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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Das einzig Positive an diesem Krieg ist sein Ende

Von Jorge Robledo

Jorge Robledo war von 2002-22 Mitglied des Senats und Präsidentschaftskandidat der Partido Dignidad (Partei der Würde) in Kolumbien.

Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft. Es ist mir eine große Freude, wieder bei Ihnen zu sein. Ich habe mir alle Vorträge angehört und viele wichtige und interessante Dinge erfahren.

Ich werde mich kurz fassen und daran erinnern, daß dies die dritte Veranstaltung dieser Art ist, die wir auf Initiative von Herrn Dennis Small durchgeführt haben. Wir hatten zuerst eine sehr begrenzte Konferenz, dann eine größere, besser besuchte,1 und jetzt haben wir uns an Europa gewandt mit dem einzigen Ziel, diese Kriegsgefahr zu stoppen; denn es ist nur scheinbar ein Krieg zwischen der Ukraine und Rußland, ist aber viel komplizierter und betrifft ganz Europa.

Das Hauptziel besteht darin, zu verhindern, daß es zu einem Atomkrieg mit globaler Auslöschung kommt. Das muß um jeden Preis vermieden werden. Die Entwicklung dieses Prozesses ist recht deutlich. Wir haben an Boden gewonnen.

Ich war 20 Jahre lang kolumbianischer Senator, bis zum 20. Juli des vergangenen Jahres war ich Senator für die Partei der Würde (Partido Dignidad) in Kolumbien. Zu diesem bewaffneten Konflikt möchte ich sagen, daß die Partei der Würde ihre Ablehnung zum Ausdruck brachte, als Rußland in die Ukraine einmarschierte. Wir sind grundsätzlich der Meinung, daß man friedliche Lösungen zwischen Staaten finden muß und niemals auf Waffengewalt zurückgreifen darf. Das ist ein grundlegendes Prinzip.

Aber wie soll es weitergehen? Übermorgen haben wir neun Monate dieses Konflikts erlebt, und die Verluste waren enorm. Auch Rußland hat große Verluste erlitten, nicht nur an Menschenleben und Zerstörung, sondern auch an der gesamten wirtschaftlichen und sozialen Zerstörung, die ich erwähnt habe. Auch Europa und die ganze Welt haben schreckliche Verluste erlitten.

Kolumbien ist ein wichtiger Lebensmittelexporteur - 14 Millionen Tonnen pro Jahr -, und wir sind von den gestiegenen Treibstoffkosten und anderen Betriebsmitteln betroffen, die uns ebenfalls zu Opfern machen. Wir wissen, daß der herannahende Winter Europa in noch größere Schwierigkeiten bringen wird, und wenn er Europa und Rußland trifft, dann trifft er letztendlich die ganze Welt, und auch wir werden unter den Auswirkungen leiden. Europa könnte in eine unfaßbare Wirtschaftskrise geraten, die sich auf die ganze Welt auswirkt und zu steigenden Zinsen und Inflation führt. Das alles ist die Folge dieser Konfrontation.

Das Beste, worauf wir hoffen können, ist, daß diese Konfrontation beendet wird. An diesem Punkt stellt sich also die Frage: Was können wir tun? Was sollten wir vorschlagen?

Parallelen zur Kubakrise

Es handelt sich nicht nur um einen Krieg zwischen Rußland und der Ukraine, wie viele denken. Es ist zwar ein Krieg, der auf ukrainischem Territorium stattfindet, aber es ist ein Krieg, in dem die Vereinigten Staaten und die NATO ukrainisches Territorium für einen Krieg gegen Rußland benutzt haben. Das muß man sich klarmachen. Es betrifft die ganze Welt und könnte zu einer Konfrontation führen, die die ganze Welt betrifft.

Das hat mit der Weltgeschichte der letzten Jahre zu tun, seit die Sowjetunion und damit der Warschauer Pakt, das Militärbündnis der Sowjetunion und ihrer Verbündeten, aufgelöst wurden. Die NATO war das Kriegsinstrument der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten. Anstatt diese Gegnerschaft aufzugeben, begann sie nach Osten vorzustoßen, mit der Option, die Ukraine zu vereinnahmen. Dann würden die NATO-Waffen praktisch in Reichweite der russischen Grenze aufgestellt.

Wenn diese Frage nicht geklärt wird, ist die Gefahr eines Atomkriegs keine literarische Übung oder Spinnerei. Es ist durchaus möglich, daß er tatsächlich eintritt, denn ich sehe keine Möglichkeit, daß eine Atommacht wie Rußland den Verlust des Sicherheitsschutzes akzeptieren würde, den eine Atommacht benötigt. Das ist der Punkt, an dem wir stehen.

In meinem ersten Vortrag und bei der zweiten Veranstaltung habe ich etwas angesprochen, auf das ich noch einmal zurückkommen möchte: die Kubakrise von 1962.

Die Nachrichtendienste berichteten damals von sowjetischen Schiffen mit Atomwaffen, die mit Kurs auf Kuba fuhren, wo bereits mehrere solcher Raketen installiert waren. Daraufhin teilte die US-Regierung der Sowjetunion mit, daß sie entweder diese Raketen abziehen müsse oder wir in einen Weltkrieg ziehen würden. Innerhalb weniger Tage einigten sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion auf den Abzug dieser Raketen aus Kuba. Aber auch die Vereinigten Staaten zogen einige der in der Türkei installierten Raketen ab, die eine Bedrohung für die Sowjetunion darstellten.

In diesem Fall handelten sowohl die Sowjetunion als auch die Vereinigten Staaten pragmatisch, um sich nicht gegenseitig zu bedrohen, so daß keiner von beiden irreversiblen Schaden erleiden würde.

Ich denke, das ist das Modell, dem die Vereinigten Staaten und Rußland, die NATO und die europäischen Länder folgen sollten. Das ist der Punkt, an dem wir stehen. In erster Linie muß eine Einigung zwischen der NATO, den Vereinigten Staaten und Rußland erzielt werden. Natürlich unter Einbeziehung der Ukraine, aber es muß ein Abkommen sein, das die Aufrüstung in Richtung eines Atomkrieges abbaut.

Wenn ich Ihnen diese Themen darlege, hören Sie meinen Standpunkt, und es mag viele andere Perspektiven geben, die ebenfalls eingebracht werden müssen. Ich rufe diese anderen auf: Auch wenn wir über die Ursprünge des Konflikts unterschiedlicher Meinung sein mögen, müssen wir uns inmitten all dieser Meinungsverschiedenheiten auf den einfachen Gedanken einigen, daß dieser Konflikt entschärft und gelöst werden muß. Wir müssen die Möglichkeit eines Atomkriegs ausschließen. Das erfordert es, daß die Kräfte, die sich an diesem Gemetzel beteiligen, einen Weg finden, zu verhindern, daß eine Atommacht über eine andere „siegt“.

Wir befinden uns heute in einer Situation gegenseitiger nuklearer Zerstörung, die eine Anerkennung dieser Realität erfordert. Deshalb rufe ich jeden Menschen auf diesem Planeten persönlich auf, etwas dagegen zu tun - unabhängig davon, welche Meinung Sie über den Grund haben, warum wir hierhergekommen sind.

Es gibt nichts anderes zu tun, als sich auf diesen einen Gedanken zu einigen, daß das gestoppt werden muß. Das sind die Vorschläge, die aus diesen Seminaren hervorgehen: daß wir uns darauf einigen müssen, uns nicht gegenseitig zu zerstören, weder mit konventionellen noch mit Atomwaffen. Dies ist der Vorschlag, auf dem ich bestehe und weiter bestehen werde, weil er von äußerster Dringlichkeit ist. Wenn die Welt in eine nukleare Konfrontation gerät, ist es jenseits aller Vorstellungskraft, was für eine Schande das bedeuten würde. Jedes bisherige Problem würde seine Bedeutung verlieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Anmerkung

1. Die Mitschnitte der beiden vorangegangenen Konferenzen finden Sie unter:
https://schillerinstitute.com/blog/2022/10/06/ und
https://schillerinstitute.com/blog/2022/10/25/