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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Kultur ist der Schlüssel zum Frieden

Von Maurizio Abbate

Maurizio Abbate ist Vorsitzender des Nationalen Instituts für kulturelle Aktivitäten (ENAC) in Italien.

Liebe Freunde und Kollegen aus aller Welt,

Wir sind heute hier versammelt, um mit aller Kraft nach nützlichen Ideen und Lösungen zu suchen, um den schrecklichen bewaffneten Konflikt zu lösen, der seit fast anderthalb Jahren auf dem alten Kontinent wütet. Ein Bruderkrieg, der Tod und Zerstörung unter der Zivilbevölkerung in den direkt betroffenen Gebieten mit sich bringt, sowie eine sehr ernste Wirtschafts- und Finanzkrise in der übrigen Welt, zurückzuführen auf ein System der Spekulation, das von den multinationalen Nahrungsmittel- und Energiekonzernen mit beispielloser Bosheit betrieben wird – Konzerne, die oft von denselben Herren kontrolliert werden.

Wir wissen sehr wohl, daß Riesen wie Vanguard und BlackRock über Monsanto, Cargill und Dupont einen Großteil der Aktien multinationaler Agrarunternehmen halten. Diese besitzen heute in der Ukraine etwa 19 Millionen Hektar Land, die für intensive Landwirtschaft genutzt werden, das entspricht 60 Prozent der ukrainischen Agrarfläche. Ebenso sind 100 Prozent der ukrainischen Bergwerke heute im Besitz multinationaler Konzerne.

Die Frage, warum in diesem Teil Europas ein Krieg ausgebrochen ist, erscheint daher überflüssig, wenn man von diesen einfachen Zahlen ausgeht.

Es kommt also nicht darauf an, die Ursachen des Konflikts zu analysieren, sondern zu verstehen, wie es möglich war, daß die amerikanische und europäische Öffentlichkeit, die dank ihrer Friedensbewegungen immer wachsam für das Problem des Friedens war, von dem Geschehen heute wie gelähmt ist.

„Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.“ Das waren die Slogans, die auf der Fassade des Wahrheitsministeriums in George Orwells berühmtem Roman (1984) eingraviert waren. In diesem Jahr hat die Europäische Union in geradezu grotesker Weise einen „Friedensfonds“ geschaffen, mit dem fast acht Milliarden Euro für den Kauf von Waffen bereitgestellt werden. Wir kaufen Waffen, um „Konflikte zu verhindern und Frieden zu schaffen“, steht an prominenter Stelle auf der Webseite des Europäischen Rats. Fast eine Parallele zum Orwellschen Wahrheitsministerium.

Wenn eine Institution wie die EU die Grundlage der Freiheiten, nämlich die Wahrheit, ins Gegenteil verkehren kann, indem sie die Lieferung von Waffen, Werkzeugen zum Töten, als nützliche „Werkzeuge zur Friedensschaffung“ bezeichnet, dann ist der kulturelle und moralische Verfall der Institutionen wie auch der Medien, die solche Lügen aufdecken müßten, offensichtlich.

Was ich bereits über die Konzentration der Nahrungsmittel- und Energieerzeugung in den Händen weniger Mächtiger gesagt habe, gilt leider auch für die politischen Institutionen, die Medien und die Verantwortlichen im Bildungswesen.

Die Kultur, die sich nach den Lehren von Sokrates und Platon mit der Entwicklung von Gedanken befassen soll und Gesellschaftsmodelle aufzeigen soll, die zur Erreichung edlerer Ziele wie Gemeinwohl und Solidarität zwischen den Völkern aufzubauen sind, wird ständig zu einer Art unwichtiger Mode degradiert. Gleichzeitig werden diese Grundsätze den Interessen weniger Wirtschaftsmächte untergeordnet, die die heutige Gesellschaft zu einem riesigen Markt der Unsicherheit gemacht haben, auf dem man alles kaufen und verkaufen kann - sogar das Recht auf Leben.

Es ist eine Gesellschaft, worin der soziale Zusammenhalt nach und nach zerstört wird, und der ständig angebliche Notstände wie Klima, Gesundheit und Finanzen aufgedrängt werden, die die nationalen Entscheidungen in Landwirtschaft, Handwerk, Industrie und Gesellschaft verändern können.

Deshalb ist es an der Zeit, diese durch die Globalisierung von Wirtschaft und Kultur verursachte neobarbarische Entwicklung zu stoppen. Es muß eine neue soziale und kulturelle Renaissance eingeleitet werden.

Ein neues Paradigma: Der Mensch im Mittelpunkt

Dazu brauchen wir für unsere westlichen Gemeinwesen dringend ein neues Paradigma, welches das Prinzip der Wirtschaft als Zentrum der Gesellschaft endgültig aufgibt und den Menschen in seiner materiellen und geistigen Komplexität wieder in den Mittelpunkt stellt. Die Politik muß ein harmonisches System neu definieren, in dem jeder Mann und jede Frau auf synergetische und organische Weise seine bzw. ihre Rolle spielt. Eine Gesellschaft, in der die Menschen danach beurteilt und geschätzt werden, wer sie sind, nach den Werten, die sie zum Ausdruck bringen und erfolgreich verkörpern, und nicht nach dem, was sie besitzen.

Nur so können die einzelnen Nationen – frei, unabhängig, selbstbestimmt und mit ihren jeweiligen Besonderheiten – wieder Gemeinschaften werden und zum globalen Wachstum der ganzen Menschheit beitragen.

Die durch jahrhundertelange Geschichte und unterschiedliche Kulturen entstandenen Unterschiede und Besonderheiten der Völker müssen zur treibenden Kraft werden, um einen konstruktiven Dialog für ein friedliches Zusammenleben zu schaffen. Einen Dialog, der zu einer gerechten Verteilung der Ressourcen des Planeten führt, auf dem wir alle leben, die oft Ursache für bewaffnete Auseinandersetzungen und beispiellose Gewalt sind, weil der kriminelle Wunsch besteht, sie in den Händen weniger zu konzentrieren.

Bei der Entwicklung dieser These und dem Versuch, alle einzubeziehen, die ihre Ziele teilen, müssen jedoch starke und überzeugende Signale ausgesandt werden. Man muß der Welt klar machen, daß sehr viele freie Menschen sich nicht nur den willkürlichen, selbstherrlichen Entscheidungen der globalistischen Eliten nicht beugen wollen, sondern bereit sind für einen globalen Wechsel des Paradigmas, das bisher von denen aufgezwungen wurde, die sich für die absoluten Herren halten.

Angesichts des bevorstehenden Frontalangriffs der Inhaber der wichtigsten globalen Medien brauchen wir eine Vernetzung. Wir müssen so viele Veranstaltungen wie möglich organisieren und jeden möglichen Fernseh-, Internet- oder Radiokanal nutzen, um die Botschaft zu verbreiten.

Auch die Einladung ausländischer Gäste zu lokalen Veranstaltungen muß zur Gewohnheit werden, um das Mantra zu widerlegen, daß nur die Globalisierung Freiheit, Pluralismus und Demokratie garantieren kann.

ENAC, das Nationale Institut für kulturelle Aktivitäten in Italien, das ich mit Stolz vertrete, organisiert in Italien eine Konferenz mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen Syrien und Italien wiederherzustellen. Wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen, die aus rein politischen Interessen unterbrochen wurden und auch nach dem dramatischen Erdbeben, das in der Türkei und in Syrien Tausende von zivilen Opfern gefordert hat, nicht wieder aufgenommen wurden.

Auf dieser Konferenz, zu der wir jeden Anwesenden, der teilnehmen möchte, gerne begrüßen, wollen wir eine klare und unmißverständliche Botschaft senden. Während der Liberalismus von Frieden und Demokratie spricht und dabei Kriege und Mauern schafft, antworten wir mit der Kraft der Kultur, die als einzige in der Lage ist, individuelle Unterschiede zu garantieren und zu respektieren, und gleichzeitig daran zu arbeiten, eine Brücke der Freundschaft, Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu bauen.