Argentinien in der BRICS-Gruppe, eine historische Chance
Von Rubén Darío Guzzetti
Rubén Guzzetti ist Analyst für Außenpolitik am Argentinischen
Institut für Geopolitische Studien (IADEG). In der Internetkonferenz des
Schiller-Instituts am 9. September sagte er folgendes (Übersetzung aus dem
Spanischen).
Guten Tag. Mein Name ist Rubén Guzzetti, und ich spreche zu Ihnen aus dem
südlichen Teil des Globalen Südens, vom Argentinischen Institut für
Geopolitische Studien (IADEG). Ich danke dem Schiller-Institut und der
LaRouche-Bewegung für die Einladung zur Teilnahme an dieser Veranstaltung. Wir
vom IADEG schließen uns dem Kampf des [Schiller-]Instituts und anderer
Organisationen an, die sich der Verantwortung bewußt sind, die wir derzeit
haben, da wir einen zivilisatorischen Übergang von historischer Tragweite
erleben.
Wir, die heutige Generation, haben das Gefühl, daß wir eine enorme
Verantwortung tragen, aber daß wir auch eine privilegierte Generation sind,
insbesondere diejenigen von uns, die in den 1950er Jahren des 20. Jahrhunderts
geboren wurden. Wir waren Protagonisten in einem breiten Spektrum von
Veränderungen – dem endgültigen Sterben des Wohlfahrtsstaates, dem Prozeß der
Entkolonialisierung, der Ära der sozialen Revolutionen, des Kalten Krieges,
der Unipolarität der USA und Großbritanniens und nun dieser neuen Ära, die von
Schwellenländern angeführt wird, die sich auf die Erfahrungen Chinas und den
Mut des russischen Volkes stützen, das sich der NATO, dem bewaffneten Flügel
der internationalen Finanzmacht, entgegenstellt.
Wir sind davon überzeugt, daß wir uns jetzt auf einem unumkehrbaren Weg zu
einer neuen polyzentrischen und multikulturellen Welt der Entwicklung und
Zusammenarbeit befinden. Aber wir wissen auch, daß wir ein großes Risiko
eingehen. Die Blindheit des Egoismus und die innewohnenden Gründe eines
erschöpften Kapitalismus könnten einen totalen Krieg auslösen, der zu einem
Atomkrieg werden könnte.
Die internationale Finanzmacht, die Investmentfonds, die Ratingagenturen
und die Großbanken haben die Institutionen der westlichen Großmächte
übernommen. Die Befehle und wichtigen Entscheidungen, die aus dem Weißen Haus
und der Downing Street 10 kommen, stammen in Wirklichkeit von der Wall Street
und der Londoner City. Deshalb unterstützen wir von unserem Institut und von
vielen anderen Seiten die Initiativen, die darauf abzielen, das Bewußtsein für
den Moment zu erweitern, in dem wir leben, und die Notwendigkeit, die
Unterstützung für Frieden mit Entwicklung zu verbinden, um das mögliche
Aussterben der Spezies zu verhindern, entweder durch Atomwaffen oder durch
übermäßige Aggression gegen die Natur.
Wir halten es für absolut notwendig, Fortschritte in Richtung einer neuen
Finanzarchitektur zu machen, die auf der Produktion von materiellen Gütern und
der Steigerung der Produktivität zugunsten des Fortschritts in Wissenschaft
und Technik ausgerichtet sind. Außerdem ist ein neues kollektives
Sicherheitsabkommen zwischen den Staaten dringend erforderlich, in dem kein
Staat die Rechte der anderen verletzt.
Heute haben wir einen großen Vorteil. Laut UN-Statistiken reicht seit 1990
die Produktion von Gütern und Dienstleistungen weltweit aus, um der
Weltbevölkerung ein Leben in Würde zu ermöglichen. Das heißt, es ist genug für
alle da, so daß Kriege ums Überleben, wie sie in der Geschichte üblich waren,
nicht mehr notwendig sind. Jetzt ist es nur noch ein Problem der
Verteilung.
Zusammen mit fünf anderen Ländern wird Argentinien ab dem 1. Januar 2024
den BRICS beitreten und wahrscheinlich auch der Neuen Entwicklungsbank, und
wenn diese ihre Statuten ändert, werden wir Zugang zu günstigen Krediten für
die Produktion haben. Ebenso wird das Land Teil des Contingency Reserve
Arrangement werden, was uns die Möglichkeit geben wird, eines der immer
wiederkehrenden Probleme unserer Wirtschaft zu lösen, die so genannte externe
Beschränkung oder Dollarknappheit.
Die Nationen des globalen Südens, verkörpert durch die BRICS-Staaten, haben
dem Rad der Geschichte in Johannesburg einen großen Impuls gegeben. Unserem
Land eröffnen sich nun eine Reihe von Möglichkeiten, dem IWF die
zerstörerische Vormundschaft mit seinen wiederkehrenden Sparplänen und
wiederholten Abwertungen zu entziehen und die strukturellen Probleme zu lösen,
die uns seit Beginn unserer Geschichte heruntergezogen haben.
Ein einziges Beispiel genügt: Unsere herrschenden Klassen konnten oder
wollten nicht tun, was die USA vor 200 Jahren getan haben – eine Agrarreform,
um die Produktion eines Landes zu vervielfachen, die Produktion eines an
Gütern und menschlicher Qualität absolut reichen Landes zu steigern.
Wir werden auch die Möglichkeit haben, uns in neue globale
Wertschöpfungsketten einzubinden, gemeinsame Entwicklungen in
wissenschaftlichen und technologischen Bereichen zu planen und mit der
Erfahrung von Ländern wie China die Aquakultur und die Schweineindustrie zu
entwickeln. Wir können auch unser Talent und unseren Fortschritt in Bereichen
wie neue landwirtschaftliche Technologien einbringen, um die Produktion in
Ländern wie Äthiopien und Ägypten zu steigern.
In Argentinien sind wir uns in den fortschrittlichen Sektoren bewußt, daß
die Fortschritte und Errungenschaften der aufstrebenden Nationen, die in
Organisationen wie der SCO, ASEAN, der Eurasischen Wirtschaftsunion (EUAU) und
den BRICS zusammengeschlossen sind und die die Verlagerung des Schwerpunkts
der Welt vom Westen zum Osten bestätigen, uns eine historische Chance
bieten.
Es ist auch klar, daß die Möglichkeit, sich diesem zivilisatorischen Wandel
anzuschließen, jetzt von uns abhängt. Das bedeutet erstens, die erste Hürde zu
nehmen und es in die Stichwahl am 22. Oktober zu schaffen und zweitens die
Niederlage der extremen Rechten am 14. November zu erreichen.
Die Aufgabe ist nicht einfach, denn die derzeitige Regierungskoalition ist
keine Garantie dafür und es gibt viel zu tun, um die Volksorganisationen zu
vereinen und die neue Regierung zu zwingen, diesem echten Wandel beizutreten,
der derzeit passiert. Regierungen und Völker wie das brasilianische blicken
besorgt auf unsere Zukunft. Zweifellos wird ein unabhängiges Argentinien einen
enormen Beitrag zum Projekt des Globalen Südens und zur regionalen Integration
leisten, die für das Glück der Nationen südlich des Rio Grande entscheidend
sind.
Wir werden alles tun, um Teil einer neuen Welt zu werden, in der
Zusammenarbeit, Konnektivität und Brüderlichkeit die Norm und nicht die
Ausnahme sind. Lassen Sie uns den auf dieser Konferenz vorgezeichneten Weg zu
einer Welt in Frieden, Entwicklung und Integration fortsetzen.
Ich danke Ihnen.
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