Weltfrieden auf der Grundlage gemeinsamer Ethik und Werte
Von Liz Augustat
Liz Augustat von der Organisation Frieden durch Kultur e.V.
hielt in der Straßburger Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden
Vortrag.
Die Gesellschaft Frieden durch Kultur Europa baut Brücken zwischen
Ethnien, Ländern, Religionen, Traditionen und unterschiedlichen
Weltanschauungen. Wir haben in den letzten 30 Jahren zahlreiche Konferenzen in
Kasachstan und anderen eurasischen Ländern organisiert und sehen uns primär
als Inspirator und Ideengeber.
Im Rückblick auf unseren Weltkongreß „Auf dem Weg zur geistigen
Gemeinsamkeit“ in Alma Ata mit mehr als 1500 Teilnehmern, der vom damaligen
Präsidenten Nursultan Nasarbajew I. maßgeblich unterstützt wurde, denke ich
auch gerne an Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Peter Dürr. Der weltweit bekannte
deutsche Physiker, Direktor des renommierten Max Planck Instituts für Physik
und Träger des Alternativen Nobelpreises, hat uns regelmäßig mit seiner
Teilnahme und seinen Erkenntnissen bereichert. Seine Gedanken finden auch in
meinem Beitrag ihren Niederschlag.
Quantenphysiker wollen wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. So
fragte sich auch Prof. Dürr, was eigentlich hinter der Materie steckt. Er
spaltete sie in immer kleinere Teile in der Hoffnung, irgendwann auf das
Wesentliche zu stoßen. Doch nach 50 Jahren Forschung kam er zu dem
verblüffenden Ergebnis: Das Wesentliche liegt nicht in der Materie, sondern
diese gibt es eigentlich gar nicht in der bisher gedachten Form. Was wir für
Materie halten, ist in Wirklichkeit Schwingung und Energie, eine
Beziehungsstruktur.
Die Realität sieht ganz anders aus, als wir sie uns vorgestellt haben. In
moderner Sprache ausgedrückt steht am Anfang keine physikalische
Materie/Hardware, sondern nur Idee und Software.
In anderen Worten und mit Hilfe der Logik folgt daraus die Erkenntnis, daß
das sogenannte „Grobstoffliche“ und sogenannte „Feinstoffliche“ zwei Seiten
einer Medaille sind, eine untrennbare Einheit von „Geist“ und „Materie“. Diese
bisher dem Bereich der Spiritualität zugeordnete Aussage wird durch die
Quantenphysik nun schrittweise wissenschaftlich untermauert und dürfte in
Zukunft in alle gesellschaftlichen Bereiche ausstrahlen.
Die Welt ist das Eine und Ganze, das man nicht zerlegen kann. Das
hat phantastische Konsequenzen, denn wenn wir uns selbst in diese Welt mit
einbeziehen, sind wir zwar unterscheidbar, aber nicht getrennt. Wir befinden
uns alle in dieser Gemeinsamkeit, in dieser Verbundenheit. Im Sanskrit
nennt man das „Advaita“, A-Dualität.
Wenn Menschen Kriege führen gegeneinander, dann verletzen sie sich
gleichzeitig selbst, da alle Lebewesen Teile dieser Einheit sind. Wenn
etwas in der Welt leidet, dann leiden wir mit, auch wenn wir den Grund dafür
nicht kennen. Das ist keine Sentimentalität, sondern ein tiefes ontologisches
Gefühl, das an unsere gemeinsamen Wurzeln rührt, und die uns innewohnende
Sehnsucht nach Harmonie.
Trotz Bewahrung unserer Individualität sind wir gleichzeitig Teil einer
höheren Einheit, nämlich der gesamten Menschheit.
Auch die aktuelle Realität zeigt immer wieder die Kollektivhaftung, in der
die Menschheit gefangen ist – „El Niño“, radioaktive Strahlung aufgrund von
Atomwaffentests oder der gigantische Emissionsausstoß der Industrie in die
Luft und die Ozeane, diese Auswirkungen machen weder vor Landesgrenzen noch
vor Berggipfeln oder den Tiefen der Meere Halt.
Weltweite Zusammenarbeit, individuelle ethische Verantwortung, Wohlwollen
und gegenseitiges Verständnis der Kulturen und Traditionen zwischen den
Völkern werden notwendig sein, um die nächste Stufe zu erklimmen – den
Weltfrieden.
Die Hoffnung, die Vereinten Nationen könnten die Welt durch gemeinsames
politisches Handeln vereinen, wurde bisher leider nur ansatzweise und in
einzelnen Ressorts erfüllt. Können wir auf dem Gebiet der internationalen,
interkulturellen und interreligiösen Verständigung etwas Ähnliches schaffen
und wirksame Ergebnisse erzielen?
Mein verstorbener Vater, Willy Augustat, hat schon vor vielen Jahren das
Konzept eines Internationalen Welt-Ethik-Kongresses vorgestellt, aus
dem langfristig ein Welt-Ethikrat hervorgehen könnte. Eine solche
Institution würde sicherstellen, daß universelle ethische Anforderungen und
entsprechende Parameter bei allen wichtigen Entscheidungen auf allen Ebenen
optimal berücksichtigt werden können.
Zwar wird nicht in allen Sprachen zwischen den Begriffen Ethik und Moral
unterschieden; wir können jedoch feststellen, daß „Moral“ ein Begriff ist, der
innerhalb einer Gesellschaft von lokaler oder vorübergehender Bedeutung ist
(was zu tun oder zu lassen ist, im Sinne von Sitten und Gebräuchen, was früher
erlaubt und akzeptiert war, ist heute nicht mehr gültig und umgekehrt!) Die
jeweils aktuelle Moral ist Teil der Erziehung und der gesetzlichen Regelungen
innerhalb eines Landes oder einer Gruppe. Das ethische Fundament
hingegen ist bereits von Beginn an Teil des Menschen – es ist dem höheren
Selbst sozusagen immanent!
Wenn wir nach universellen Prinzipien suchen, finden wir sie in allen
großen Weltreligionen, die viele ethische Grundanforderungen an das Bewußtsein
und den Charakter des Einzelnen gemeinsam haben.
Ethische Räte auf weltweiter Basis könnten sich aus unparteiischen
Vertretern der Akademien der Geistes- und Sozialwissenschaften, Künstlern,
Wissenschaftlern im Allgemeinen und Religionsvertretern zusammensetzen; alle
Weltreligionen werden in ihrem ursprünglichen Sinn anerkannt und die Ethik als
gemeinsame Grundlage aller Kulturen und Religionen vertreten. Jeder Kandidat
wird aufgrund seines Wissens und seiner Autorität auf einem bestimmten Gebiet
sowie aufgrund des Ansehens und des Vertrauens, das er in seiner eigenen oder
in verwandten Kulturen genießt, ausgewählt.
In diesem konzeptionellen Rahmen entsenden die nationalen Ethikräte
Vertreter in den Weltethikrat, der auf Augenhöhe mit den Vereinten Nationen
agiert. Alle Maßnahmen werden nur mit Zustimmung beider Gremien beschlossen,
so daß ethische Standards bei jeder politischen und bei anderen weitreichenden
Entscheidungen berücksichtigt werden. Ein Vetorecht – wie heute innerhalb der
Vereinten Nationen – gibt es nicht, sondern maximal auf Seiten des Ethikrates.
In einer zukünftigen Weltgemeinschaft muß der Vorteil des einen auch zum
Vorteil aller anderen gereichen. Alle Kulturen weltweit sollten ihre
kulturellen Grundlagen behalten und so in die angestrebte übergreifende
Weltfriedenskultur einbezogen werden. Einheit in der Vielfalt und
Vielfalt in der Einheit, universelle ethische Prinzipien wie Gerechtigkeit –
Gewaltlosigkeit – Gleichheit – Freiheit – gegenseitiger Respekt – Gemeinschaft
und Nächstenliebe sind die Werte von heute.
Der Startschuß könnte im Rahmen eines Welt-Ethik-Kongresses
erfolgen, bei dem die Teilnehmer geeignete Kandidaten bestimmen und
wählen.
Lassen Sie uns diese Idee gemeinsam weiterentwickeln, auf die nächste
Stufe der praktischen Umsetzung bringen!!
Wir sind heute hier, weil wir wissen, daß es für uns keinen anderen Weg
mehr gibt, als kompromißlos und mit aller Kraft den Frieden anzustreben, wenn
das Leben auf der Erde weitergehen soll. Wir alle sind uns bewußt, daß die
Zeit reif ist für ein neues Paradigma, einen tiefgreifenden Bewußtseinswandel.
Zurückgehend auf Plato und andere Philosophen müssen wir wieder das
kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung berücksichtigen, das gleichzeitig die
Selbstverantwortung eines jeden Menschen impliziert.
Fritjof Capra, Physiker und Zukunftsforscher, vergleicht diesen Ansatz mit
einem globalen Immunsystem, das zum Schutz unserer Erde aktiv wird,
einer kollektiven und fast instinktiven Reaktion der Menschheit auf die akute
Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen. Dieses Immunsystem besteht aus vielen
Menschen und Gruppen in allen Völkern, die unermüdlich an allen Orten unseres
Globus tätig sind, um die schädlichen Einflüsse, die unser Leben überall
bedrohen, zu neutralisieren und zu regenerieren.
Ich bin sehr froh, daß das Schiller-Institut ein starkes Netzwerk solcher
Immunreaktionen für eine friedliche Zukunft bietet!
Und lassen Sie mich mit den Worten meines Vaters schließen:
„Weltfrieden kann nur auf einem höheren kulturellen Bewußtsein
sowie Verantwortung für notwendiges Handeln aufbauen!“
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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