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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Weltfrieden auf der Grundlage gemeinsamer Ethik und Werte

Von Liz Augustat

Liz Augustat von der Organisation Frieden durch Kultur e.V. hielt in der Straßburger Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag.

Die Gesellschaft Frieden durch Kultur Europa baut Brücken zwischen Ethnien, Ländern, Religionen, Traditionen und unterschiedlichen Weltanschauungen. Wir haben in den letzten 30 Jahren zahlreiche Konferenzen in Kasachstan und anderen eurasischen Ländern organisiert und sehen uns primär als Inspirator und Ideengeber.

Im Rückblick auf unseren Weltkongreß „Auf dem Weg zur geistigen Gemeinsamkeit“ in Alma Ata mit mehr als 1500 Teilnehmern, der vom damaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew I. maßgeblich unterstützt wurde, denke ich auch gerne an Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Peter Dürr. Der weltweit bekannte deutsche Physiker, Direktor des renommierten Max Planck Instituts für Physik und Träger des Alternativen Nobelpreises, hat uns regelmäßig mit seiner Teilnahme und seinen Erkenntnissen bereichert. Seine Gedanken finden auch in meinem Beitrag ihren Niederschlag.

Quantenphysiker wollen wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. So fragte sich auch Prof. Dürr, was eigentlich hinter der Materie steckt. Er spaltete sie in immer kleinere Teile in der Hoffnung, irgendwann auf das Wesentliche zu stoßen. Doch nach 50 Jahren Forschung kam er zu dem verblüffenden Ergebnis: Das Wesentliche liegt nicht in der Materie, sondern diese gibt es eigentlich gar nicht in der bisher gedachten Form. Was wir für Materie halten, ist in Wirklichkeit Schwingung und Energie, eine Beziehungsstruktur.

Die Realität sieht ganz anders aus, als wir sie uns vorgestellt haben. In moderner Sprache ausgedrückt steht am Anfang keine physikalische Materie/Hardware, sondern nur Idee und Software.

In anderen Worten und mit Hilfe der Logik folgt daraus die Erkenntnis, daß das sogenannte „Grobstoffliche“ und sogenannte „Feinstoffliche“ zwei Seiten einer Medaille sind, eine untrennbare Einheit von „Geist“ und „Materie“. Diese bisher dem Bereich der Spiritualität zugeordnete Aussage wird durch die Quantenphysik nun schrittweise wissenschaftlich untermauert und dürfte in Zukunft in alle gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlen.

Die Welt ist das Eine und Ganze, das man nicht zerlegen kann. Das hat phantastische Konsequenzen, denn wenn wir uns selbst in diese Welt mit einbeziehen, sind wir zwar unterscheidbar, aber nicht getrennt. Wir befinden uns alle in dieser Gemeinsamkeit, in dieser Verbundenheit. Im Sanskrit nennt man das „Advaita“, A-Dualität.

Wenn Menschen Kriege führen gegeneinander, dann verletzen sie sich gleichzeitig selbst, da alle Lebewesen Teile dieser Einheit sind. Wenn etwas in der Welt leidet, dann leiden wir mit, auch wenn wir den Grund dafür nicht kennen. Das ist keine Sentimentalität, sondern ein tiefes ontologisches Gefühl, das an unsere gemeinsamen Wurzeln rührt, und die uns innewohnende Sehnsucht nach Harmonie.

Trotz Bewahrung unserer Individualität sind wir gleichzeitig Teil einer höheren Einheit, nämlich der gesamten Menschheit.

Auch die aktuelle Realität zeigt immer wieder die Kollektivhaftung, in der die Menschheit gefangen ist – „El Niño“, radioaktive Strahlung aufgrund von Atomwaffentests oder der gigantische Emissionsausstoß der Industrie in die Luft und die Ozeane, diese Auswirkungen machen weder vor Landesgrenzen noch vor Berggipfeln oder den Tiefen der Meere Halt.

Weltweite Zusammenarbeit, individuelle ethische Verantwortung, Wohlwollen und gegenseitiges Verständnis der Kulturen und Traditionen zwischen den Völkern werden notwendig sein, um die nächste Stufe zu erklimmen – den Weltfrieden.

Die Hoffnung, die Vereinten Nationen könnten die Welt durch gemeinsames politisches Handeln vereinen, wurde bisher leider nur ansatzweise und in einzelnen Ressorts erfüllt. Können wir auf dem Gebiet der internationalen, interkulturellen und interreligiösen Verständigung etwas Ähnliches schaffen und wirksame Ergebnisse erzielen?

Mein verstorbener Vater, Willy Augustat, hat schon vor vielen Jahren das Konzept eines Internationalen Welt-Ethik-Kongresses vorgestellt, aus dem langfristig ein Welt-Ethikrat hervorgehen könnte. Eine solche Institution würde sicherstellen, daß universelle ethische Anforderungen und entsprechende Parameter bei allen wichtigen Entscheidungen auf allen Ebenen optimal berücksichtigt werden können.

Zwar wird nicht in allen Sprachen zwischen den Begriffen Ethik und Moral unterschieden; wir können jedoch feststellen, daß „Moral“ ein Begriff ist, der innerhalb einer Gesellschaft von lokaler oder vorübergehender Bedeutung ist (was zu tun oder zu lassen ist, im Sinne von Sitten und Gebräuchen, was früher erlaubt und akzeptiert war, ist heute nicht mehr gültig und umgekehrt!) Die jeweils aktuelle Moral ist Teil der Erziehung und der gesetzlichen Regelungen innerhalb eines Landes oder einer Gruppe. Das ethische Fundament hingegen ist bereits von Beginn an Teil des Menschen – es ist dem höheren Selbst sozusagen immanent!

Wenn wir nach universellen Prinzipien suchen, finden wir sie in allen großen Weltreligionen, die viele ethische Grundanforderungen an das Bewußtsein und den Charakter des Einzelnen gemeinsam haben.

Ethische Räte auf weltweiter Basis könnten sich aus unparteiischen Vertretern der Akademien der Geistes- und Sozialwissenschaften, Künstlern, Wissenschaftlern im Allgemeinen und Religionsvertretern zusammensetzen; alle Weltreligionen werden in ihrem ursprünglichen Sinn anerkannt und die Ethik als gemeinsame Grundlage aller Kulturen und Religionen vertreten. Jeder Kandidat wird aufgrund seines Wissens und seiner Autorität auf einem bestimmten Gebiet sowie aufgrund des Ansehens und des Vertrauens, das er in seiner eigenen oder in verwandten Kulturen genießt, ausgewählt.

In diesem konzeptionellen Rahmen entsenden die nationalen Ethikräte Vertreter in den Weltethikrat, der auf Augenhöhe mit den Vereinten Nationen agiert. Alle Maßnahmen werden nur mit Zustimmung beider Gremien beschlossen, so daß ethische Standards bei jeder politischen und bei anderen weitreichenden Entscheidungen berücksichtigt werden. Ein Vetorecht – wie heute innerhalb der Vereinten Nationen – gibt es nicht, sondern maximal auf Seiten des Ethikrates.

In einer zukünftigen Weltgemeinschaft muß der Vorteil des einen auch zum Vorteil aller anderen gereichen. Alle Kulturen weltweit sollten ihre kulturellen Grundlagen behalten und so in die angestrebte übergreifende Weltfriedenskultur einbezogen werden. Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit, universelle ethische Prinzipien wie Gerechtigkeit – Gewaltlosigkeit – Gleichheit – Freiheit – gegenseitiger Respekt – Gemeinschaft und Nächstenliebe sind die Werte von heute.

Der Startschuß könnte im Rahmen eines Welt-Ethik-Kongresses erfolgen, bei dem die Teilnehmer geeignete Kandidaten bestimmen und wählen.

Lassen Sie uns diese Idee gemeinsam weiterentwickeln, auf die nächste Stufe der praktischen Umsetzung bringen!!

Wir sind heute hier, weil wir wissen, daß es für uns keinen anderen Weg mehr gibt, als kompromißlos und mit aller Kraft den Frieden anzustreben, wenn das Leben auf der Erde weitergehen soll. Wir alle sind uns bewußt, daß die Zeit reif ist für ein neues Paradigma, einen tiefgreifenden Bewußtseinswandel. Zurückgehend auf Plato und andere Philosophen müssen wir wieder das kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung berücksichtigen, das gleichzeitig die Selbstverantwortung eines jeden Menschen impliziert.

Fritjof Capra, Physiker und Zukunftsforscher, vergleicht diesen Ansatz mit einem globalen Immunsystem, das zum Schutz unserer Erde aktiv wird, einer kollektiven und fast instinktiven Reaktion der Menschheit auf die akute Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen. Dieses Immunsystem besteht aus vielen Menschen und Gruppen in allen Völkern, die unermüdlich an allen Orten unseres Globus tätig sind, um die schädlichen Einflüsse, die unser Leben überall bedrohen, zu neutralisieren und zu regenerieren.

Ich bin sehr froh, daß das Schiller-Institut ein starkes Netzwerk solcher Immunreaktionen für eine friedliche Zukunft bietet!

Und lassen Sie mich mit den Worten meines Vaters schließen:

    „Weltfrieden kann nur auf einem höheren kulturellen Bewußtsein sowie Verantwortung für notwendiges Handeln aufbauen!“

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!