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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Streicht die Schulden für eine Renaissance Afrikas!

Von Diogène Senny,
Generalsekretär der Panafrikanischen Liga UMOJA

Liebe Redner, liebe Teilnehmer, liebe Gäste, im Namen unserer Organisation danke ich dem Schiller-Institut für die Einladung, aus dem Kongo an diesem Moment der Reflexion und des Austauschs teilzunehmen. Ich möchte auch allen Rednern für die Qualität ihrer Beiträge danken, bevor ich das Wort ergreife.

Unser Beitrag trägt den Titel „Alternativen zu anrüchigen und illegitimen afrikanischen Schulden“. Nach einer kurzen historischen Erinnerung an die Ursprünge der verhängnisvollen Schulden, die das Schicksal der afrikanischen Völker plagen, werden wir dann die richtig-falschen Lösungen der internationalen Mächte betrachten, um schließlich zu den Alternativen zu den anrüchigen und illegitimen Schulden zu kommen.

Kurze historische Erinnerung an die Ursprünge der Verschuldung

Die afrikanischen Schulden haben ihren Ursprung in den Mechanismen der Herrschaft und Ausbeutung, die im wesentlichen von den ehemaligen Kolonialmächten unter Komplizenschaft einer afrikanischen Minderheitselite entwickelt wurden.

Tatsächlich standen die ehemaligen Kolonialmächte an der Wende zur afrikanischen Unabhängigkeit in den 1960er Jahren vor zwei großen Herausforderungen – die Kontrolle über die ehemaligen Kolonien zu behalten, indem sie den Aufstieg patriotischer panafrikanischer Persönlichkeiten mit allen Mitteln verhinderten, und gleichzeitig mit Unterstützung der Vereinigten Staaten zu verhindern, daß die Sowjetunion Verbündete in Afrika hat und somit Zugang zu Mineralien und anderen strategischen Ressourcen erhält.

Nachdem trotz einiger Ausnahmen nominell mit dem Osten verbündeter Länder diese beiden Herausforderungen gemeistert waren – u.a. mit der symbolträchtigen Ermordung von Patrice Lumumba 1961 und seiner Ersetzung durch Joseph-Désiré Mobutu –, waren die Bedingungen für die massive und anrüchige Verschuldung Afrikas erfüllt. Und wie jeder weiß, verfügte der Westen dank dreier historischer Phänomene über enorme finanzielle Mittel, um seine Übernahme Afrikas zu erreichen:

  1. Die Privatbanken und das Eurodollar-Phänomen – gekennzeichnet durch ein massives Abwälzen amerikanischer Dollarkredite, die nach dem Marshallplan in die Vereinigten Staaten hätten zurücklaufen müssen, auf Afrika, begünstigt durch selbstgefällige, gleichgeschaltete und habgierige Regime, zum Nachteil ihrer Bevölkerung.

  2. Der Ölschock von 1973 und das Phänomen der Petrodollars – gekennzeichnet durch eine plötzliche Vervierfachung der Ölpreise, deren Einnahmen in westlichen Banken deponiert wurden. So kamen zu den Eurodollars noch die Öldollars hinzu, die nach Afrika fließen, natürlich mit der Komplizenschaft der selbstgefälligen und habgierigen afrikanischen Regime.

  3. Die bilaterale Verschuldung und das Phänomen der gebundenen Entwicklungshilfe – hierbei handelt es sich um eine Art indirekte Subventionierung großer westlicher Unternehmen, deren Gewinne von der afrikanischen Bevölkerung bezahlt werden. Es ging darum, Absatzmärkte für Waren zu finden, die im Westen aufgrund des Kaufkraftverlustes am Ende der „30 Glorreichen Jahre“ [der Nachkriegsjahrzehnte] keine Abnehmer mehr fanden.

Nach den nominellen Unabhängigkeiten wurde die „schlüsselfertige Entwicklung“, die der Westen Afrika auferlegte, begleitet, gefördert und gestaltet von Horden von Söldnern, die man „technische Helfer“ nannte. Diese hervorragend bezahlten „technischen Attentäter“ besetzten die afrikanischen Präsidentschaften und Kabinette wie Entwicklungs-Zauberer. Angesichts des Zustands Afrikas spricht ihr massives Versagen, wie jedermann sieht, für sich selbst. Wir ersparen Ihnen die Litanei all der richtig-falschen Lösungen in den 60 Jahren seit der Unabhängigkeit und wollen stellvertretend nur zwei davon aus den letzten beiden Jahrzehnten nennen:

  1. Die Chirac-Steuer auf Flugtickets. Worum geht es dabei? Im Kampf gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose – drei Pandemien, denen weltweit und besonders in Afrika Millionen zum Opfer fallen – griff Jacques Chirac 2006 in Begleitung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan einen Vorschlag der französischen „Vereinigung für die Besteuerung von Finanztransaktionen und Bürgeraktionen“ (ATTAC) auf, jedes Flugticket zwischen 1 und 40 Euro zu besteuern. Dieser Beitrag sollte 200 Millionen Euro pro Jahr einbringen. Es genügt ein Blick auf die Tragödien, die diese drei Pandemien 2023, also 17 Jahre später, verursachen sollten, um den offensichtlichen Mißerfolg dieser Maßnahme zu erkennen.

  2. Öffentlich-private Partnerschaften: Im Mai 2021 versammelte Emmanuel Macron 21 afrikanische Staatschefs und Leiter der wichtigsten internationalen Finanz- und Handelsorganisationen, um auf den Schock zu reagieren, den COVID-19 für die afrikanischen Volkswirtschaften bedeutete. Der französische Präsident kündigte eine Art „afrikanischen New Deal“ an. Eines der Mittel der Wahl für diese Initiative sind Öffentlich-Private Partnerschaften, also Vereinbarungen, mit denen die Finanzierung und Verwaltung öffentlicher Dienstleistungen privaten Anbietern anvertraut wird.

Obwohl man diese in Europa für minderwertig erklärt – so der Europäische Rechnungshof, der darin „keine wirtschaftlich tragfähige Option für die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur“ sieht, und der Rechnungshof in Frankreich, der die Kosten und „finanzielle Untragbarkeit“ kritisierte, weshalb Emmanuel Macrons Regierung sie aufgab –, werden ÖPPs in afrikanischen Ländern weiter massiv gefördert, auch von Frankreich über die Französische Entwicklungsagentur (AFD).

Warum wird etwas, was man in Europa und Frankreich für minderwertig erklärt, in Afrika gefördert, wo die Regierungen ganze Ministerien für diese berühmten Öffentlich-Privaten Partnerschaften schaffen?

Alternativen zu den anrüchigen und illegitimen Schulden

So paradox es auch erscheinen mag, die Frage der Schulden und damit der Entwicklung ist in erster Linie eine grundsätzlich politische Frage. Wir werden hier nicht alle Alternativen zu den anrüchigen und illegitimen Schulden aufzählen, aber wir wollen einige Beispiele nennen, wenn auch nur für das frankophone Afrika und speziell die Länder der Franc-Zone:

  1. Schluß mit der Unterstützung von Diktaturen: Wie wir gerade angedeutet haben, ist die Frage der Verschuldung in der Tat eine grundsätzlich politische Frage. Diktatorische politische Regime, die alles andere als aufgeklärt sind, erhalten ihre Macht, indem sie den Reichtum des Landes veräußern und so der öffentlichen Politik eine ausreichende Finanzierung vorenthalten. Als Folge davon wird der Rückgriff auf illegitime Schulden, ohne Kontrolle durch demokratische Institutionen, zur Regel.

  2. Kampf gegen Steuerparadiese: In den Enthüllungen der Panamas Papers, die im Mai 2018 von der investigativen Webseite Mondafrique veröffentlicht wurden, tauchen allein sechs Kongolesen auf (fünf Mitglieder des Politbüros und Zentralkomitees der Kongolesischen Arbeiterpartei und ein Mitarbeiter des Staatschefs), die auf Offshore-Konten rund 5500 Milliarden CFA-Francs [ca. 8,4 Mrd.€] halten, das entspricht 68% der 8130 Milliarden Schulden des Kongo und 79% des BIP zum 31. Dezember 2021. Und man sollte erwähnen, daß das noch nicht das gesamte Vermögen ist, das diese kongolesischen Persönlichkeiten angehäuft haben.

  3. Rückgabe der Währungssouveränität: Es ist angebracht, den ehemaligen französischen Kolonien die Währungssouveränität zurückzugeben, indem der CFA-Franc abgeschafft wird. Die angebliche „Abschaffung“ des CFA-Franc (nur für die acht Mitgliedstaaten der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion UEMOA), die von Frankreichs Nationalversammlung und Senat im Januar 2021 beschlossen wurde, hat die afrikanische Öffentlichkeit nicht überzeugt.

Darüber hinaus wurde mit der Umbenennung in ECO versucht, die Bevölkerung glauben zu machen, die beiden von den Afrikanern am meisten angeprangerten Bestimmungen seien abgeschafft – nämlich die französische Vertretung in den Entscheidungsgremien und dem Betriebskonto –, doch auch das nicht überzeugend.

Zusammengefaßt: Es gibt zahlreiche Alternativen zu den böswilligen und illegitimen Schulden. Wir hätten auch über Bürgerbeteiligung (Citizen Audit) sprechen können, ein Instrument der staatlichen Souveränität. So oder so werden im gegenwärtigen, von Souveränitätsansprüchen geprägten Kontext zweifellos alle Aspekte der Souveränität der afrikanischen Völker betroffen sein, die Schulden eingeschlossen. Schließlich sind die afrikanischen Schulden eine eminent politische Frage!

Ich danke Ihnen.