Wir sind verpflichtet, für den Frieden zu sprechen und zu handeln
Im Rahmen der Internetkonferenz am 4. Februar sprachen auch
drei afroamerikanische Geistliche. Wir dokumentieren im folgenden ihre
Beiträge.
© Schiller-Institut
Pastor Robert Smith Jr.
Pastor Robert Smith, New Bethel Baptist Church, Detroit, Vorsitzender des Foreign Mission Board, National Baptist Convention, USA:
Hallo, ich bin Robert Smith Junior. Ich habe das große Glück, Pastor der
New Bethel Baptist Church in Detroit, Michigan, zu sein. Das war die Kirche,
in der Dr. Martin Luther King jr. zum ersten Mal seine Rede „Ich habe einen
Traum“ hielt.
Pastor C.L. Franklin, der sehr viele großartige Dinge für den Weltfrieden
getan hat, für die Bürgerrechte und insbesondere dafür, Menschen in Liebe
zusammenzubringen, ist so bekannt für seine klaren Reden und für die Stimme
seiner Tochter, Aretha Franklin, daß viele großartige Dinge über diese Kirche
allerdings nie erwähnt werden. Es handelt sich um eine historische Kirche, die
wegen der Veränderungen, die sie in Detroit bewirkt hat, in die
Geschichtsbücher eingegangen ist. Oder besser gesagt: Franklin hat dort im
Oktober 1969 die panafrikanische Bewegung ins Leben gerufen, die in den
folgenden zehn Jahren alles in Detroit verändert hat: Viele Schwarze wurden in
Richterämter, in den Stadtrat und sogar in das Amt des Bürgermeisters und des
Kongreßabgeordneten gebracht.
Als der Golfkrieg ausbrach, verurteilte unsere Kirche Präsident Bush und
machte einen weltweiten Aufruf zum Frieden. Alle nationalen Medien waren
dabei, unser Bürgermeister und andere, und wir schlugen Alarm für das, was in
Detroit gebraucht wurde: Arbeitsplätze, Wohnungen, auch anständige
Bildungseinrichtungen wurden in Detroit gebraucht. Was wir aber nicht
brauchten, war, Menschen von dort in die ganze Welt zu schicken, um andere
dunkelhäutige Menschen zu töten.
Dieser Krieg macht uns traurig, und er macht uns auch Angst, denn er ist
anders als die meisten anderen vergleichbaren Ereignisse. Er geht hier es um
etwas, das man als „Weiß gegen Weiß“ bezeichnen könnte, und das führt hin zu
einem globalen Krieg. Kriege gibt es ständig. In ganz Afrika gibt es ständig
Konflikte, derzeit etwa 92, aber das ist Schwarz gegen Schwarz. Es ist schon
etwas anders, wenn es sich um Weiß gegen Braun oder Weiß gegen Schwarz
handelt. Aber wenn ein Krieg „Weiß gegen Weiß“ zu lange dauert, dann bringt er
massiven Zerstörungen, so wie im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Und unsere
Befürchtung ist, daß wir uns wieder in diese Richtung bewegen!
Ich bin auch Vorsitzender der „Auslandsmission“, wie es die amerikanische
National Baptist Convention nennt. Ich spreche von der „Weltmission“, denn in
Christus gibt es keine Ausländer. Wie Jesus sagte: „Letztendlich nenne ich
euch Freunde.“ Wir brauchen die gleiche Einstellung wie der Papst, zu diesem
Krieg, zu all dem unnötigen Töten, zur Ausbeutung Afrikas, die schon ewig
andauert. Ja, die Krümel sind aus den gleichen Zutaten wie der Kuchen: Aber es
ist an der Zeit, daß Afrika etwas mehr bekommt als die Krümel. Sie brauchen
ein Stück vom Kuchen, oder einen ganzen Kuchen für sich!
Deshalb bitten wir Sie, uns zu helfen, einen weltweiten Aufschrei zu
verbreiten. Es reicht nicht, daß der Papst es tut – und wir danken Gott für
ihn und seinen Aufschrei für Afrika und gegen den Atomkrieg –, wir brauchen
jeden, wirklich jeden führenden Geistlichen! Methodisten, Presbyterianer,
Baptisten, Pfingstler.
Die Kirche ist das Salz der Erde, das heißt, es muß die Unmoral
herausziehen! Sie ist das Licht der Welt, das heißt, sie zeigt den Weg! Ich
fürchte, wir haben uns zu lange zurückgehalten. Ja, es ist gefährlich,
Stellung zu beziehen: Wenn es um Geld geht, fließt meist Blut. Martin (King)
starb in jungen Jahren, Jesus starb in jungen Jahren, Malcolm X starb in
jungen Jahren: Aber wir müssen es überwinden, uns selbst zu belügen, um eine
bessere Welt zu schaffen, für unsere Kinder und die Kinder unserer Kinder.
Wir beten darum, daß Sie sich dem Aufruf anschließen und dazu beitragen,
daß nicht länger Milliarden von Dollar für das Töten anderer Menschen
ausgegeben werden. Geben wir Milliarden von Dollar aus, um die Obdachlosen zu
beherbergen und die Nackten zu bekleiden. Geben wir Milliarden von Dollar aus,
um die Hungernden zu ernähren. Gott segne Sie!
© Erie County TV
Reverend Kinzer Pointer
Rev. Kinzer Pointer, Pastor, Agape Fellowship Baptist Church
(2010-19), Liberty Missionary Baptist Church, Buffalo, New York:
Brüder und Schwestern, guten Tag. Ich bin Pastor Kinzer Pointer, Pastor der
Liberty Missionary Baptist Church.
Ich stehe heute vor Ihnen, weil ich mit den Worten des großen sozialen
Aktivisten des 20. Jahrhunderts, Martin Luther King jr. sprechen will. Warum
gerade heute? Weil Martin Luther King vor 55 Jahren von der Kanzel der
Riverside Church in Manhattan eine Rede hielt mit dem Titel „Es ist Zeit, das
Schweigen zu brechen“. Ich denke, daß wir heute, angesichts der Ereignisse in
der Ukraine, mehr als alles andere an dem Punkt sind, an dem es Zeit ist, das
Schweigen zu brechen. King brach das Schweigen über die Notwendigkeit, den
Frieden zu suchen, und deshalb denke ich, daß es für uns wirklich angebracht
ist, noch einmal zu hören, was Martin sagte. Ich werde also Auszüge verwenden
und diese Auszüge mit dem aktuellen Stand der Dinge verknüpfen.
Das sagte Martin King:
„Einige von uns, die bereits begonnen haben, das Schweigen der Nacht zu
brechen, haben festgestellt, daß die Berufung zum Sprechen oft eine Berufung
der Qual ist, aber wir müssen sprechen. Wir müssen mit all der Demut sprechen,
die unserer begrenzten Sichtweise angemessen ist, aber wir müssen sprechen.
Und wir müssen uns auch freuen, denn es ist sicherlich das erste Mal in der
Geschichte unserer Nation, daß sich eine bedeutende Anzahl religiöser Führer
dazu entschlossen hat, über die Prophezeiungen eines einfachen Patriotismus
hinauszugehen und sich auf den hohen Boden eines entschiedenen Widerspruchs zu
begeben, der auf den Geboten des Gewissens und dem Verständnis der Geschichte
beruht. Vielleicht erhebt sich unter uns ein neuer Geist. Wenn dem so ist,
laßt uns seinen Bewegungen nachspüren und dafür beten, daß unser Inneres für
seine Führung empfänglich ist, denn wir brauchen dringend einen neuen Weg
jenseits der Dunkelheit, die uns so dicht zu umgeben scheint.
In den vergangenen zwei Jahren, in denen ich den Verrat meines Schweigens
durchbrochen und aus dem Brennen meines Herzens gesprochen habe, in denen ich
zu einer radikalen Abkehr von der Zerstörung Vietnams aufgerufen habe, haben
mich viele Menschen gefragt, ob mein Weg der richtige war. Im Mittelpunkt
ihrer Besorgnis stand oft diese Frage: ,Warum sprechen Sie über den Krieg, Dr.
King?‘ ,Warum schließen Sie sich den Stimmen des Widerspruchs an?‘ ,Frieden
und Bürgerrechte lassen sich nicht vermischen‘...
Wenn ich diese Fragen höre, verstehe ich zwar oft den Grund für ihre
Besorgnis, bin aber dennoch sehr traurig, denn solche Fragen bedeuten, daß die
Fragesteller mich, mein Engagement oder meine Berufung nicht wirklich kennen.
Ihre Fragen lassen sogar darauf schließen, daß sie nicht wissen, daß die Welt,
in der sie leben, voller Gewalt ist.
Da ich von Beruf Prediger bin, überrascht es wohl nicht, wenn ich sieben
wesentliche Gründe habe, Vietnam in meine moralische Vision einzuschließen.
Vor allem gibt es einen ganz offensichtlichen, fast naheliegenden Zusammenhang
zwischen dem Krieg in Vietnam und dem Kampf, den ich und andere in Amerika
führen. Vor einigen Jahren gab es in diesem Kampf einen glänzenden Höhepunkt.
Es schien so, als ob das Armutsprogramm den Armen – sowohl den Schwarzen als
auch den Weißen – echte Hoffnung geben würde. Es gab Experimente, Hoffnungen,
neue Anfänge.
Dann kam die Zuspitzung in Vietnam, und ich sah, wie dieses Programm
zerschlagen und ausgeweidet wurde, als wäre es ein müßiger politischer
Spielball einer vom Krieg verrückt gewordenen Gesellschaft. Und ich wußte, daß
Amerika niemals die notwendigen Mittel oder Energien in die Rehabilitation
seiner Armen investieren würde, solange Abenteuer wie Vietnam weiter Männer,
Fähigkeiten und Geld anzogen wie ein großer dämonischer, zerstörerischer
Staubsauger. So sah ich mich zunehmend gezwungen, den Krieg als Feind der
Armen zu betrachten und ihn als solchen anzugreifen.“1
Das war vor 55 Jahren, und daran hat sich nichts geändert. Jetzt sind wir
voll und ganz in die Geschehnisse in der Ukraine verwickelt, aber nicht, weil
wir nach Gerechtigkeit streben, was wir eigentlich tun sollten. Sondern wir
sind in die Ukraine verstrickt, weil das die Räder des Kapitalismus am Laufen
hält. Und wir sind uns nicht bewußt, daß diese Räder direkt über unser eigenes
Volk hinwegrollen, und wir geben begeistert Hunderte von Millionen Dollar aus,
um einen ungerechten Krieg zu unterstützen, obwohl wir schon vor Jahren hätten
offen sprechen können, als der erste Überfall in der Ukraine stattfand, aber
wir haben wenig gesagt und nichts getan.
Und nun sind wir hier, 55 Jahre nachdem King auf das Debakel hingewiesen
hat, das Vietnam war und ist, und wir tun es wieder. Ich rufe dazu auf, den
Frieden zu suchen, ohne Zweideutigkeiten, ohne Bedingungen, sondern einfach,
um mit jedem Mann, jeder Frau, jedem Jungen und jedem Mädchen auf diesem
Planeten in Frieden zu leben. Wenn wir schon Hunderte von Millionen Dollar
ausgeben müssen, dann laßt sie uns nutzen, um auf die Schreie unserer Brüder
und Schwestern zu antworten, für die Armen, für die Hungernden, für die, die
ohne Kleidung sind, und auch für die, die schutzlos den Klimabedingungen
ausgesetzt sind, die wir auf der ganzen Welt sehen. Laßt uns unsere Stimme
erheben, nicht nur für das ukrainische Volk, sondern auch für das russische
Volk, das unnötigerweise in einem Konflikt stirbt, der nichts anderes ist als
die Förderung kapitalistischer Ideen, die nichts damit zu tun haben, daß wir
jeden Menschen lieben sollen – jeden Mann, jede Frau, jeden Jungen und jedes
Mädchen, die wir das Privileg haben zu treffen, und auch diejenigen, die wir
nicht das Privileg haben zu treffen.
Und so bitte ich und flehe ich: Setzen wir uns an den Tisch des Friedens.
Legen wir die Kriegswaffen beiseite und beginnen wir mit einem echten Dialog,
als Menschen, die sich um die Lage unserer Brüder und Schwestern sorgen –
nicht um den Militärisch-Industriellen Komplex in Amerika am Laufen zu halten,
sondern um die Menschlichkeit unserer Brüder und Schwestern in diesem Konflikt
in der Ukraine wirklich zu würdigen. Wir sollten uns vom Abgrund eines Dritten
Weltkriegs zurückziehen und in diesem Konflikt Frieden stiften. Und dann
sollten wir die Dollars nutzen, um Menschen zu helfen, die keine eigenen
Dollars haben, hier bei uns zu Hause und Hunderte von Millionen auf der ganzen
Welt. Laßt uns ihnen gegenüber gerecht handeln!
So beziehe ich mich auf Martin Luther King und sage Ihnen, daß dieser Krieg
ungerecht ist und daß unsere Beteiligung daran darin bestehen muß, daß wir uns
für seine friedliche Beendigung einsetzen.
© Southern University Law Center
Dr. Ernest Johnson
Dr. Ernest Johnson, Professor am Southern University Law Center und Pastor der Windows of Heaven Ministry in Baton Rouge, Louisiana:
Mein Name ist Ernest L. Johnson. Ich bin der emeritierte Präsident der
NAACP von Louisiana; außerdem bin ich Juraprofessor und lehre Bürgerrechte am
Southern University Law Center in Baton Rouge, Louisiana.
Ich bin heute in meiner persönlichen Eigenschaft hier, um der
internationalen Konferenz des Schiller-Instituts dafür zu danken, daß sie mich
eingeladen hat, an dieser Tagung teilzunehmen, die unter dem Motto steht: „Das
Zeitalter der Vernunft oder die Auslöschung der Menschheit?“
Ich denke, das ist ein zentrales Thema für diese Tagung, die hier
stattfindet. Ich glaube, diese Botschaft sollte in die ganze Welt hinausgehen,
denn der Krieg mit der Ukraine ist einfach falsch. Ich sage es noch einmal:
Der Krieg mit der Ukraine ist schlichtweg falsch.
Ich schließe mich den Stimmen anderer Menschen guten Gewissens an und
fordere die sofortige Aufnahme von Friedensverhandlungen in der Ukraine, ohne
Vorbedingungen; eine Friedensdiskussion ohne Vorbedingungen. Wir brauchen eine
friedliche Lösung für den Konflikt, der derzeit in der Ukraine tobt, und für
den ungerechten Krieg gegen dieses Land und seine Bevölkerung. Kreative,
gewaltfreie direkte Aktionen sind der beste Weg, um Gerechtigkeit zu
erreichen.
Ich sage das noch einmal: Kreative gewaltfreie direkte Aktionen sind der
beste Weg, um Gerechtigkeit für alle zu erreichen. Denn Ungerechtigkeit, egal
wo, bedroht die Gerechtigkeit überall, wie Dr. King 1967 in seinem Kampf für
die Beendigung des Krieges in Vietnam sagte. Wir schließen uns Dr. Kings
Worten an, der in seiner letzten Rede zu einer friedlichen Lösung aufrief.
Und schließlich möchte ich Papst Franziskus und dem Vatikan für ihr Angebot
danken, bei den friedlichen Verhandlungen über den Konflikt in der Ukraine zu
helfen. Wir ermutigen andere religiöse Führer in der ganzen Welt, sich Papst
Franziskus anzuschließen, und wir wollen sehen, ob wir nicht Gebete zum Himmel
steigen lassen können, damit der Segen in Form eines sofortigen
Waffenstillstands in der Ukraine herunterkommt. Und daß die Menschen in der
Ukraine auch nach dem Ende dieses Konflikts versorgt werden.
Nochmals vielen Dank an Sie alle.
Anmerkung
1. https://www.americanrhetoric.com/speeches/mlkatimetobreaksilence.htm
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