Planung für Integration, Zusammenarbeit und Wachstum mit den BRICS:
Fehler und Risiken
Von Julio Miguel de Vido
Julio de Vido war Bundesminister für Planung, öffentliche
Investitionen und Dienstleistungen (2003-2015) in Argentinien in den
Regierungen von Nestor und Cristina Kirchner.
Ich möchte meinen Vortrag mit dem Titel „Planung für Integration,
Zusammenarbeit und Wachstum mit den BRICS: Fehltritte und Risiken“ beginnen,
indem ich zunächst dem Schiller-Institut, Helga Zepp-LaRouche und Dennis Small
für die Ehre danke, zu dieser Konferenz eingeladen worden zu sein.
Ich habe mir einige Gedanken gemacht über das Arbeitspapier von Dennis
Small und Mary Jane Freeman mit dem Titel „Einige grundlegende Lehren von
Lyndon LaRouche für den Übergang zu einem neuen Weltfinanzsystem“.1
Hier ist mein Beitrag zu diesen Überlegungen.
Das Verschwinden des globalen Finanzsystems, wie wir es heute kennen, hängt
vom Erfolg der BRICS ab, die als Möglichkeit gedacht sind, eine Plattform für
die interkontinentale Integration von Volkswirtschaften zu schaffen, die
paradoxerweise als Vorteil große natürliche Ressourcenreserven und eine
entscheidende Rolle in der globalen Versorgungskette (Energie, Nahrungsmittel,
Wasser und Artenvielfalt) haben; und als Nachteil, daß sie real oder
potentiell sehr mächtige Volkswirtschaften zusammenbringen, aber sehr
ungleiche. Ein einfacher Blick auf die soziale Landschaft vieler dieser Länder
liefert den Beweis für diese Asymmetrien.
Daher bin ich der Ansicht, daß es neben der Agenda, ehrlich zu sein und zum
Krieg zwischen der Ukraine und Rußland Stellung zu beziehen, und der Agenda
der Vorherrschaft selbst, die die Abhängigkeit vom Weltfinanzsystem (dank
Organisationen wie der NATO) aufrechterhält, notwendig ist, diese Plattform
für die Integration, die die BRICS darstellen, mit Blick auf und unter
Berücksichtigung der souveränen Ansichten dieser Länder aufzubauen und ihre
Bereitschaft zur Zusammenarbeit, zu Handelsbeziehungen und Definitionen in
außenpolitischen Fragen, die damit einhergehen, zu verbinden.
Wir befinden uns heute in einem „empfindlichen Gleichgewicht“.
Es gibt viele unter uns, die der Notwendigkeit einer neuen Art der
Beteiligung an den Institutionen der Global Governance zustimmen, insbesondere
unter den Ländern, die eine gemeinsame Geschichte des Kampfes gegen
Imperialismus, Kolonialismus, Ausbeutung und Unterentwicklung teilen. Aber es
gibt viele Fehltritte und Risiken, wenn die Außenpolitik und die
Eingliederungsstrategien in ihrer Charakterisierung nicht klar und
unberechenbar sind. Darüber hinaus müssen die Vereinbarungen und
Verpflichtungen zur Vertretung des sogenannten „Globalen Südens“ innerhalb der
einzelnen Länder – derjenigen, die heute die BRICS bilden, und derjenigen, die
wie Argentinien diesem Block beitreten wollen – ausgewogen und fest sein.
Der historische Moment und der Kontext sollten uns heute ermutigen.
Dennis Small schreibt: „Die einzige Möglichkeit, den Konflikt von
Argentinien, Brasilien und den BRICS mit dem IWF dauerhaft zu lösen, besteht
darin, Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative in der Region aktiv
voranzutreiben. „Die Bagger müssen loslegen“ und mit dem Bau des
langerwarteten Biozeanischen Eisenbahnkorridors quer durch den Kontinent
beginnen, und das auf der Grundlage milliardenschwerer Kreditlinien, die nicht
in Dollar ausgestellt sind.“
Ich möchte hier daran erinnern, daß Argentinien, Bolivien, Brasilien,
Kolumbien, Ecuador, Paraguay, Uruguay und Venezuela – damals unter der Führung
von Néstor Kirchner, Evo Morales, Lula da Silva, Rafael Correa, Nicanor Duarte
Frutos, Tabaré Vázquez und Hugo Chávez – im Jahr 2007 die Gründungsurkunde der
Banco del Sur (Bank des Südens) unterzeichnet haben, deren Ziel es ist, die
wirtschaftliche und soziale Integration der Mitgliedsländer der UNASUR (Union
Südamerikanischer Nationen) zu entwickeln, zu fördern und zu unterstützen.
Die Gründung dieser Bank des Südens war Teil der gemeinsamen Verpflichtung,
eine neue regionale Finanzarchitektur zu schaffen. Es war eine Möglichkeit, zu
verhindern, daß nationale Ersparnisse in höher entwickelte Volkswirtschaften
abfließen, anstatt in regionale Projekte investiert zu werden. In gewisser
Weise war es für uns ein erster Schritt, um aus der damaligen Finanz- und
Handelsglobalisierung auszusteigen und um Investitionen wiederzubeleben,
Asymmetrien zu korrigieren und eine integrierende Infrastruktur zu entwickeln.
Kurz gesagt: Das Ziel war es, die Verwundbarkeit unserer Region gegenüber dem
Ausland zu mildern.
Leider müssen wir heute feststellen, daß der regionale Block UNASUR
gescheitert ist. Der nicht kooperative technisch-administrative Überbau in den
ersten Jahren des Bestehens von UNASUR hat mit seinem Zögern die Tür für eine
Neuordnung der Kräfte geöffnet, die sich bis 2011 aufgrund der politischen
Veränderungen in der Region auf den Integrationsprozeß und natürlich auf das
Projekt der Bank auswirkte.
Die Bemühungen und der politische Wille vieler von uns, die über
Erfahrungen in der Regierungsverwaltung verfügen, die Hegemonie der USA zu
brechen und sich voll und ganz auf den Multilateralismus und eine Veränderung
der internationalen Ordnung einzulassen, müssen darauf abzielen:
Erstens: Definieren, was wir unter dem Globalen Süden
verstehen. Ich halte es für notwendig, das Thema anzusprechen. Heute
kennen wir das Potenzial der G7, deren Anteil an der Weltbevölkerung gering
ist (10%) und deren wirtschaftliche Größe 31% des weltweiten BIP beträgt. Wir
kennen das Potenzial der BRICS, die einen hohen Bevölkerungsanteil (40% der
Weltbevölkerung) und eine wirtschaftliche Größe von 24% (gemessen am Welt-BIP)
aufweisen. Die offene Frage ist, wie ihr geopolitisches Gewicht einzuschätzen
ist, um gemeinsame Positionen in Bezug auf das Funktionieren der Weltpolitik
und der Weltwirtschaft festzulegen, um zu der G7, die heute die
Industrieländer umfaßt, durch die BRICS, die sich aus Ländern zusammensetzt,
die sich aufgrund der Unterwerfung unter die „Vorschriften“ der multilateralen
Kreditinstitute in einer politischen und wirtschaftlichen Krise zu befinden
scheinen, ein Gegengewicht zu schaffen.
Zweitens: Dringend die gemeinsamen Schwachstellen der
Volkswirtschaften des globalen Südens angehen. Wir haben gesehen, daß
die sogenannte Agenda 2030, die die Vereinten Nationen als Teil der
Weltordnung auferlegt haben, in diesen Ländern als Fehlschlag gewertet wird.
Ich spreche von Armut, Ungleichheit und Klimawandel. Wie in der Agenda
dargestellt, wurde die „nachhaltige Entwicklung“ übertrieben. Infolgedessen
und um ein Beispiel zu nennen: Der Extraktivismus als grundlegendes Instrument
für die Konzentration von Reichtum, der die Entwicklung einschränkt, und auch
für den Export natürlicher Ressourcen, der in meinem Land ein Weg ist, Dollar
zu erhalten, um die Schulden beim IWF zu bezahlen, sind eindeutig sehr
gefährliche Handlungsweisen unter Mißachtung der nachhaltigen Entwicklung
(ökologisch und sozial).
Diese Anerkennung der Realität innerhalb der Länder sollte die Plattform
sein, von der aus die BRICS auf den globalen wirtschaftlichen Aufschwung
hinarbeiten, den wir von dort aus anführen wollen, um diese aufstrebenden
Volkswirtschaften auf den Weg der Entwicklung und der Selbstversorgung zu
bringen. Zusammen mit der Art von Vorschlägen, die in diesem Forum analysiert
werden, wird uns dies die Definition einer Neuen Weltordnung ermöglichen.
Ein solcher Vorschlag lautet – um Small und Freeman zu zitieren, wenn sie
die Notwendigkeit einer neuen Währung aufzeigen:
„In der neuen Währung müssen produktive Kredite ausgegeben werden, um große
Entwicklungsprojekte in und zwischen den teilnehmenden Ländern zu finanzieren,
wobei der Schwerpunkt auf Wissenschaft und fortgeschrittenen Technologien
liegen muß, um die physischen Volkswirtschaften schnell anzukurbeln und damit
die einzig mögliche solide Grundlage für den Wert und die Stabilität der neuen
Währung zu schaffen.“
Vor diesem Hintergrund müssen wir eine neue internationale Ordnung ins
Leben rufen, die wirklich inklusiv, gerecht, fair und nachhaltig ist; die es
ermöglicht, Reformen in den Bereichen Energie, Verkehr und Infrastruktur zu
vereinbaren und zu planen, die größtmöglichen Investitionen der BRICS in die
Volkswirtschaften ihrer Partnerländer zu tätigen, um das Wachstum der lokalen
Industrie in jedem von ihnen zu ermöglichen, sowie eine echte Verbesserung der
Indikatoren der Leitlinien der Agenda 2030 und eine kontinuierliche
Verbesserung des Außenhandels und des Marktzugangs.
Kurzfristig muß die BRICS-Plattform den Mitgliedsländern dabei helfen, ihre
Schulden bei den multilateralen Kreditinstituten zu begleichen, indem sie das
Wachstum jedes einzelnen Landes, die Schaffung echter Arbeitsplätze und die
Verbesserung der Lebensbedingungen ihrer Einwohner unterstützt; und
langfristig müssen neue Finanzierungsmechanismen außerhalb dieser
Institutionen und der Mandate der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten
geschaffen werden.
Meines Erachtens ist dies der Weg, um die neue Weltwirtschaftsagenda auf
den Weg zu bringen, so daß das Weltfinanzsystem, wie wir es heute kennen,
verschwindet und die BRICS ein Gegengewicht in der globalen Geopolitik unter
den Bedingungen des Respekts des Westens für den sogenannten „Globalen Süden“
schaffen können.
Ich danke Ihnen.
Anmerkung
1. Siehe „Einige grundlegende Lehren von Lyndon LaRouche für den Übergang zu einem neuen Weltfinanzsystem“, Neue Solidarität 28/2023.
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