Französisch-chinesische Zusammenarbeit für den Frieden:
das Beispiel der Kernkraft
Von Hervé Machenaud
Hervé Machenaud war Produktionsleiter des französischen
Stromversorgers Électricité de France (EDF). Er übermittelte die folgende
Videobotschaft. (Übersetzung aus dem Französischen).
Sehr geehrter Herr Botschafter, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte
Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
ich bin besonders erfreut und dankbar, vom Schiller-Institut eingeladen
worden zu sein, um über ein Projekt zu sprechen, das ich, bei aller
Objektivität, für eines oder sogar das beste Kooperationsprojekt der
internationalen Industriegeschichte halte. Ich spreche von der Zusammenarbeit
zwischen Frankreich und China auf dem Gebiet der zivilen Kernkraft.
In den frühen 1980er Jahren wurde Frankreich von China ausgewählt, um dem
Land beim Start seines Atomprogramms zu helfen. Der 1986 unterzeichnete
Vertrag über den Bau des Daya-Bay-Kraftwerks war ein Pakt des Vertrauens
zwischen Frankreich und China, zwischen EDF und GNPJVC, der zu diesem Zweck
gegründeten Guangdong Nuclear Corporation.
Ein Pakt des Vertrauens, denn neben der Ausbildung dutzender chinesischer
Ingenieure, die nach Frankreich kamen, um in den EDF-Kraftwerken zu arbeiten,
hat China die EDF gebeten, das Projekt zu leiten und seinen erfolgreichen
Abschluß zu garantieren. Ich bin stolz darauf, der erste technische Leiter des
chinesischen Unternehmens gewesen zu sein.
Ein Pakt des Vertrauens, denn sehr schnell wurden die etwa hundert
hochqualifizierten chinesischen Ingenieure, die unsere Praktiken beobachten,
überwachen und hinterfragen sollten, auf ihren Wunsch hin in die
Ingenieurteams von EDF integriert. Wir waren nicht mehr unter Beobachtung,
sondern Partner, ein wirklich integriertes Team.
Ein Pakt des Vertrauens, denn wenn die EDF nach zehn Jahren Betrieb des
Kraftwerks Gravelines, der Referenzanlage von Daya, Nachrüstungen vorgenommen
hat, bietet sie der GNPJVC ohne zu zögern an, die 110 Modifikationen zu
übernehmen – die unschätzbare Frucht des in Hunderten von Jahren erworbenen
Know-hows. China wird diese Geste zu schätzen wissen.
Als weiteren Akt des Vertrauens hat GNPJVC kurz vor der Inbetriebnahme von
Daya Bay die EDF gebeten, die Verantwortung für die ersten Betriebsjahre zu
übernehmen. EDF schickte daraufhin etwa sechzig Mitarbeiter, um die Anlage in
Betrieb zu nehmen und die chinesischen Teams zu schulen, die innerhalb weniger
Jahre die Leitung ihrer Anlage übernehmen sollten.
1995, gerade als Daya Bay in Betrieb ging, bestellte die CGNPC eine zweite
Anlage nach französischem Vorbild am selben Standort. Die EDF sollte
technische Hilfe leisten und französische Unternehmen sollten als Zulieferer
auftreten, aber Ling Ao wird ein chinesisches Kraftwerk sein, das unter
chinesischer Verantwortung von chinesischen Unternehmen gebaut wird. China hat
seine Autonomie in diesem Bereich erlangt.
Dies wird einer engen Zusammenarbeit zwischen französischen und
chinesischen Betreibern nicht im Wege stehen: Erfahrungsaustausch,
Ersatzteile, Unterstützung bei Zwischenfällen... Daya Bay und Ling Ao nehmen
an Leistungswettbewerben für französische Kraftwerke teil und gewinnen häufig
den ersten Preis. Diese Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der 56
französischen Reaktoren und der 36 chinesischen Reaktoren der gleichen
Technologie wird noch heute fortgesetzt.
Im Jahr 2007 lud CGN Frankreich ein, zwei EPR-Reaktoren am Standort Taishan
zu bauen, und die EDF sollte weitere Investitionen vornehmen. Diese in der
Geschichte Chinas einzigartige Vereinbarung wurde für die fünfzigjährige
Lebensdauer der Anlage unterzeichnet.
Der nächste Schritt war 2013 die Verpflichtung von CGN gegenüber EDF, zwei
EPRs in Hinkley Point im Vereinigten Königreich zu bauen und zu betreiben, mit
der Aussicht, zwei weitere Anlagen in Sizewell und zwei HPRs, das chinesische
Hualong-Modell, in Bradwell zu bauen.
Diese Zusammenarbeit wird ein Jahrhundert dauern.
Die Partnerschaft zwischen Frankreich und China gipfelte in der Reise von
Premier Li Keqiang nach Frankreich Ende Juni 2015, bei der die gemeinsame
Erklärung zur Vertiefung der französisch-chinesischen Zusammenarbeit im
Bereich der zivilen Kernenergie bekräftigt wurde. Sie sieht eine umfassende
Zusammenarbeit „vom Bergbau bis zur Wiederaufbereitung“ in allen
Betriebsbereichen, die Konzeption neuer Mittel- und Hochleistungsreaktoren,
deren Bau in China, Frankreich und Drittländern, die Vereinigung von
Industriellen aus beiden Ländern und den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage
in China vor. Alle französischen Unternehmen, angefangen mit AREVA und Alstom,
und die rund hundert Mitglieder des Verbandes Partenariat France Chine
Electricité (PFCE) sind an diesem Abkommen beteiligt, das immense Perspektiven
eröffnet.
Das gegenseitige Vertrauen hat seinen Höhepunkt erreicht.
Die industrielle Allianz zwischen Frankreich, das über die weltweit größte
Betriebserfahrung mit KKWs verfügt, und China, das das größte Atomprogramm der
Geschichte aufbauen wird, ist ein Gewinn für beide Länder und darüber hinaus
für die Sicherheit und den Fortschritt der Atomenergie weltweit.
Diese historische Partnerschaft ist das Ergebnis der Arbeit von Männern und
Frauen, die auf ein gemeinsames Projekt gesetzt und sich gegenseitig ihr
Vertrauen geschenkt haben. Heute sind sie durch freundschaftliche Bande
verbunden.
In einem so strategischen Bereich wie der Kernenergie ist eine solche
Partnerschaft ein Grundstein für die Zusammenarbeit und den Frieden zwischen
Völkern und Nationen.
Und wenn diese Zusammenarbeit heute unter dem Einfluss verschiedener
negativer Einflüsse etwas geschwächt ist, so hoffen wir, dass sie wiederbelebt
wird. Ihre Grundlagen sind nach wie vor intakt, und sie ist sicherlich nicht
nur im gegenseitigen Interesse unserer beiden Länder, sondern auch ein Beitrag
zu Fortschritt und Frieden in der Welt.
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