zwilling ist tatsächlich eine virtuelle Umgebung, was ihn für Studien wesentlich interessanter macht.“ Das gilt durchaus nicht nur für nicht-lebende Systeme. Hier ist eine weitere Schlagzeile: „Menschliche digitale Zwillinge: Neue Werte jenseits der Zwänge der realen Welt schaffen“. Also die Modellierung menschlicher Interaktionen und so weiter in einem massiven Ausmaß.

Ein weiterer Aspekt, den wir bereits erwähnt haben, ist die Idee der Augmentation. Schauen wir uns das einfach auf dem Bildschirm an. Es gibt ein britisches KI-Tech-Unternehmen, das unter anderem KI-Sexpuppen herstellt, die natürlich hauptsächlich aus Plastik bestehen. Wenn man sich diese Gesichter ansieht, dann sehen sie nicht sehr menschlich aus, oder? Aber wenn man sich ansieht, was in der Promikultur vor sich geht, lassen sich vielleicht einige Parallelen erkennen. Denn immer häufiger verwandeln Prominente ihre Gesichter in Plastik. Eine dieser sogenannten „Berühmtheiten“, Katie Price, zeigte ihre dramatische Verwandlung, nachdem sie diese Woche von ihrem dritten Facelifting in der Türkei zurückgekehrt war, wie die Sun vor einiger Zeit berichtete. Aber was wir in der Promikultur auch noch beobachten, ist der Versuch, Plastikgesichter zu sexualisieren, was uns wieder auf die Idee von KI und Robotik und so weiter zurückbringt. Hier wird die Robotik auf besonders düstere Weise eingesetzt.

„Body-Hacking“

Aber das ist noch nicht alles, denn es gibt etwas, das „Body Hacking“ genannt wird. In diesem Artikel wird das als „futuristisch, gruselig und völlig unreguliert“ beschrieben. Hier ist ein Guardian-Artikel über „Body-Hacker: die Menschen, die sich in Cyborgs verwandeln“. Die Idee, ein Cyborg zu werden, ist genau das, worüber Elon Musk gesprochen hat.

Was für Dinge tun Body-Hacker? Nun, sie verwandeln sich in Elfen, was in diesem Fall ₤ 25.000 an plastischer Chirurgie kostet. Dieser Transhumanist hier verwandelt sich in – nun, ich bin mir nicht ganz sicher, in was er sich verwandelt hat, aber es gibt „Hunderte von Körpermodifikationen, die sich mit der Technologie und der Zeit weiterentwickeln“.

An diesem Punkt fängt es an, richtig düster zu werden. Hier ist ein besonders düsteres Beispiel: „Extremer modifizierungssüchtiger ,menschlicher Satan‘ mit amputierten Ohren zur Markierung des Endes der Gesichtsmaske.“ In so etwas verwandeln sich diese Leute. Das ist gar nicht so selten, wie man vielleicht denkt. Das scheint eine extrem extreme Version der Körperveränderung zu sein, aber in meiner Stadt laufen tatsächlich Leute mit solchen Tattoos, mit spitzen Ohren und mit tätowierten Augäpfeln herum. So wird das in der Gesellschaft umgesetzt.

Aber was ist mit den Technologen? Sie möchten, daß wir uns in „siliziumbasierte Organismen statt in kohlenstoffbasierte Organismen“ verwandeln. Das mag als Science-Fiction und weit hergeholt erscheinen, aber tatsächlich ist die Idee von Silizium-Kohlenstoff-Bindungen bereits Realität. In Chemistry World heißt es: „Künstliches Enzym erzeugt erstmals Kohlenstoff-Silizium-Bindung… Wissenschaftler in den USA haben Proteine entwickelt, die Reaktionen zur Bildung von Kohlenstoff-Silizium-Bindungen katalysieren können – Prozesse, die in der Natur noch nie beobachtet wurden. Ein solches Enzym könnte es Forschern eines Tages ermöglichen, Hybridorganismen auf Siliziumbasis herzustellen, die normalerweise nur in der Science-Fiction zu finden sind.“

Ich behaupte keineswegs, daß diese spezielle Forschung transhumanistisch war oder auf einer transhumanistischen Agenda basiert. Aber dies ist sicherlich etwas, das Transhumanisten anstreben. Aber es wird wieder düsterer, weil wir Begriffe verwenden, die den menschlichen Körper absolut degradieren, zum Beispiel. Mit „Suitable“ (das ist ein Unternehmen) „parken Sie Ihren Fleischkörper zu Hause und beamen sich zur Arbeit“. Das Konzept des „Fleischkörpers“ finde ich besonders anstößig, aber sehen wir uns das genauer an. „Hochladen: Was ist mit der kohlenstoffbasierten Version?“ Nehmen wir ein Zitat aus diesem Artikel:

„In dem Video, das etwa 48 min lang ist, spricht Eliezer über das Hochladen und darüber, daß es kein Mord wäre, wenn sein Fleischkörper vor dem Hochladen betäubt und getötet würde, ohne das Bewußtsein wiederzuerlangen.“ Beim „Upload“ wird das menschliche Bewußtsein in ein Computersystem hochgeladen, wo es in einer virtuellen Welt weiterlebt. Aber in diesem Fall hat diese Person kein Problem damit, betäubt und getötet zu werden, sobald das Upload abgeschlossen ist, weil die Vorstellung von seiner physischen Form zu der Vorstellung eines „Fleischkörpers“ degradiert wurde. Das hat für mich Parallelen zu dem berühmten Film „Logan's Run“, den wohl die meisten Leute gesehen haben und verstehen, worauf ich hinaus will.

Werfen wir also einen Blick darauf. Denn virtuelle Welten werden genauso Gesetze brauchen wie die reale Welt, da wir ein Spiegelbild der realen Welt schaffen, und deshalb braucht man dort Gesetze. Man sieht bereits Schlagzeilen wie diese: „Avatar einer Frau [die Figur, die sie in der virtuellen Welt einnimmt] innerhalb einer Stunde nach der Anmeldung im Metaverse vergewaltigt“. Eine andere Schlagzeile: „Das Metaverse ist nicht für Frauen gedacht“. Oder: „Metaverse: ein weiterer Sündenpfuhl für toxische Inhalte“.

Das ist insofern wichtig, da im britischen Gesetzgebungsplan für das Parlament ein Gesetzentwurf mit der Bezeichnung Online Safety Bill vorgesehen ist. Technologieunternehmen sollen verpflichtet werden, einer Sorgfaltspflicht gegenüber ihren Nutzern nachzukommen, „damit das, was offline inakzeptabel ist, auch online inakzeptabel ist“.

Das ist wirklich alles, was ich im Moment für Sie habe. Es ist nur eine kleine Einführung in dieses Thema. Was ich damit sagen will, ist, daß die Tech-Milliardäre – wie Elon Musk und Peter Thiel und so weiter, Facebook mit seinem Rebranding und der Entwicklung des Metaversums – wirklich die menschliche Kultur und den menschlichen Geist angreifen. Ich denke, daß die Menschen, die an dieser Konferenz teilnehmen, vielleicht eine bessere Vorstellung davon haben, wohin sich die Menschheit in Zukunft entwickeln könnte.