Was man auf kommunaler Ebene für den Frieden tun kann
Von Michel Cibot,
Bürgermeister für den Frieden, Frankreich
Das Schiller-Institut lädt uns ein, gemeinsam über ein komplexes Thema
nachzudenken: nämlich... „daß Frieden ohne die wirtschaftliche und soziale
Entwicklung aller Nationen nicht möglich ist“.
Das Ziel ist klar, aber wie kann man es erreichen? Das Thema ist nicht neu,
und es ist klar, daß die erhoffte Entwicklung, insbesondere durch die Ziele
der nachhaltigen Entwicklung, die von den Staaten im Rahmen der Vereinten
Nationen angestrebt werden, nicht ausreichend verbreitet ist. Es geht zu
langsam voran!
Es gibt viele Wege, die es zu erkunden gilt, um voranzukommen. Ich für
meinen Teil habe mich dem lokalen Bereich zugewandt. Ich habe 32 Jahre meines
Berufslebens in den Dienst der Gebietskörperschaften gestellt, und zwar als
Generaldirektor für Dienstleistungen. Zusammen mit einer Gruppe französischer
Städte habe ich die Gründung des französischen Zweigs des weltweiten Netzwerks
„Bürgermeister für den Frieden“ initiiert, das von den Städten Hiroshima und
Nagasaki durch deren Bürgermeister ins Leben gerufen und angeregt wurde.
Dieser französische Zweig besteht seit 1999 unter dem Akronym „AFCDRP“
(Association Française des Communes, Départements et Regions for Peace).
Außerdem habe ich mehrere Jahre lang an der Arbeit der französischen
UNESCO-Kommission teilgenommen, insbesondere am Dossier Frieden.
Das Leben hat mich auch mehrmals nach Japan geführt, wo ich das ungeheure
Ereignis der Vernichtung zweier Städte und ihrer Bevölkerung durch Atomwaffen
in wenigen Minuten nacherleben konnte. Ich spreche hier als „Hiroshima
Overseas Partner“.
Ende November 2019 besuchte Papst Franziskus Hiroshima und Nagasaki. Er
sagte, warum der Vatikan den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen
unterzeichnet hat. Ich teile seine Forderung nach einem Verbot von Atomwaffen
voll und ganz. Diese Waffen, die neu in der Geschichte der Menschheit sind,
haben die Besonderheit, die Erde zu verseuchen und zu verschmutzen und so die
Gegenwart und die Zukunft zu zerstören. Diese Frage der Atomwaffen ist in
diesen Tagen, in denen von neuen Bedrohungen an den Grenzen Europas und Asiens
die Rede ist, von wesentlicher Bedeutung.
Seit den Werken von Carl Sagan und Richard Turco wissen wir auch um die
Risiken eines nuklearen Winters, der durch eine Reihe von Atomexplosionen
ausgelöst wird und die Erde für menschliches Leben untauglich machen könnte.
Ist das nicht die ultimative Gewalt des Krieges?
Ich möchte die Aufmerksamkeit auf zwei Elemente lenken: Der Beitrag der
lokalen Institutionen und Initiativen zur Entwicklung der Nationen und ihre
internationale Rolle. Ich werde keine Rezepte geben. Ich schlage nur vor, daß
wir anfangen, über diese Themen zu diskutieren!
1. Territoriale Institutionen (Gemeinden, Departements, Regionen)
oder deren Äquivalente gibt es überall, und überall tragen sie, wenn ihr
Wirken nicht durch Kriege oder zu große Armut behindert wird, zum guten Leben
der menschlichen Gemeinschaften bei, wie z.B. die Gewinnung von Trinkwasser,
die Einrichtung von sanitären Anlagen und Elektrizität, der Bau von Schulen
für Kinder und die Organisation von Infrastrukturen für die Ernährung der
Bevölkerung. Diese territorialen Institutionen werden nicht immer geschätzt
oder sind gar nicht bekannt, doch ihre Leiter sind kompetente Menschen vor
Ort.
Im Jahr 2000 hat die UNESCO ein Manifest für eine Kultur des Friedens
veröffentlicht, das eine Reihe von pädagogischen Instrumenten zur Bereicherung
der Lehrpläne und zur Förderung lokaler Programme für eine Kultur des Friedens
(PLACP) enthält. Die Akteure dieser Einrichtungen kennen die Probleme und
finden Lösungen.
Die Geschichte zeigt, daß, wenn der Krieg alles zerstört, Männer und Frauen
vor Ort die Herausforderungen des täglichen Lebens annehmen, um den Menschen
zu helfen, sie zu ernähren und zu versorgen, auch wenn es keine Institutionen
mehr gibt.
In Hiroshima konnte ich einen der wenigen Ärzte treffen, die die
Atomexplosion und die Umweltzerstörung überlebt haben. Durch den allgemeinen
und sofortigen Zusammenbruch von allem beraubt und selbst der Radioaktivität
ausgesetzt, widmete er seine ganze Energie dem Versuch, die Verwundeten zu
retten, die Überlebenden zu versorgen und das Gesundheitssystem neu
aufzubauen. Er überlebte und kümmerte sich für den Rest seines Lebens um die
verstrahlten Patienten!
Das Netz der Gedenkstädte, das in Frankreich vor allem durch die Stadt
Dünkirchen angeregt wurde, kann uns Beispiele für die Rückkehr zum
öffentlichen Leben dank der Initiative der Bürger nach den Kriegszerstörungen
liefern.
2. Die internationale Dimension: Lokale Institutionen sind
auch in der Lage, sich auf der Ebene der fünf Kontinente zu organisieren. Dies
war nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Städtepartnerschaften und dem
Weltverband der Partnerstädte der Fall, aus dem Vereinigte Städte und die VSLG
(Vereinigte Städte und lokale Gebietskörperschaften) hervorgingen. Damals ging
es darum, die Bürgerbeziehungen durch Programme für Jugendbegegnungen, Kultur
und Tourismus zu vervielfachen.
Das Netzwerk „Bürgermeister für den Frieden“ konzentriert sich seinerseits
auf den Frieden und die nukleare Abrüstung durch eine bessere Kenntnis der
nuklearen Schäden, Bildungsinitiativen, die wichtige Erinnerungsarbeit, die
sich mit den Auswirkungen der Atomwaffen auf die Menschen beschäftigt,
einschließlich der Auswirkungen der Bedrohung selbst, der prä- und
posttraumatischen Probleme, des Unwohlseins, das durch diese Bedrohung
hervorgerufen wird und das wir heute „Öko-Angst“ nennen...
Mehr als 8.000 Gemeinden in 166 Ländern sind Teil dieses Netzwerks, wobei
sie sich je nach Ereignis und Land unterschiedlich stark engagieren. Ihr
bevorzugter Bereich ist zweifellos die humanitäre Hilfe, die Erste Hilfe, die
Aufnahme von Flüchtlingen usw.
In Frankreich schlägt die AFCDRP den Gemeinden vor, lokale Aktionsprogramme
für eine Kultur des Friedens zu erstellen, die auf ihrer täglichen Arbeit
basieren. Eine Animation mit japanischen Origami kann ein schönes Projekt
sein.
Ein europäischer Zweig dieses Netzwerks ist im Entstehen begriffen. Die
jüngsten Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftskrisen haben die Entwicklung
dieser Aktionen verzögert. Die Schließung der Grenzen erleichtert den
Austausch nicht. Zögern Sie nicht, diese Fragen mit Ihren lokalen
Mandatsträgern zu besprechen.
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