Verständigung ermöglichen durch klassische Kultur
In der Diskussionsrunde der Konferenz des Schiller-Instituts am
10. Juni „Die Welt braucht Kennedys Vision vom Frieden“ antwortete die
Gründerin Helga Zepp-LaRouche auf eine Frage aus Peru.
Frage: Wie ist es möglich, daß große Teile der Bevölkerung
immer noch surreale Narrative akzeptieren, die von Machtstrukturen außerhalb
aller Nationalstaaten entwickelt werden? Nicht nur, daß sie die wahren
kolonialen Vorgänge nicht erkennen, sie akzeptieren und unterstützen auch –
ähnlich wie die deutsche Bevölkerung zu Hitlers Zeiten – Maßnahmen wie ein
Verbot künstlerischer Ausdrucksformen, nur weil sie von russischen Künstlern
stammen. Ich denke zum Beispiel an das Verbot von Tschaikowsky-Werken in
Europa...
Was können die Institutionen der Welt tun, um ihre Bevölkerung gegen diesen
offensichtlichen Prozeß der sozialen Manipulation und Verzerrung von
Informationen zu immunisieren? Welche kulturellen und pädagogischen Prozesse
sollten in den Nationalstaaten gefördert werden, um die kognitiven und
moralischen Fähigkeiten ihrer Bevölkerung zu steigern?
Helga Zepp-LaRouche: Es mag nicht überraschen, aber meine
Antwort ist: Friedrich Schiller. Der Grund, warum das Schiller-Institut nach
Friedrich Schiller benannt ist, liegt darin, daß ich 1983, als ich nach einem
Namen suchte, um ein Institut für Staatskunst zu gründen, das ich für dringend
notwendig hielt. Das Schiller-Institut wurde aus dem Gedanken heraus
gegründet, daß wir eine völlig andere Vorstellung von Staatskunst brauchen,
ohne Putsche und ohne Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer
Länder, sondern daß man sich stets auf die beste Tradition des anderen
bezieht.
Wenn man sich mit einem Amerikaner unterhält, möchte man nicht immer nur
über die Verbrechen in Vietnam oder den Irakkrieg sprechen oder
vergleichbares, was man erwähnen könnte. Man möchte über die Höhepunkte der
amerikanischen Kultur sprechen!
Genauso möchte ich als Deutsche, wenn ich mit jemandem rede, nicht ständig
nur an die zwölf schrecklichen Jahre des Nationalsozialismus erinnert werden.
Ich möchte an Cusanus erinnert werden, an Leibniz, an Kepler, an Lessing, an
Schiller. Sogar an Goethe, den manche vielleicht zitieren werden. An Beethoven
und all die anderen großen Geister.
Ich denke, wir müssen allmählich – oder besser gar nicht allmählich –
umdenken und wirklich eine andere Haltung annehmen. Denn ich denke, daß das
außenpolitische Konzept, das diese Putsche und ähnliches selbstverständlich
als legitim betrachtet, ein Auswuchs der Geopolitik ist. Und sobald wir zum
Neuen Paradigma übergehen, das jetzt unmittelbar bevorsteht, werden neue
Beziehungen zwischen den Nationen herrschen, was zum Beispiel die BRICS-Länder
gerade umzusetzen versuchen. Viele asiatische und afrikanische Länder bemühen
sich sichtlich darum, das zu erreichen. Dann gibt es kein Nullsummenspiel
mehr, bei dem „der Vorteil des einen der Nachteil des anderen“ ist, und
deshalb muß man manipulieren, und all der Unsinn.
Ich denke, das gehört wirklich zu einer oligarchischen Denkweise, die wir
überwinden müssen. Und ich bin absolut zuversichtlich, daß wir es schaffen
können, weil wir Menschen sind. Wir sind keine zwei- oder vierjährigen Jungen,
die anderen ständig vors Schienbein treten müssen, um der Größte zu sein. Ich
denke, wir werden irgendwann erwachsen werden und als intelligente, moralisch
entwickelte Menschen miteinander umgehen.
Die Antwort auf Ihre Frage lautet also: Schauen Sie sich die Ästhetische
Erziehung von Schiller an, und in ähnlicher Weise die von Konfuzius, und es
gibt noch einige andere Denker, wie Humboldt oder Cai Yuanpei, den ersten
Bildungsminister der Republik China. Allen gemeinsam ist die Idee, daß man
durch ästhetische Bildung die Gefühle veredeln kann.
Der Grund, warum die Menschen durch die Medien manipuliert werden können,
liegt darin, daß die Oligarchie das Schlechteste in den Menschen zum Vorschein
bringen will, denn wenn sie schweinisch sind und egoistisch und pornographisch
und gewalttätig und all das, dann ist es leicht, sie zu manipulieren. So kann
man die Ansichten der Menschen ändern, indem man das Schlechteste in ihnen zum
Vorschein bringt.
Unsere Aufgabe ist viel schwieriger. Wir müssen das Beste in den Menschen
zum Vorschein bringen. Der Weg dazu ist die Anwendung der Methode der
ästhetischen Erziehung, die bei Friedrich Schiller am weitesten entwickelt
ist, denn er hatte die Idee, dies durch große klassische Kunst zu erreichen –
die Musik von Beethoven, die Werke von Shakespeare, die Werke von Schiller und
vielen anderen großen Dichtern und Komponisten.
Dazu möchte ich sagen: Natürlich gibt keinen Menschen, der genau wie
Beethoven ist. Was passiert, wenn der Hörer seine Komposition anhört?
Zumindest in dem Moment, in dem man sich auf ein großes Kunstwerk einläßt, muß
man sich auf die Schönheit dessen einlassen, was einem begegnet. Das ist zum
einen sinnlich, denn Schönheit spricht die Sinne an, zum anderen macht das
Werk sie aber auch besser, es verbessert uns. Je mehr man sich mit großer
klassischer Kunst beschäftigt – Poesie, Malerei, ganz besonders Musik –, desto
mehr verbessert sich der Charakter, vor allem wenn man sich gleichzeitig
bemüht, die Komposition intellektuell zu verstehen.
Wir müssen also die Menschen zu besseren Menschen machen. Konfuzius sagte,
man könne den Charakter eines Staates an seiner Musik erkennen. Wenn die Musik
schlecht ist, ist das Land schlecht. Ist die Musik erhaben, ist das Land
erhaben. Deshalb denke ich, wir sollten bestimmte häßliche Musik
loswerden.
In Deutschland gibt es gerade einen großen Skandal um eine Band namens
Rammstein, was vielleicht nicht so zufällig ist, weil sie denselben Namen
trägt wie der Militärflughafen [der US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein –
Red.], der das Koordinationszentrum für die Kriege im Nahen Osten und
anderswo ist, wie jetzt gegen die Ukraine; die Band Rammstein hat ein M mehr
in ihrem Namen. Jetzt stellt sich heraus, daß sie in ekelhaften sexuellen
Mißbrauch verwickelt waren, und so weiter. Das ist häßlich, also warum hören
wir uns häßliche Dinge an? Warum lassen wir es zu, daß wir in eine Jauchegrube
von Drogen, Perversion, der Häßlichkeit hineingeboren werden. Das tut unserer
Seele weh, und unsere Seele ist etwas sehr Wertvolles. Sie hat ein besonderes
Potential. Entweder wir schützen sie und nähren sie und machen sie schöner,
oder wir verlieren sie irgendwann, und dann werden wir zu wilden Bestien.
Deshalb ist die Ästhetische Erziehung [im Sinne von Schillers Briefen
über die ästhetische Erziehung des Menschen – d.Ü.] meine absolut beste
Empfehlung, denn man muß die Art und Weise, wie die Menschen denken, ändern;
man muß ihre Ideen veredeln, und die klassische große Kunst ist der beste Weg.
Schiller sagte, man müsse die Menschen in ihrer Freizeit auffangen, denn wenn
sie arbeiten, ist das sehr schwierig. Aber in ihrer Freizeit muß man sie
spielerisch auf ein höheres Niveau bringen. Das ist einer der vielen Gründe,
warum das Schiller-Institut Schiller-Institut heißt. Also, bitte lesen Sie
Schiller.
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