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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Grußbotschaft von Adolfo Pérez Esquivel,
Friedensnobelpreisträger 1980

Adolfo Pérez Esquivel, argentinischer Friedensnobelpreisträger 1980, übermittelte die folgende Grußbotschaft an die Konferenz des Schiller-Instituts, die von Juan Carrero aus Spanien, dem Präsidenten der Stiftung S’Olivar, vorgestellt wurde.

Guten Tag! Mein Name ist Juan Carrero, Präsident der Stiftung S'Olivar mit Sitz auf Mallorca. Mir wird heute eine doppelte Ehre zuteil. Zum einen habe ich die Ehre, eine Botschaft von Adolfo Pérez Esquivel zu übermitteln, der nicht nur seit einem halben Jahrhundert unser lieber Weggefährte und Lehrer in der Bewegung für Gewaltlosigkeit, sondern auch internationaler Präsident von SERPAJ, dem Servicio Paz y Justicia, ist, der die Völker auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens begleitet.

Seine wertvollen Bemühungen in Lateinamerika wurden 1980 zu Recht mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt; damals herrschten noch andere Zeiten im Nobel-Institut und im norwegischen Parlament. Seitdem ist Esquivels Großzügigkeit nur noch gewachsen. Es gibt kein globales Anliegen, dem er gleichgültig gegenübersteht. Neben vielen anderen internationalen Engagements hat er uns bei unseren Bemühungen um Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit und Versöhnung in Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo, dem Schauplatz der größten Massaker seit dem Zweiten Weltkrieg, stets tatkräftig unterstützt.

Um unsere Bemühungen zu unterstützen, schlug er mich sogar mehrere Jahre lang für den Friedensnobelpreis vor, und so wurde ich mit seiner Hilfe der spanische Kandidat mit der größten Unterstützung aller Zeiten: von der einstimmigen Unterstützung durch das spanische Parlament bis zur Unterstützung durch Tausende von Institutionen, Persönlichkeiten und Organisationen.

Zusammen mit Lanza del Vasto, dem direkten Schüler Mahatma Gandhis in Europa, war Adolfo für meine Frau Susana und mich das Bindeglied, das uns für alle Zeiten untrennbar mit Mahatma Gandhi und Dr. Martin Luther King verbindet. Uns sind beide eine stets lebendige Präsenz, die uns immer tief bewegt und in unserem Leben auf überraschende und wirksame Weise gegenwärtig ist.

Meine zweite Ehre ist, wie gesagt, Adolfos Botschaft einem so wichtigen Ereignis wie der heutigen Konferenz des Schiller-Instituts zu übermitteln.

Hier ist also die Botschaft von Adolfo [Pérez Esquivel] zur Unterstützung dieser Konferenz – eine Botschaft, die er durch mich an Sie alle übermitteln will:

    „Ich sende eine Umarmung des Friedens und der Güte, Juan, die die Welt in diesen Zeiten der Unsicherheit so sehr braucht. Eine Welt, die alles tun muß, um einen weiteren Krieg, diesmal einen Atomkrieg, zu vermeiden.

    Was ich zu dieser Konferenz des Schiller-Instituts beitragen kann, ist mein Aufruf an die Vereinten Nationen, mutig aufzustehen und die Völker der Welt zum Widerstand aufzurufen, um dem Krieg ein Ende zu setzen und nicht länger eine Marionette der Großmächte zu sein.

    Die Welt steht am Rande des Wahnsinns, weil die Machthaber ihre eigenen politischen, wirtschaftlichen und strategischen Vorherrschaftsinteressen über das Leben stellen. Wir befinden uns an einem Wendepunkt, an dem dramatische und entscheidende Veränderungen in der Welt stattfinden, die einen hohen Preis in Form von Menschenleben, Hunger, Krankheiten und der Zerstörung von Mutter Erde fordern.

    Es gibt zahlreiche Appelle, Frieden zu schaffen: von der Stimme von Papst Franziskus über die Appelle von Persönlichkeiten und Regierungen bis hin zum Aufschrei der Menschen. Wir schließen uns täglich diesen Forderungen nach Frieden an. Wir müssen eine politische, aber vor allem eine humanitäre Lösung finden, um die zahlreichen Kriege zu beenden, die in der Welt geführt werden. Über viele dieser Kriege wird geschwiegen, wie z. B. über die Kriege in Israel und Palästina, in Armenien und in verschiedenen afrikanischen Ländern.

    Was den für die gesamte Menschheit so gefährlichen Krieg in der Ukraine betrifft, so gibt es mehrere Vorschläge, wie ein konstruktiver Dialog zustande kommen und der Krieg beendet werden kann. Aber leider wollen die Kriegsherren nichts davon hören, und sie fahren fort, ihre Waffen- und Geldlieferungen an die Ukraine zu erhöhen und den Konflikt anzuheizen. Es handelt sich um einen Krieg, der von Großmächten wie den Vereinigten Staaten und der NATO sowie von strategischen und politischen Interessen provoziert wird, die ihre weltweite Hegemonie sichern wollen.

    Die Welt ist im Wandel, und wenn wir überleben und unseren Planeten Erde, unser gemeinsames Haus, retten wollen, brauchen wir einen neuen Sozialpakt des Zusammenlebens zwischen den Menschen und Mutter Erde. Um dies zu erreichen, muß das Gleichgewicht wiederhergestellt werden, das heute nicht mehr besteht und die Menschheit der sozialen Gewalt unterwirft. Die Besonnenheit, die Beziehungen zwischen den Völkern und die Spiritualität sind verlorengegangen. Wir stehen vor der Verbannung Gottes, seinem Exil.

    Die Vereinten Nationen sind eine Kammer ohne Echo, die von den Vereinigten Staaten geleitet wird. Und die OAS ist eine koloniale Organisation. Europa hat seine Stimme verloren und ist zu einer kolonialen Enklave der Vereinigten Staaten geworden.

    Um eine Verhandlungslösung für die Kriege zu finden, ist es notwendig und dringend, daß Religionen, Kirchen, Tempel, Moscheen, Synagogen und Klöster zu Gebets- und Aktionstagen aufrufen. Gewerkschaften und soziale Organisationen sollten Aktionen vorschlagen. Die UNESCO, Pädagogen, Wissenschaftler und Kommunikationsfachleute müssen sich an der Rebellion des Gewissens gegen den Krieg beteiligen und Frieden fordern. Wir alle müssen unsere Stimmen und Aktionen mit denen anderer verbinden, die den gleichen Weg gehen, bevor es zu spät ist.

    Wir müssen uns an die Vergangenheit erinnern, um die Gegenwart zu erleuchten. Hiroshima und Nagasaki gehören nicht der Vergangenheit an. Die Menschheit leidet noch immer unter den Schrecken der Konzentrationslager, dem Holocaust und den Massakern.

    Die Mächte drohen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Was können wir tun? Denen zurufen, die nicht hören wollen? Schreien, wo die Telefone und alle Verbindungen unterbrochen sind? Sie hören nur auf sich selbst.

    Aber wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren, daß eine andere Welt möglich ist, wenn wir unsere Anstrengungen und unseren Willen zum Frieden vereinen. Nicht Frieden als bloße Abwesenheit von Kriegen und Konflikten, sondern als Frucht der Gerechtigkeit in brüderlichen Beziehungen zwischen Menschen und Nationen.

    Um den Krieg zu beenden, ist eine Rebellion der Völker notwendig. Die am Krieg beteiligten Regierungen haben andere Ziele und Kriterien, um ihre Herrschaftsmacht zu stärken. Soweit es um ihre persönlichen Interessen geht, zählen die Menschen nicht. Wir müssen zu einem weltweiten Tag der Rebellion aufrufen und ein Ende der Kriege fordern, damit die Waffen zu Pflugscharen umgewandelt werden, wie der Prophet Jesaja vor Tausenden von Jahren verkündet hat.

    Die Vereinten Nationen müssen sich gegen den herrschenden Totalitarismus auflehnen und eine Generalversammlung der Völker einberufen, die den Frieden wollen. Sie müssen den Kriegen und der Heuchelei der Herrschenden ein Ende setzen. Sie müssen ihre eigene Präambel umsetzen: ,Wir, die Völker der Welt, wollen den Frieden.'

    Retten wir das Leben auf dem Planeten, unserem gemeinsamen Zuhause. Wir können nicht länger nur zuschauen; wir müssen eine Rebellion der Werte und des Geistes starten, um diese Realität zu verändern, die die gesamte Menschheit überwältigt.

    Juan, Sie haben meine ganze Solidarität und Unterstützung bei dieser gemeinsamen Herausforderung, zusammen mit so vielen Brüdern und Schwestern in der Welt Frieden zu schaffen. Ich wünsche allen Teilnehmern der Konferenz viel Kraft und Hoffnung. Ich verbinde meine Stimme mit der der gesamten Menschheit.

    – Adolfo Pérez Esquivel
    Buenos Aires, 11. April 2023.“