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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Französisch-chinesische Zusammenarbeit für den Frieden:
das Beispiel der Kernkraft

Von Hervé Machenaud

Hervé Machenaud war Produktionsleiter des französischen Stromversorgers Électricité de France (EDF). Er übermittelte die folgende Videobotschaft. (Übersetzung aus dem Französischen).

Sehr geehrter Herr Botschafter, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,

ich bin besonders erfreut und dankbar, vom Schiller-Institut eingeladen worden zu sein, um über ein Projekt zu sprechen, das ich, bei aller Objektivität, für eines oder sogar das beste Kooperationsprojekt der internationalen Industriegeschichte halte. Ich spreche von der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und China auf dem Gebiet der zivilen Kernkraft.

In den frühen 1980er Jahren wurde Frankreich von China ausgewählt, um dem Land beim Start seines Atomprogramms zu helfen. Der 1986 unterzeichnete Vertrag über den Bau des Daya-Bay-Kraftwerks war ein Pakt des Vertrauens zwischen Frankreich und China, zwischen EDF und GNPJVC, der zu diesem Zweck gegründeten Guangdong Nuclear Corporation.

Ein Pakt des Vertrauens, denn neben der Ausbildung dutzender chinesischer Ingenieure, die nach Frankreich kamen, um in den EDF-Kraftwerken zu arbeiten, hat China die EDF gebeten, das Projekt zu leiten und seinen erfolgreichen Abschluß zu garantieren. Ich bin stolz darauf, der erste technische Leiter des chinesischen Unternehmens gewesen zu sein.

Ein Pakt des Vertrauens, denn sehr schnell wurden die etwa hundert hochqualifizierten chinesischen Ingenieure, die unsere Praktiken beobachten, überwachen und hinterfragen sollten, auf ihren Wunsch hin in die Ingenieurteams von EDF integriert. Wir waren nicht mehr unter Beobachtung, sondern Partner, ein wirklich integriertes Team.

Ein Pakt des Vertrauens, denn wenn die EDF nach zehn Jahren Betrieb des Kraftwerks Gravelines, der Referenzanlage von Daya, Nachrüstungen vorgenommen hat, bietet sie der GNPJVC ohne zu zögern an, die 110 Modifikationen zu übernehmen – die unschätzbare Frucht des in Hunderten von Jahren erworbenen Know-hows. China wird diese Geste zu schätzen wissen.

Als weiteren Akt des Vertrauens hat GNPJVC kurz vor der Inbetriebnahme von Daya Bay die EDF gebeten, die Verantwortung für die ersten Betriebsjahre zu übernehmen. EDF schickte daraufhin etwa sechzig Mitarbeiter, um die Anlage in Betrieb zu nehmen und die chinesischen Teams zu schulen, die innerhalb weniger Jahre die Leitung ihrer Anlage übernehmen sollten.

1995, gerade als Daya Bay in Betrieb ging, bestellte die CGNPC eine zweite Anlage nach französischem Vorbild am selben Standort. Die EDF sollte technische Hilfe leisten und französische Unternehmen sollten als Zulieferer auftreten, aber Ling Ao wird ein chinesisches Kraftwerk sein, das unter chinesischer Verantwortung von chinesischen Unternehmen gebaut wird. China hat seine Autonomie in diesem Bereich erlangt.

Dies wird einer engen Zusammenarbeit zwischen französischen und chinesischen Betreibern nicht im Wege stehen: Erfahrungsaustausch, Ersatzteile, Unterstützung bei Zwischenfällen... Daya Bay und Ling Ao nehmen an Leistungswettbewerben für französische Kraftwerke teil und gewinnen häufig den ersten Preis. Diese Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der 56 französischen Reaktoren und der 36 chinesischen Reaktoren der gleichen Technologie wird noch heute fortgesetzt.

Im Jahr 2007 lud CGN Frankreich ein, zwei EPR-Reaktoren am Standort Taishan zu bauen, und die EDF sollte weitere Investitionen vornehmen. Diese in der Geschichte Chinas einzigartige Vereinbarung wurde für die fünfzigjährige Lebensdauer der Anlage unterzeichnet.

Der nächste Schritt war 2013 die Verpflichtung von CGN gegenüber EDF, zwei EPRs in Hinkley Point im Vereinigten Königreich zu bauen und zu betreiben, mit der Aussicht, zwei weitere Anlagen in Sizewell und zwei HPRs, das chinesische Hualong-Modell, in Bradwell zu bauen.

Diese Zusammenarbeit wird ein Jahrhundert dauern.

Die Partnerschaft zwischen Frankreich und China gipfelte in der Reise von Premier Li Keqiang nach Frankreich Ende Juni 2015, bei der die gemeinsame Erklärung zur Vertiefung der französisch-chinesischen Zusammenarbeit im Bereich der zivilen Kernenergie bekräftigt wurde. Sie sieht eine umfassende Zusammenarbeit „vom Bergbau bis zur Wiederaufbereitung“ in allen Betriebsbereichen, die Konzeption neuer Mittel- und Hochleistungsreaktoren, deren Bau in China, Frankreich und Drittländern, die Vereinigung von Industriellen aus beiden Ländern und den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage in China vor. Alle französischen Unternehmen, angefangen mit AREVA und Alstom, und die rund hundert Mitglieder des Verbandes Partenariat France Chine Electricité (PFCE) sind an diesem Abkommen beteiligt, das immense Perspektiven eröffnet.

Das gegenseitige Vertrauen hat seinen Höhepunkt erreicht.

Die industrielle Allianz zwischen Frankreich, das über die weltweit größte Betriebserfahrung mit KKWs verfügt, und China, das das größte Atomprogramm der Geschichte aufbauen wird, ist ein Gewinn für beide Länder und darüber hinaus für die Sicherheit und den Fortschritt der Atomenergie weltweit.

Diese historische Partnerschaft ist das Ergebnis der Arbeit von Männern und Frauen, die auf ein gemeinsames Projekt gesetzt und sich gegenseitig ihr Vertrauen geschenkt haben. Heute sind sie durch freundschaftliche Bande verbunden.

In einem so strategischen Bereich wie der Kernenergie ist eine solche Partnerschaft ein Grundstein für die Zusammenarbeit und den Frieden zwischen Völkern und Nationen.

Und wenn diese Zusammenarbeit heute unter dem Einfluss verschiedener negativer Einflüsse etwas geschwächt ist, so hoffen wir, dass sie wiederbelebt wird. Ihre Grundlagen sind nach wie vor intakt, und sie ist sicherlich nicht nur im gegenseitigen Interesse unserer beiden Länder, sondern auch ein Beitrag zu Fortschritt und Frieden in der Welt.