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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Wernadskij und LaRouche – der Pfeil der ökonomischen Zeit

Von Jason Ross

Jason Ross ist Schatzmeister der LaRouche-Organisation und war Wissenschaftsberater von Lyndon LaRouche (1922-2019). In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 19. Juni sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem Englischen.)

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Ideen von Lyndon LaRouche und den Konzepten der Biosphäre und Noösphäre, wie sie von Wladimir Wernadskij, dem großen russischen Wissenschaftler ukrainischer Herkunft, entwickelt wurden. Diese Verbindung ist heute von großer Bedeutung, um dem malthusianischen Selbstmordkult der Grünen entgegenzuwirken und einen wirtschaftlichen Wachstumskurs einzuschlagen, der die Armut vollständig beseitigt und die Wirtschaftsleistung um eine Größenordnung steigert. Legen wir los.

Lyndon LaRouche sprach davon, daß die Quelle des Wertes in einer Wirtschaft nicht im Geld liegt, aber auch nicht in der materiellen Produktion an sich. Die Quelle des wirtschaftlichen Wertes ist die Fähigkeit der Menschen, universelle Prinzipien zu entdecken und diese Entdeckungen in der Gesellschaft umzusetzen, um unsere Macht über die Natur zu steigern.

Man mißt dies – wenn wir Tiere wären – als Zunahme der sogenannten „Tragfähigkeit“, besser sollte man es als die „potentielle Bevölkerungsdichte“ der menschlichen Gattung beschreiben. Man kann sie auch als Erhöhung der Dichte der Energieanwendung in der menschlichen Wirtschaft messen, was LaRouche „Energieflußdichte“ nennt. Diese spezifisch menschlichen schöpferischen Fähigkeiten sind die Grundlage des wirtschaftlichen Fortschritts und sagen etwas über die Organisation des Universums aus.

Um das deutlicher zu machen, möchte ich Wernadskijs Unterscheidung zwischen den drei Phasenräumen heranziehen: dem unbelebten, dem biologischen und dem kognitiven. Diese Phasenräume haben alle ihre eigenen Prinzipien. Die Biosphäre ist nicht nur die lebende Materie an sich; sie erstreckt sich bis in die Erdkruste und bis an die Grenzen der Atmosphäre, indem Lebensprozesse auf die chemische Zusammensetzung der Lithosphäre einwirken. Die Noösphäre umfaßt die menschliche Gattung und unsere Umgestaltung der Erde und darüber hinaus. Die Biologie hat einen immer stärkeren Einfluß auf die Lithosphäre, und die menschliche Erkenntnis hat sich immer weiter entwickelt, um einen immer stärkeren Einfluß auszuüben.

Es herrscht jedoch ein quasi-religiöser Glaube, daß die Biologie nichts anderes als Physik sein müsse und daß menschliche Erkenntnis im Prinzip ein biologischer Prozeß sei. Aber dieser Reduktionismus funktioniert nicht. Musik wird durch Noten vermittelt, ist aber nicht in ihnen enthalten. Ideen werden mit Worten vermittelt, sind aber nicht nur die Worte an sich. Der Prozeß der Entdeckung ist untrennbar mit Wissen verbunden. Die Biologie folgt den Gesetzen der Physik, wird aber nicht vollständig durch sie erklärt. Erkenntnis findet in einem biologischen Substrat statt und wird von der Biologie beeinflußt, ist aber nicht nur biologisch.

Um die Unterschiede zwischen diesen Phasenräumen und die Einzigartigkeit des menschlichen Phasenraums besser zu verstehen, wollen wir uns auf ein bestimmtes Beispiel konzentrieren – den Zeitpfeil. Warum fließt die Zeit nur in eine Richtung und nicht in die andere?

Beginnen wir mit einem ähnlichen Beispiel aus der Geometrie: dem Unterschied zwischen links und rechts. In der euklidischen Geometrie gibt es keinen direkt feststellbaren Unterschied zwischen links und rechts; sie sind einfach Gegensätze. Man kann links nicht rein geometrisch definieren, d.h. ohne sich darauf zu beziehen, auf welcher Seite des Körpers sich z.B. das Herz befindet. Wenn man sich nur an die Geometrie hält, sind es nur Gegensätze.

Im biologischen Raum gibt es jedoch viele Moleküle, die spiegelbildlich zueinander existieren, sogenannte Enantiomere. Das sind Stereo-Isomere. Aminosäuren – mit einer Ausnahme – liegen zum Beispiel in einer dieser chiralen Formen vor, aber nicht in der anderen. Biologische Prozesse unterscheiden zwischen links- und rechtshändigen Molekülen, auch wenn die Geometrie dies nicht kann und auch wenn abiotische chemische Prozesse keine Unterscheidung aufweisen. Hier unterscheiden sich links und rechts sehr wohl im biologischen Sinne.

Zeit in der abiotischen Welt

Betrachten wir nun die Vergangenheit und die Zukunft, beginnend in der abiotischen Welt. In der abiotischen Welt machen unsere dynamischen physikalischen Gesetze keinen Unterschied in der Richtung der Zeit. Die Zeit vergeht, aber die Formeln funktionieren genau gleich, wenn sie sich in die Zukunft oder in die Vergangenheit bewegen. Wenn Sie einen Differentialausdruck für die Entwicklung eines physikalischen Systems haben, spielt es dann eine Rolle, ob dT, die Richtung der Zeit, positiv oder negativ ist? Wir können unsere Projektionen vorwärts oder rückwärts laufen lassen.

Aber es gibt thermodynamische Gesetze der Physik, die eine Zeitrichtung haben. Diese Zeit hängt mit der sogenannten Entropie zusammen, einem Maß für die Menge an Energie, die keine Arbeit verrichten kann, einem Maß für die Unordnung. Sie beziehen sich auf den Wärmefluß von höheren zu niedrigeren Temperaturen.

Nehmen wir ein Beispiel. Wenn ich ein Video von Planeten, die einen anderen Stern umkreisen, rückwärts abspielen würde, wüßten Sie nicht, ob das Video vorwärts oder rückwärts läuft; Sie wüßten nicht, daß es rückwärts läuft. Wenn ich Ihnen aber rückwärts ein Video von einem Eiswürfel zeige, der in einer Tasse Tee schmilzt, dann wüßten Sie, daß das Video rückwärts läuft. Eine Tasse Tee wird nicht heißer, während sich spontan ein Eiswürfel bildet.

Kurz gesagt, nach diesen thermodynamischen, entropischen Gesetzen verläuft die Richtung hin zu Zuständen, die mehrere Seinsmöglichkeiten haben. Es gibt mehr Möglichkeiten, eine warme Tasse Tee zu bekommen als eine heiße Tasse mit Eiswürfeln. Es gibt mehr Möglichkeiten, die Luft in einem Raum zu verteilen, als sie in einer Flasche in einer Ecke des Raumes zu kondensieren. Wenn man den Verschluß öffnet, kommt Luft heraus, sie würde aber nicht wieder in die Flasche zurückströmen. Das ist die Richtung der Zeit im Abiotischen, sehr kurz gefaßt.

Zeit in der biologischen Welt

In der Biologie gibt es verschiedene Arten von Zeit. Es gibt die Stoffwechselzeit – man denke dabei in Stunden: Sie essen Nahrung, Sie bewegen Ihren Körper, Sie scheiden Abfallstoffe aus, Sie atmen Sauerstoff ein und CO2 aus.

Dann gibt es die Generationszeit, also die Zeit der Fortpflanzung, und es gibt die Evolutionszeit, bei der man in Dutzenden von Millionen Jahren denkt. Die Richtung ist klar. Ein Beispiel: In der Generationszeit können sich Bäume in einer Landschaft bewegen, auch wenn sich ein einzelner Baum während der Stoffwechselzeit nicht fortbewegt. Aber wenn er sich fortpflanzt, breitet er sich aus.

Im Laufe der Evolution verändert sich das Leben nicht nur; es wird nicht nur anders. Es entwickelt sich weiter. Das läßt sich zum Beispiel an der Anzahl der vom Leben verwendeten Elemente messen. Das läßt sich am Material- und Energiefluß messen. Die Energieflußdichte des Lebens nimmt zu.

Beispielsweise verbrauchen Säugetiere pro Körpermasse und insbesondere pro Generationszeit mehr Energie als Reptilien. Außerdem laufen in Säugetieren spezialisiertere biologische Prozesse ab, weil sie eine kontrollierte Körpertemperatur haben. Wir sind Warmblüter, im Gegensatz zu Reptilien, deren Temperatur viel stärker schwankt.

Ein weiteres biologisches Beispiel im Laufe der Evolution – ein Prozeß, der Cephalisation genannt wird, was eigentlich nur die Bildung des Kopfes bedeutet – hat dazu geführt, daß Nervenprozesse an einem Ort konzentriert wurden. Wir haben Sinnesorgane, wir haben ein Gehirn, usw. Diese Fortschritte – das sind nur einige Beispiele – haben es dem Leben insgesamt ermöglicht, einen immer stärkeren Einfluß auf die Chemie unseres Planeten auszuüben.

Betrachtet man den Pfeil der evolutionären Zeit, so zeigt sich, daß die Tendenz nicht wie im Unbelebten zu Zuständen größerer Wahrscheinlichkeit, sondern zu Zuständen absoluter Unmöglichkeit geht. Das ist das Gegenteil von Entropie.

In der Biologie verläuft der Zeitpfeil in eine andere Richtung. Die Evolution hat das Leben also zu neuen, nennen wir sie biologische Technologien, geführt. Man nimmt an, daß sogenannte Chemotrophen, die sich von Schwefel aus heißen Schloten im Meeresboden ernähren, also sehr frühes Leben, schon seit geraumer Zeit existieren. Diese Lebewesen können keine Photosynthese betreiben; sie brauchen kein Licht. Aber jetzt, nach dem Aufkommen der Photosynthese, entsteht eine Atmosphäre, die zu einem Fünftel aus Sauerstoff besteht. Die Entwicklung der Photosynthese durch das Leben geht nicht in die Richtung einer größeren Wahrscheinlichkeit dieser Tiefsee-Chemotrophen, sondern ist die Schaffung einer neuen Technologie, einer neuen Art der Energiegewinnung, die für die vorherige Lebensebene, die vorherige Plattform, unmöglich war. Mit der Photosynthese stieg die potentielle Bevölkerungsdichte des Lebens auf dem Planeten sprunghaft an.

Im Leben sind Vergangenheit und Zukunft nicht nur Gegensätze, wie links und rechts im euklidischen Raum oder ein positives oder negatives dT in dynamischen Prozessen und der dynamischen Physik. Im Leben erreicht die Zukunft Zustände, die die Vergangenheit nie erreichen konnte.

Zeit in der kognitiven Welt

Wenden wir dies auf die kognitive Zeit an. Denken wir einmal über den Unterschied zwischen unserer Erfahrung von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart nach. Können Sie sich an die Zukunft erinnern? Können Sie die Vergangenheit verändern? Was ist in Ihrer Erfahrung das Jetzt? Haben Steine ein Jetzt? Wenn es keine Menschen gäbe, die unseren freien Willen zum Ausdruck bringen, wie würde sich dann ein „damals“ in der Physik vom „jetzt“ unterscheiden? Wodurch unterscheidet sich dieser Moment von einem anderen? Kennt ein Stein den Unterschied zwischen jetzt und vor zehn Minuten? Ein neuer Aspekt der Zeit in diesem Phasenraum.

Ein paar weitere Parallelen. Das Leben ist zunehmend unabhängig von seiner Umgebung geworden. Das Leben hat seine Umgebung – die Biosphäre – zunehmend geformt. Durch die von uns geschaffenen Infrastrukturplattformen entstehen neue künstliche Umgebungen.

So hat Lyndon LaRouche die wirtschaftliche Infrastruktur gesehen: nicht als eine Ansammlung von Schienen, Straßen oder Stromleitungen, sondern als ein Ganzes, das ein bestimmtes Maß an technologischem Verständnis und sozialer Orientierung bei der Umsetzung verkörpert.

Eine wirtschaftliche Plattform verändert den physischen Wirtschaftsraum, in dem sich neue wirtschaftliche Prozesse entfalten. Ein Unterschied zwischen uns und dem Leben im Laufe der Evolution besteht darin, daß wir, im Gegensatz zu allem anderen Leben, diese seismischen Verschiebungen, diese epochalen Veränderungen augenblicklich hervorrufen, im Handumdrehen, sobald eine grundlegende Entdeckung gemacht oder mitgeteilt wird. Wir verkörpern in unserem Geist einen Prozeß, für den die bloße Biosphäre Millionen von Jahren braucht, und wir sind mit einem „Jetzt“ ausgestattet, das es uns ermöglicht, die Zukunft und auch die Vergangenheit willentlich zu verändern, indem wir ihr einen Sinn abgewinnen. Dieser Prozeß der Veränderung ist die eigentliche Substanz des Universums. Wir gehen von dem aus, was wir in unseren Erkenntnissen wahrnehmen, nicht vom Unbelebten.

Wenn wir also unsere wirtschaftlichen Fähigkeiten verbessern, indem wir unsere Macht über die Natur vergrößern, verbrauchen wir mehr Energie, mehr Ressourcen pro Person, und das ist gut. Wir schaffen auch mehr Ressourcen pro Person; wir schaffen Energie. Die Gesetze der Thermodynamik gelten nicht für die menschliche Wirtschaft als Ganzes.

Die grüne Malthusianer-Sekte glaubt an eine entropische Welt, in der fixe Ressourcen verbraucht werden. Sie sagen, daß Fortschritt und Entwicklung gestoppt werden müssen. Aber das ist unnatürlich! Das widerspricht der Entwicklung des Pfeils der evolutionären Zeit und der kognitiven Zeit.

Ich schließe: Als einzige bekannte Form kognitiven Lebens in diesem Universum haben wir die Aufgabe, den Entwicklungsprozeß, der durch das abiotische Universum, die Entstehung des Sonnensystems und dann die Entwicklung der Biosphäre eingeleitet wurde, zu erweitern. Wir haben die Pflicht, eine wohlhabendere, freudvollere, schönere und von Sinn erfüllte menschliche Gesellschaft zu schaffen.

Solche Anstrengungen werden der Vergangenheit und der Zukunft des Lebens von Lyndon LaRouche und Wladimir Wernadskij unter den Milliarden Menschen, die gelebt haben und noch geboren werden, ein gewisses Maß an Gerechtigkeit bringen. Antientropie, Wachstum, ist unsere Aufgabe als menschliche Gattung. Ich danke Ihnen.