Neue Alternativen angesichts des Endes der Globalisierung
Von Lyndon LaRouche
Zu Beginn der zweiten Sitzung der Internetkonferenz des
Schiller-Instituts am 9. September wurden Auszüge aus dem Videomitschnitt
einer Rede gezeigt, die Lyndon LaRouche am 5. Nov. 2002 an der Autonomen
Universität des mexikanischen Bundesstaates Coahuila in Saltillo gehalten hat.
(Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden von der
Redaktion hinzugefügt.)
In Südamerika sehen wir, daß Argentinien zerstört wurde, insbesondere seit
1982. Wir sehen, daß Bolivien jetzt Gefahr läuft, wieder in eine
Drogendiktatur zurückzufallen. Wir sehen ähnliche Krisen an den Grenzen mit
Brasilien und Argentinien, Paraguay und Uruguay. Wir sehen den Verlust der
Souveränität Perus durch einen Putsch, der unter der Leitung von Präsident
Clinton organisiert wurde...
Gegenwärtig hat es Brasilien mit einer ungeheuren Last zu tun. Es gibt
keine Möglichkeit, daß Brasilien die Schulden tragen kann, die ihm jetzt
auferlegt werden. Diese Schulden sind nicht wirklich selbst verschuldet. Die
Schulden wurden dem Land von internationalen Institutionen auferlegt unter
starkem Druck der Vereinigten Staaten, einschließlich der Dollarisierung der
brasilianischen Schulden im Jahr 1989, was eine Tragödie war.
Es gibt keine Möglichkeit, diese Schulden unter diesen Bedingungen zu
bezahlen. Der IWF verlangt, daß Brasilien Zugeständnisse gegenüber allen
Anforderungen der Märkte macht, die im Wesentlichen korrupt sind. J.P. Morgan,
Chase und Citibank sind im Grunde bankrott, und ohne die Macht der Vereinigten
Staaten als physische Macht, wären sie tatsächlich bankrott. Es gibt für sie
keine Hoffnung für die Zukunft, unter den gegenwärtigen Bedingungen.
Dies gilt auch für das Bankensystem der Vereinigten Staaten im Allgemeinen.
Das Federal Reserve System der Vereinigten Staaten ist heute bankrott und wird
nur durch die politische Macht der Vereinigten Staaten aufrechterhalten. Die
Bankensysteme in Europa sind bankrott. Die Zentralbankensysteme sind bankrott,
und das ist der Zustand in weiten Teilen der Welt.
Der IWF – der zusammen mit der Weltbank für diesen Bankrott verantwortlich
ist, der sich im Laufe der Jahre entwickelt hat – kommt jetzt nach Brasilien
und sagt: „Brasilien, ihr seid schlecht. Ihr seid schlecht. Ihr müßt unsere
Vormundschaft akzeptieren. Wir, die euch ruiniert haben, sind gekommen, um
euch zu helfen, indem wir euch noch mehr ruinieren.“
Was würde passieren, wenn Brasilien vor dem IWF kapitulierte, und alles
akzeptierte, das den Forderungen ähnelt, die der IWF an das Land stellt?
Brasilien würde sterben! Es würde sich auflösen, und zwar schnell. Nicht über
mehrere Jahre, sondern über Monate!
Sehen Sie sich die Zahlen an. Nehmen Sie die Größenverhältnisse. Nehmen Sie
die Kosten für den Schuldendienst. Nehmen Sie die Auswirkungen dieser
Bedingungen und den Zusammenbruch der brasilianischen Wirtschaft. Schauen Sie,
was mit Argentinien passiert, und sehen Sie, daß das, was in Argentinien
passiert ist, jetzt mit voller Wucht auf Brasilien übergreift...
Wenn Brasilien Widerstand leistet und sich nicht unterwirft, könnte es
überleben. Wenn der durchschnittliche Zinssatz in Brasilien unter 10% gehalten
und geeignete Bedingungen für die Refinanzierung der Schulden geschaffen
würden, könnte Brasilien überleben und Teil einer Erholungsperspektive für die
Hemisphäre sein. Aber wenn Brasilien unter diesen Bedingungen überlebte, würde
der IWF bankrott gehen. Unter den gegenwärtigen Umständen könnte er diese Art
der finanziellen Umstrukturierung nicht verkraften.
So oder so, der IWF ist in seiner jetzigen Form tot. Wenn er sich
durchsetzt, stirbt er. Wenn er scheitert, stirbt er. Dies gibt Ihnen einen
Hinweis auf das, was wir als systemische Krise bezeichnet haben, im Gegensatz
zu den Leuten, die lediglich das statistische Phänomen der Boom-Bust-Zyklen
studieren. Das ist kein zyklisches Phänomen...
Es gibt Lösungen
Es gibt natürlich Lösungen. Ich habe mich für solche Lösungen eingesetzt.
Vor kurzem wurde in der italienischen Abgeordnetenkammer mehrheitlich für
einen Vorschlag gestimmt, den ich vorgelegt hatte. Die italienische Regierung
hat sich mit diesem Votum implizit verpflichtet, mit anderen Regierungen
zusammenzuarbeiten, um das Weltwährungssystem zu reorganisieren, um zu einer
Bretton-Woods-Formel der Art zurückzukehren, die wir von 1945 bis 1964 hatten.
Dieses Modell soll verwendet werden: feste Wechselkurse, ein
protektionistisches System zur Förderung der Produktion und ähnliche
Programme, um sicherzustellen, daß wir wieder auf einen Wachstumspfad
zurückkehren. Das heißt, wir müssen die Welt einer Konkurssanierung
unterziehen, so wie man es bei jedem Konkurs tut...
Wir, als Staaten, müssen den Kredit erzeugen – Kredit für großangelegte
Infrastrukturprogramme und zur Förderung privater Investitionen. Dieser Kredit
wird langfristig, d.h. über 25 Jahre oder mehr in der Regel zu einfachen
Zinssätzen von 1-2% als staatlicher Kredit für große Infrastrukturen
verwendet; zur Förderung der Beschäftigung, zum Bau von Eisenbahnen, für die
Wasserversorgung, die Energieversorgung und so weiter, die für die
Gesellschaft notwendig sind. Dies wird die private Beschäftigung anregen.
Wir werden auch Kredite in kreditwürdige Bereiche privater Investitionen
stecken, um die Landwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe zu fördern, um
andere notwendige Dinge aufzubauen, und wir werden aus diesem Schlamassel
herauskommen...
Ich schlage vor, daß wir die Welt mit dem Blick auf bestimmte Länder
betrachten, die technologisch gesehen Quellen der Entwicklung sind. In anderen
Ländern, einschließlich China und Indien – die relativ gesehen keine
wohlhabenden Länder sind – gibt es auch Quellen des technologischen
Fortschritts. Sie haben bestimmte Industrien, bestimmte Techniken, aber nicht
genug, um den Gesamtbedarf ihrer Bevölkerung zu decken.
Unser Vorschlag lautete: Man nehme die Gebiete Eurasiens, baue Quellen des
technologischen Fortschritts auf, um langfristig technologisch notwendiges
Kapital in Gebiete mit geringem Technologiepotential zu übertragen. Und
genauso nimmt man Gebiete wie das Landesinnere Chinas (im Gegensatz zu den
Küstenregionen) und andere Länder, und man beginnt, ihre Produktivität über
eine Generation oder länger aufzubauen.
Auf dieser Grundlage kann man durch langfristige Kredite mit einer Laufzeit
von 25 Jahren oder in dieser Größenordnung Kredite schaffen und ausgeben, um
den Fluß von Hochtechnologieexporten aus den Gebieten zu finanzieren, die
Quellen der Technologie sind, in Länder, die diese Technologie dringend
benötigen. Wir könnten es so organisieren, daß sie in diesen 25 Jahren in der
Lage sind, sich von dem freizukaufen, was wir ihnen als Kredit gegeben
haben.
Ich habe das 1992 vorgeschlagen, und diese Länder haben akzeptiert, was ich
die Eurasische Landbrücke nenne...
Aber heute haben wir neue Technologien. Was ich vorschlage, ist die
Schaffung von Entwicklungskorridoren, von Gebieten wie Rotterdam in Europa,
bis zu Orten wie Pusan an der Spitze Koreas, auf der anderen Seite Asiens.
Diese Entwicklungskorridore verlaufen auch durch den nördlichen Teil Rußlands
und Kasachstans bis nach China und Zentralasien, und der südliche Teil
verläuft entlang der Küste des Indischen Ozeans, nach Indien und so weiter,
nach Indochina und über andere Routen.
Diese Entwicklungskorridore hätten eine Breite von 50-100 Kilometern, d.h.
sie umfassen die Hauptverkehrswege, Wasserleitungen, Energieerzeugungs- und
-verteilungszentren, um so die Industrie- und landwirtschaftliche Zentren in
Gebieten zu versorgen, die heute weitgehend unterentwickeltes oder
brachliegendes Land sind. Und indem sie Gebiete durchkreuzen, die größtenteils
Ödland sind, das aber die größte Konzentration an Bodenschätzen auf diesem
Planeten hat, würden wir dieses Gebiet in eine Wachstumsregion für ganz Asien
verwandeln.
Dieses Programm wird nun schrittweise und allmählich in die Tat umgesetzt.
Die Bemühungen unter anderem Chinas und Rußlands, den Bau einer
Eisenbahnverbindung zwischen Nord- und Südkorea zu forcieren, bedeuten
eigentlich die Schaffung einer Eisenbahnverbindung von Pusan nach Rotterdam,
durch China und durch Rußland. Und das ist bereits in Gange...
Die Regierungen müssen ein neues System schaffen
Das Problem besteht darin, die Menschen und insbesondere die Regierungen
dazu zu bringen, zu akzeptieren, daß dieses System hoffnungslos bankrott ist.
Man versuche nicht, sich dem System anzupassen, sondern das System muß ersetzt
werden.
Wie kann das gehen? Das geht mit der Autorität der Regierung, einer
souveränen Regierung, einer Gruppe von souveränen Regierungen, die ihre
Bankensysteme eine Konkurssanierung unterziehen, ein neues System von
Nationalbanken unter einer nationalen Regierung schaffen, Kredite
mobilisieren, das Gemeinwohl schützen, Stabilität erhalten, Vollbeschäftigung
fördern, Wachstumsbereiche finden, in denen Kredite konzentriert werden
können, sowohl im öffentlichen Sektor, in der Infrastruktur, als auch im
Privatsektor. Nur die Regierungen können das tun. Das ist die souveräne Macht
der Regierung als echter Souverän...
Deshalb muß die Basis der Wirtschaft aufgebaut werden. Und 50% einer jeden
modernen Wirtschaft, die kompetent konzipiert ist, sind Investitionen in die
Infrastruktur, nicht in die Produktion: Transport, Stromerzeugung und
-verteilung, Wasserversorgung und -management, Abwasserentsorgung,
Gesundheitssysteme, Bildungssysteme, das sind die Grundpfeiler einer
Wirtschaft. Der Zugang zu Bibliotheken und solchen Dingen ist ein wesentlicher
Teil der Produktivkraft der Arbeit. Die Fähigkeit, Waren effizient und schnell
zu transportieren, in großem Umfang überall hin zu transportieren, von einem
Ort zum anderen zu gelangen, das ist entscheidend. Das haben wir aus den Augen
verloren.
Mein Spezialgebiet, auf das ich mich all die Jahre konzentriert habe, ist
die physische Wirtschaft. Finanzwirtschaft? Das ist nichts. Buchhaltung? Das
ist nichts. Das bedeutet nur, einzelne Punkte miteinander zu verbinden; das
erfordert keinerlei Fähigkeiten. Wir müssen verstehen, wie wir investieren,
und zwar in eine Kombination aus Infrastruktur und anderen Dingen, um einen
generationenübergreifenden Fortschritt zu erzielen und die Produktivkraft der
Arbeit zu erhöhen...
Wie entwickelt sich Kultur?
Mein Anliegen ist also, Studenten ein Verständnis zu vermitteln, was eine
Idee im Sinne von Platon ist – Entdeckung, Hypothese, experimenteller Beweis,
die Methode von Kepler. Sobald man weiß, was eine Idee ist, ist man zu
physikalisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen fähig.
Das läßt sich sehr leicht demonstrieren. Dann fragt man sich: „Wie
entwickelt sich Kultur?“ Sie entwickelt sich auf der Grundlage der Weitergabe
von Ideen, die solchen Entdeckungen entsprechen, von einer Generation zur
nächsten Generation. Das ist Geschichte! Archimedes, Eratosthenes, Platon und
Archytas, das sind die Quellen der antiken wissenschaftlichen Methode. Sie
leben heute in unserer Gesellschaft, weil die Wissenschaftler diese
Entdeckungen nachgeahmt und auf das Verständnis der modernen Wissenschaft
heute angewandt haben.
Die Weitergabe von Kultur über Tausende von Jahren bis in die Gegenwart ist
das Ergebnis der Erkenntnis, was eine Idee ist und wie wichtig es ist, diese
Idee durch Bildungs- und ähnliche Prozesse von einer Generation zur nächsten
weiterzugeben, mit dem Ergebnis, daß eine Generation entsteht, die pro Kopf
mehr Macht über das Universum hat als die vorherige Generation. Das ist
Kultur! Ideen des klassischen Dramas, die Einsichten darüber vermitteln, wie
sich Menschen verhalten und wie sie sich falsch verhalten. Wie kann man das
erreichen? Das ist, was wir brauchen.
Buchhaltung ist simpel. Mit Mathematik zu spielen, zu addieren und
subtrahieren und so weiter, das ist simpel. Aber das ist nicht Wirtschaft.
Wirtschaft basiert auf dem Menschen, der kein Affe ist. Nur Menschen haben die
Fähigkeit, Ideen zu generieren, zu assimilieren, Ideen zu replizieren.
Der Zweck von Ideen ist, zu wissen, daß wir alle sterben werden. Wie
verwenden wir also unser Talent im Leben? Was bedeutet unser Leben, nachdem
wir nicht mehr sind? Was haben wir für die kommenden Generationen erfunden,
das uns einen festen Platz im Spektrum der Raum-Zeit gibt? Das ist menschlich.
Wir müssen versuchen, Wissen in jedem möglichen Bereich zu erlangen, den wir
erreichen können, um die wundervollen Entdeckungen der Menschen vor uns zu
entdecken, und sie an andere weiterzugeben, um eine Gesellschaft zu
entwickeln, in der dies zum Standard wird – das ist Wirtschaft.
Wirtschaft ist das, was eine Generation zum Nutzen der nächsten zwei
Generationen zu tun vermag.
Ich danke Ihnen vielmals.
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