Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Wie die selbstzerstörerische Wut in der Ukraine als Waffe mißbraucht wird

Von Garland Nixon

Garland Nixon war Moderator der Sputnik-Radiosendung „The Critical Hour" („Die kritische Stunde“). Er arbeitete mehr als 20 Jahre im Polizeidienst und unterrichtete dann mehrere Jahre lang Strafrecht, bevor er sich ganz dem Journalismus zuwandte.

Ich danke Ihnen für die Einladung. Ich denke, dies ist ein sehr wichtiges Gespräch, denn eines der Themen, über die wir sprechen, ist: „Wie konnte es soweit kommen?“

Ich habe vor einigen Monaten eine Umfrage gesehen – viele haben sie wahrscheinlich gesehen –, in der gefragt wurde, ob die Amerikaner bereit wären, die Ukraine weiter zu unterstützen, auch wenn das einen Atomkrieg bedeuten kann, und die Zustimmung war erschreckend hoch. Unheimlich viele Demokraten und Republikaner haben das bejaht! Und da stellt sich die Frage: Es ist eine Sache, wenn man sagt, wir schlafwandeln in einen Atomkrieg hinein, wir schlafwandeln in eine Katastrophe. Die andere Sache, die meiner Meinung nach hier eher zutrifft, ist, daß Menschen ganz bewußt auf eine Katastrophe zusteuern und ganz bewußt sagen: „Vorwärts, das machen wir! Wir müssen alle zusammenstehen.“

Wie kann so etwas passieren? Ich verwende dafür den Begriff „Instrumentalisierung der Wut als Waffe“, und ich will Ihnen einige Beispiele dafür nennen. Das letzte Beispiel werden die ukrainischen Extremisten sein.

Zuerst einmal: Um normale Menschen aus der Arbeiterklasse, die berufstätigen Armen usw. dazu zu bringen, sich den Wünschen der Reichen und Mächtigen anzuschließen, müssen diese sie davon überzeugen, daß ihre Interessen übereinstimmen: „Wir haben dieselben Interessen, wir haben dieselben Feinde, wir haben dieselben Bedürfnisse“ usw. Und eine der Möglichkeiten dazu – und das hier ist ein Beispiel – ist es, Wut als Waffe einzusetzen. Entweder findet man einen Bereich, wo Wut und Zorn bereits vorhanden sind, oder man schürt sie künstlich, wo sie noch nicht vorhanden sind.

Ein Beispiel für das Schüren von Wut wäre die Dämonisierung von Staatsführern anstelle von Ländern. Das Land Syrien existiert nicht, es gibt nur eine Person namens Assad. Statt Venezuela gibt es eine Person namens Maduro. Statt Libyen gibt es eine Person namens Gaddafi. Sie sagen nie „Rußland“, sie sagen immer: „Putin tut das. Putin, Putin, Putin.“ Oder früher Saddam Hussein. Man dämonisiert die Person. Man macht aus ihr eine unheimlich böse, teuflische Figur, und man schafft ein Umfeld, in dem sich alle „guten“ Menschen – wir sind natürlich alle auf der Seite des Guten – gegen diesen Bösewicht verbünden müssen.

Dann sind wir alle in diesem wunderbaren Kampf gegen das Böse vereint. Unsere Interessen stimmen überein, wir sind alle zornig und wütend. „Dieser Mann setzt Massenvernichtungswaffen gegen sein eigenes Volk ein, er tut alle diese schrecklichen Dinge!“ Man ist wütend auf diese Person, man ist zornig auf sie, man hegt Groll. Und natürlich ist die begleitende Emotion zur Wut die Angst, also haßt man diese Person, aber gleichzeitig fürchtet man sie auch.

Wenn das geschafft ist, sind alle auf einer Linie, denn die Reichen, die Oligarchen, die Mächtigen sagen: „Ich hasse Assad, haßt ihr ihn nicht auch? Ich hasse Putin, haßt ihr Putin nicht auch? Die sind schrecklich!“ Und man muß gemeinsam diese Person mit ihren bösen Machenschaften aufhalten und unschädlich machen, egal was geschieht.

Jetzt kann man die Menschen mitziehen, man kann die Wut und den Zorn, die man gegen den „Bösewicht“ erzeugt hat, ausnutzen und die Menschen dazu bringen, so zu denken, zu handeln und Risiken einzugehen, wie sie es normalerweise niemals tun würden. Denn jetzt sind sie überzeugt, daß sie Teil dieses riesigen Kreuzzugs für das Gute sind, der diesen Bösewicht aufhalten muß.

Der Feind meines Feindes…

Eine Möglichkeit besteht also darin, Wut auf das Ziel zu schüren und diese Wut als Waffe einzusetzen. Eine andere Möglichkeit, mit der wir alle sehr vertraut sind, funktioniert in etwa so:

    Warum scheinen sich die USA immer mit extremistischen Organisationen zu verbünden? Da gibt es die Volksmudschaheddin (Mujahedin-e-Khalq, MEK), sie haben ein Lager in Albanien. Wenn man sich mit ihnen befaßt, sieht man, daß die Iraner sie hassen, das iranische Volk haßt sie. Sie betrachten sie als Verräter, denn sie waren an gewalttätigen terroristischen Angriffen auf den Iran beteiligt. Sie sind eine wirklich seltsame quasi-religiöse Sekte, die von den USA angestachelt wird.

    Was hat es mit ihnen auf sich? Sie sind wütend und zornig auf die iranische Führung. Also kommen die USA an und sagen: „Hey, ihr haßt die iranische Staatsführung?“ „Ja, das tun wir.“ „Ihr seid wütend und zornig auf sie, nicht wahr?“ „Ja, das sind wir.“ „So ein Zufall, wir auch. Ich denke, wir müssen uns zusammentun. Unsere Interessen stimmen überein. Warum helfen wir euch nicht und arbeiten zusammen, um diese bösen Leute, die ihr so sehr haßt, zu vernichten?“

    Und jetzt schauen Sie auf die Ukraine. Was ist dort los? Sie gehen dorthin und sagen: „Wen oder was gibt es hier? Da sind ein paar Nazis.“ Sie gehen zu den Nazis: „Ihr haßt doch die Russen?“ „Niemand haßt die Russen mehr als wir. Wir verachten sie zutiefst.“ „So ein Zufall, wir sehen das ganz genauso. Unsere Interessen stimmen überein, wer hätte das gedacht. Ich habe da eine Idee: Warum helfen wir euch nicht? Wir arbeiten zusammen, um diese bösen Russen zu vernichten.“

    Wie schaut es nun aus? Man kommt in ein Umfeld, in dem es Extremisten gibt, die voller Wut sind. Sie hassen die Russen – oder wer auch immer das Ziel ist, in diesem Fall eben die Russen. Man kommt hin, und diese Wut ist die Waffe, die man einsetzt. Man benutzt die Wut als Waffe gegen den Gegner, aber auch gegen die – in Anführungszeichen – „Verbündeten“. Die Nazis, die Faschisten sind also die angeblichen „Verbündeten“. Man nutzt sie aus und überzeugt sie: „Ihr müßt für uns alle eure Männer im wehrfähigen Alter vor die russische Artillerie werfen und totschießen lassen. Wir wollen Rußland eine Zeitlang schikanieren, indem wir ihnen immer mehr von euren Leichen vor die Füße werfen; indem wir aus eurem Land eine Ruine machen.“ Wichtig ist, daß man sie dazu bringt, mitzumachen. Man kann ihre Wut ausnutzen und sie aufstacheln.

Eines der Dinge, die nach 2014 geschahen, nachdem die USA die ukrainische Regierung gestürzt hatten – das ist interessant, da haben viele von Nazis in der Ukraine gesprochen, denn sie waren schon damals dort, es gab einige davon. Aber nachdem die USA die Kontrolle über die Regierung übernommen hatten, haben sie unter anderem deren Macht gestärkt und ausgebaut. Diese faschistischen Milizen wurden erst nach der Machtübernahme durch die USA formell Teil des ukrainischen Militärs. Nachdem die USA an die Macht gekommen waren, machten sie sie formell und ganz offiziell zu einem Teil der ukrainischen Streitkräfte und werteten sie in vielerlei Hinsicht auf. Sie machten sie fast zu einer Ikone der Verteidigung der Ukraine; sie förderten diesen Nationalismus. Sie wurden zu Helden gemacht, Schurken und Helden. Sie machten sie zu Helden, sie gaben ihnen Waffen, und dann nutzten sie diesen Haß, diese Wut und diesen Zorn, um praktisch das ganze Land in den Selbstmord zu treiben.

Lassen Sie mich dies hinzufügen: Sie machen dasselbe mit Polen, mit der Slowakei usw. Sie gehen zu den baltischen Staaten, die die Russen hassen, und sagen: „Ihr haßt die Russen? Habt ihr diese Wut auf die Russen?“ „Ja, das haben wir; wir hassen sie.“ „Perfekt! Das tun wir auch.“

Das ist die Nutzung der Wut als Waffe. Aber wenn die Wut zur Waffe wird, richtet sie sich nicht nur gegen den Gegner, gegen das Ziel, sondern auch gegen die vorübergehenden angeblichen Verbündeten. Denn man muß Menschen zu Handlungen überreden, die ihrer eigenen Gesundheit, ihrem eigenen Wohlbefinden, ihren Familien und allem anderen schaden. Daß sie das alles über Bord werfen, nur weil sie glauben, daß man mit ihnen verbündet ist.

Und lassen Sie mich noch etwas hinzufügen: Das funktioniert am besten, wenn man einen schwachen Verbündeten hat, wenn man ein Szenario „David gegen Goliath“ schaffen kann. Man geht zu dem Verbündeten und sagt: „Ihr wollt gegen die Russen kämpfen, richtig? Aber ihr seid sehr schwach und deshalb nicht in der Lage, gegen die Russen zu kämpfen, nicht wahr?“ „Nein.“ „Aber wir würden das gerne, und wir sind sehr, sehr mächtig. Ihr könnt euch unsere Macht zunutze machen, und jetzt könnt ihr sehr, sehr mächtig sein.“

Man überzeugt sie irgendwie davon, daß man da sein wird, um sie zu unterstützen und ihnen zu helfen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten – was man aber nicht tut. Man macht die Wut zur Waffe und benutzt sie gegen die „Verbündeten“, um sie zu Handlungen zu bewegen, die nicht in ihrem Interesse sind. Und man benutzt ihre Wut, um Gegner anzugreifen. Sie sind also nur das Werkzeug.

„Ihr müßt Opfer bringen“

Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, so machen sie es mit ganz Europa.

Wenn man sich Europa anschaut, gibt es immer noch in Westeuropa eine unterschwellige Emotion, ich würde es eine Art Rassismus gegen slawische Menschen nennen. Man kann zu diesen Menschen gehen und sagen: „Seht her, die Russen sind nicht so gute Menschen wie wir, das sind Untermenschen, usw.“ Seien wir ehrlich, es gibt immer noch etwas davon in Europa. Und das kann man ausnutzen, um zu sagen: „Die Russen sind ein Haufen Barbaren, und wir müssen uns ihnen widersetzen. Dafür werdet ihr einige Opfer bringen müssen.“

Worauf läuft alles am Ende wieder hinaus? „Ihr müßt Opfer bringen, große Opfer. Aber ihr seid ein Teil dieses riesigen Bündnisses gegen die Leute, die ihr haßt – die Leute, auf die ihr eine Wut habt.“ Und diese Wut schürt und nährt man, denn die Wut ist die Waffe, mit der man solche Stellvertreter gegen einen Gegner einsetzen kann, und auch Gegner dazu bringen kann, ihre eigenen Interessen zu vergessen und zu glauben, daß ihre Interessen mit unseren übereinstimmen, so daß sie praktisch zu Selbstmordattentätern werden.

Ich denke, das ist es, was in Europa vor sich geht. Aber vergessen Sie nicht, das gleiche passiert mit dem amerikanischen Volk. Das ist für unsere Diskussion sehr relevant, denn das ist einer der Wege, wie die Amerikaner überredet werden. Hassen Sie Putin oder Rußland? Und das Gleiche fängt auch mit China an: Hassen Sie diesen anderen Gegner?

Es ist verantwortungslos – davon reden wir hier ja alle –, für eine neokonservative Phantasie ewiger Weltherrschaft alle Menschen auf der Erde in Gefahr zu bringen. Aber den Menschen wird etwas vorgemacht: „Nein, nein, darum geht es doch nicht. Es geht darum, daß wir alle zusammen Gutes tun müssen, gegen diesen Bösewicht da draußen.“

Und dann füttert man sie ständig weiter, ob es nun um „Russiagate“ geht oder was auch immer. Man füttert sie mit immer mehr Gründen, diesen Gegner zu hassen. Und wenn dann jemand zu ihnen sagt: „Leute, ihr wißt, daß ihr einen Atomkrieg und die Vernichtung der Menschheit riskiert?“ Dann heißt es: „Ja! Aber ich bin Teil einer Gruppe, die gegen das Böse kämpft. Das ist wichtiger als alles andere, ganz egal, was passiert. Was wir riskieren, spielt keine Rolle, denn wir haben uns alle zusammengeschlossen, um gegen das Böse zu kämpfen.“

Ich halte es für wichtig, diese Diskussion zu führen und das zu verstehen, denn wir müssen die Menschen dazu bringen, zu verstehen, daß sie irregeführt werden. Man muß den Menschen bewußt machen, daß ihr Zorn und ihre Wut künstlich erzeugt und als Waffe gegen sie selbst und ihre Gegner eingesetzt werden.

Ich habe festgestellt, wenn ich im Radio über dieses Phänomen spreche, daß Menschen dort anrufen, die kopfschüttelnd sagen: „Jawohl, das macht Sinn.“

Natürlich sieht man im Radio nicht, wie sie den Kopf schütteln, aber Sie verstehen, worauf ich hinaus will. Das also war mein Vortrag, vielen Dank.