Italien und der Krieg
Ein wichtiges Referendum zur Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine
Von Alessia Ruggeri
Alessia Ruggeri ist Gewerkschafterin und Mitglied der von
Helga Zepp-LaRouche gegründeten Internationalen Koalition für den Frieden.
„Italien lehnt den Krieg als Instrument der Aggression gegen die Freiheit
anderer Völker und als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten ab.
Italien stimmt unter den Bedingungen der Gleichheit mit anderen Staaten den
Beschränkungen der Souveränität zu, die für eine Weltordnung, die Frieden und
Gerechtigkeit unter den Nationen gewährleistet, notwendig sein können. Italien
fördert und ermutigt internationale Organisationen, die diesen Zielen
dienen.“
So lautet Artikel 11 der italienischen Verfassung, auf den sich das
Referendum „Krieg ablehnen“ stützt, für das derzeit in Italien geworben wird.
60% der italienischen Bevölkerung, die ich hier vertrete, sind gegen die
Entscheidung der italienischen Regierung, Waffen an die Ukraine zu liefern,
und halten dies für eine vollständige Knechtschaft gegenüber der EU und der
NATO.
Unsere Verfassung sieht vor, daß, wenn 500.000 Bürger mit einem Gesetz des
Parlaments nicht einverstanden sind, dieses Gesetz durch ein Referendum
aufgehoben werden kann. Genau das schlägt das Komitee „Krieg ablehnen“
von Prof. Pennetta vor, das ein Referendum anstrebt und dabei auf viele
Schwierigkeiten stößt.
Das Komitee „Krieg ablehnen“ hat bisher 150.000 von 500.000 Unterschriften
gesammelt (es hat zwei Monate Zeit, sie zu sammeln). Mit diesem Instrument
wollen die Italiener deutlich machen, daß sie einen Krieg gegen Rußland nicht
gutheißen.
Einige mögen argumentieren, der vom italienischen Parlament gefaßte
Beschluß stehe im Einklang mit internationalen Verträgen und supranationalen
Regeln, die Italien verpflichten, sich an die Entscheidungen der Staaten zu
halten, mit denen es internationale Verträge geschlossen hat.
Dazu gehören die NATO und die EU. Hier sind einige Zitate, die den
Sachverhalt verdeutlichen.
26.03.2023 „Niemand hat jemals, zu keiner Zeit und an keinem
Ort, versprochen, daß die NATO sich nicht östlich von Deutschland ausdehnen
würde.“ Dies sind die Worte von NATO-Generalsekretär Stoltenberg;
03.06.1991 „Wir haben in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen
deutlich gemacht, daß wir die NATO nicht über die Elbe hinaus ausdehnen. Wir
können daher Polen und den anderen [mittel- und osteuropäischen Staaten] keine
NATO-Mitgliedschaft anbieten.“ Ich habe Ihnen soeben die Worte des deutschen Diplomaten Jürgen Chrobog vorgelesen.
09.05.2014 Die Trilaterale Kontaktgruppe zur Ukraine, bestehend aus
Vertretern der Ukraine, Rußlands und Vertretern der beiden separatistischen
Republiken, besiegelte eine Vereinbarung, die neben dem Waffenstillstand auch
eine Verfassungsreform der ukrainischen Regierung vorsieht.
Eine Reform zum Schutz der Republiken Donezk und Lugansk fand nicht statt,
und wir können feststellen, daß die Ukraine diese Vereinbarungen nicht erfüllt
hat.
Wir Europäer waren die Garanten dieses Abkommens, aber wir haben nichts
getan, um es durchzusetzen oder umzusetzen.
Man kann also mit Fug und Recht behaupten, daß wir Europäer weder über
politischen Verstand noch über ein historisches Gedächtnis verfügen und daß
dieser gefährliche Krieg nur das Ergebnis eines mangelnden politischen Willens
ist, Länder außerhalb der EU zu schützen.
Wollen wir wirklich das Schicksal der Welt in die Hände von Leuten legen,
die solche Institutionen repräsentieren und die sich an keine Vereinbarungen
halten?
Haben wir schon vergessen, was vor 20 Jahren im Irak geschah? 600.000
zivile Opfer und so viele Soldaten, die ihr Blut vergossen haben.
Wir müssen verstehen, daß niemand mehr sicher ist und daß bald ein
Atomkrieg droht, wenn diejenigen, die etwas tun können, es nicht tun.
Das Schiller-Institut hat vor einigen Monaten einen Aufruf zum Weltfrieden
veröffentlicht, in dem der Westfälische Friede als Vorbild genannt wird, der
es ermöglichte, mehr als 30 Jahre blutiger Kriege zu beenden. Daß wir uns für
den Frieden eingesetzt haben, brachte mir und einigen Kollegen des
Schiller-Instituts einen Platz auf der Schwarzen Liste des ukrainischen
Nationalen Sicherheits- und Verteidigungszentrums ein. Aber wir setzen uns
weiter für den Frieden ein, indem wir uns für eine Neue Architektur für den
Frieden und für die Entwicklung aller Länder einsetzen. Es ist wichtig zu
verstehen, daß es neben der militärischen Sicherheit des eigenen Staates
notwendig ist, über eine neue Struktur nachzudenken, die die Entwicklung der
Staaten fördert, die sich noch in der Entwicklung befinden.
Die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, hat in dieser
Hinsicht zahlreiche Aufrufe gestartet, inspiriert von dem Philosophen Nicolaus
Cusanus, der in einem seiner Werke, De Pace Fidei, davon ausgeht, daß
seine Gesprächspartner die Existenz von Gott, dem Schöpfer, und des
Naturrechts anerkennen.
Ein Appell von weltweiter Bedeutung war der von Papst Franziskus, der sich
bereit erklärt hat, für den Frieden zu vermitteln, aber leider lehnte Kiew
diesen Vorschlag ab, während er von der Regierung in Moskau akzeptiert wurde.
„Im Namen Gottes, stoppt den Wahnsinn des Krieges.“ So lauteten seine
Worte.
In den letzten Tagen war Kardinal Zuppi im Namen des Papstes in Moskau, wo
er sich mit Monsignore Paolo Pezzi, Erzbischof der Mutter Gottes in Moskau,
traf. Er erklärte: „Es ist wichtig, sich nicht dem Vorurteil hinzugeben, daß
der andere ein Feind ist und bleiben wird.“
Wir hoffen, daß diese Worte von den Verantwortlichen beherzigt werden,
damit die Gefahr zweier gegensätzlicher Weltblöcke nur ein Hirngespinst
bleibt.
Genau das ist unsere Aufgabe, nämlich zu versuchen, diese beiden
gegensätzlichen Welten an einen Tisch zu bringen und einen Dialog zwischen
ihnen zustande zu bringen, der nur gute Früchte tragen kann.
Viele Europäer, wie wir Italiener, sind gegen Waffenlieferungen und fühlen
sich durch die Entscheidungen der Regierung weder vertreten noch geschützt.
Ich möchte sie daran erinnern, daß die Politiker dem Volk dienen und nicht
umgekehrt, und daß die Souveränität dem Volk gehört und nicht den Politikern.
Europa hat einen Präzedenzfall, nämlich Jugoslawien, der ein notwendiger
Ansatzpunkt ist.
Wir haben bereits einen Konflikt in Europa erlebt, wir haben uns bereits
gefragt, was zu tun ist, um ihn einzudämmen, und wir haben uns die Frage nach
der Bedeutung des Friedens gestellt. Damals wurde die Entscheidung getroffen,
keine Waffen zu liefern.
Keine Waffen mehr in die Ukraine zu liefern, bedeutet, die Sache des Lebens
gegen die Sache des Todes zu bekräftigen, denn in bewaffneten Konflikten sind
Zivilisten die größten Opfer. Die Lieferung von Waffen ist ein tragischer
Fehler, denn sie setzt die Menschheit, einschließlich der Ukrainer, einer
unendlichen Gefahr aus.
Wenn die Gefahr eines Atomkrieges real wird, gibt es keine gerechten oder
ungerechten Kriege mehr, denn die Auslöschung der Menschheit ist der Maßstab
für die Beurteilung von Recht und Unrecht.
Ich fordere unsere italienischen und europäischen Machthaber auf, die
Vertreter der höchsten Institutionen, diesen Krieg nicht anzuheizen und alles
zu tun, um die Gefahr eines Atomkriegs abzuwenden. Einem Kleinen das Messer in
die Hand zu geben, um sich gegen einen Großen zu wehren, was hat das für einen
Sinn?
Die wirkliche Alternative zum Krieg sind Verhandlungen, aus denen Frieden
entstehen kann. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die
Friedensverhandlungen so bald wie möglich beginnen, und als Vertreter
wichtiger Verbände können wir viel tun, um diesen Prozeß zu beschleunigen: die
Botschaft zu verbreiten und möglichst vielen Menschen zu vermitteln, daß
Frieden die einzige Lösung ist, daß jeder freie Bürger die Kraft eines ganzen
Volkes werden kann, mit der wir, die wir hier versammelt sind, unseren
Landsleuten eine Stimme geben.
Wir sollten auch die Jugend einbeziehen, die sich normalerweise wenig für
Politik interessiert, und sie auffordern, einen Satz über den Frieden auf
ihrem Profil zu posten, und diese Initiative viral gehenlassen. Schon eine
kleine Geste kann die Dinge verändern. Wir müssen diejenigen einbeziehen, die
sich von dieser Weltdynamik weit entfernt fühlen, und ihnen begreiflich
machen, daß es um ihre Zukunft geht.
Wir sind in der glücklichen Lage, wichtige Vereinigungen zu vertreten. Wir
können uns miteinander vernetzen und an eine starke Friedensaktion denken, die
diejenigen beeinflussen kann, die wirklich entscheiden können. Ich danke dem
Schiller-Institut und seiner Präsidentin für die Gelegenheit, diese Themen
anzusprechen.
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