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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Der LaRouche-Plan für den Wiederaufbau
und die wirtschaftliche Entwicklung Syriens

Von Sam Nettnin

Dies ist die bearbeitete Abschrift des Vortrags von Sam Nettnin, einem Mitglied der LaRouche-Jugendbewegung, im ersten Abschnitt der Konferenz des Schiller-Instituts am 11. März „Den Kolonialismus beenden: eine Mission für alle jungen Menschen“. Die Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.

Ein typisches Haus in der Altstadt von Damaskus hat einen Innenhof mit einem Brunnen in der Mitte, mindestens einer Sitznische, und er ist ziemlich üppig bepflanzt. Sie finden dort Zitronenbäume, Lavendel, vielleicht auch einen Mandelbaum, der zu dieser Jahreszeit besonders prächtig blüht. Wenn Sie die Altstadt von Damaskus besuchen, werden Sie wahrscheinlich auf eine ganze Reihe dieser Gebäude stoßen. Das Äußere ist bewußt unscheinbar gehalten, aber viele wurden in Restaurants, Cafés und kleine Hotels umgewandelt. Bringen Sie aber Bargeld mit, denn wegen der Sanktionen können Sie weder Geldautomaten noch Kreditkarten benutzen.

Syrien ist ein sehr vielfältiges Land. Einige Städte, wie Aleppo und Damaskus, gehören zu den ältesten durchgehend bewohnten Städten der Welt. Es herrscht dort eine große kulturelle und religiöse Vielfalt, und man erkennt eine echte Kontinuität über die Zivilisationen hinweg. Ich denke, das widerlegt schlagend die Ideen vom „Kampf der Kulturen“, von Leuten wie Bernard Lewis oder Samuel Huntington.

Zerstörung und Wiederaufbau

Mit freundlicher Genehmigung von Hussein Askary

Abb. 1: „In der Industriestadt Shaykh Najjar waren 413 Unternehmen tätig, darunter Textil­hersteller, Maschinenbauer und andere. Durch den 2011 ausgelösten Krieg wurde sie zu einer Geisterstadt.“ Hier der zerstörte ehemalige Hauptsitz der „Industriekammer Shaykh Najjar“.
WikiLeaks
Abb. 2: Eine E-Mail aus dem Jahr 2012 von Jake Sullivan, dem damaligen Direktor für Politische Planung im US-Außen­ministerium, an Außen­ministerin Hillary Clinton, unter der er diente.

© Bibliothek der Universität von Texas

Abb. 3: Politische Karte von Syrien

© Schiller-Institut

Abb. 4: Handelsrouten durch Syrien: Entwicklungskorridore, wie sie im Phönix-Projekt des Schiller-Instituts vorgeschlagen werden, verbinden Syriens Fünf-Meere-Vision mit der Gürtel- und Straßen-Initiative.

Bis 2011 der Krieg ausbrach, hatte Syrien einige echte, fortschrittliche industrielle Ambitionen. Ein Beispiel war die Planung und der Bau einer Industriestadt bei Aleppo, genannt Shaykh Najjar Industrial City (Industriestadt Scheich Nadschar). Der Bau begann im Jahr 2000, und 2009 waren in dieser Stadt 413 Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen wie Textilherstellung, Maschinenbau usw. tätig. Später kam es zu schweren Kämpfen zwischen den sogenannten Rebellen und der Regierungsarmee, was die Industriestadt Shaykh Najjar in eine Geisterstadt verwandelte (Abbildung 1).

An der Kriegsführung gegen Syrien waren widerwärtige Gruppen wie ISIS und Al-Kaida beteiligt, und in Abbildung 2 sehen Sie als Beispiel eine E-Mail von Jake Sullivan an Hillary Clinton, die jemand dankenswerterweise veröffentlicht hat, worin er sagt: „Al-Kaida steht in Syrien auf unserer Seite.“

Damit ein sinnvoller Wiederaufbau in Syrien stattfinden kann, müssen viele Ressourcen mobilisiert werden. Und um die einheimischen Ressourcen vollständig zu mobilisieren, muß man ein Hamiltonisches Kreditsystem einführen. Das heißt, man muß eine inländische Infrastrukturbank oder ein Schatzamt einsetzen, um den inländischen Unternehmen gezielt Kredite zu gewähren, damit sie Menschen und Ressourcen maximal einsetzen können. Aber es werden viel mehr Investitionen erforderlich sein. Ich glaube, die Schätzungen für den Wiederaufbau Syriens gehen in die Größenordnung von mehreren hundert Milliarden Dollar.

Shaykh Najjar, die erwähnte Industriestadt, sowie die Gegend um Aleppo und einige andere Gebiete wie Palmyra wurden 2016 befreit. In der Industriestadt Shaykh Najjar wurde ein bedeutender Wiederaufbau durchgeführt. Inzwischen nehmen etwa 600 Fabriken die Produktion wieder auf, vor allem in der Textilindustrie, aber auch im Maschinenbau, in der Chemie und in der Lebensmittelproduktion...

In Abbildung 3, einer Karte von Syrien, sehen Sie, daß Aleppo oben im Norden liegt und Damaskus, die Hauptstadt, weiter unten im Süden. Das sind die beiden größten Städte. Die Bevölkerungszentren liegen zum großen Teil im Westen des Landes entlang der historischen Nord-Süd-Handelsrouten. Es gibt auch Bevölkerungszentren entlang der Mittelmeerküste und im Osten am Euphrat. Das US-Militär hält derzeit den nordöstlichen Teil des Landes – al-Hassakah – besetzt, wo sich die Ölfelder befinden.

Ein weiteres besetztes Gebiet ist al-Tanf, das an der Grenze zum Irak und zu Jordanien liegt. Das ist eine öde Gegend, aber es hat eine strategische Lage, weil die USA damit die Autobahn Damaskus-Bagdad besetzt haben.

Der arabische Name für Aleppo ist Halab, das bedeutet auf Arabisch „Milch“. Es heißt, daß dieser Name auf die Geschichte von Abraham zurückgeht, der in den Bergen von Aleppo eine Schafherde hielt und seine Milch mit den bedürftigen und mittellosen Menschen in dieser Gegend teilte.

Der „Fünf-Meere-Plan“

In Abbildung 4 sehen wir die regionale Lage Syriens. Hier wird es interessant, denn vor dem Krieg, der 2011 begann, hatte Syrien einen Plan mit dem Namen „Fünf-Meere-Plan“ verfolgt. Dieser Plan sollte aus dem Land eine Drehscheibe machen, besonders für den Energietransport aus dem Irak, dem Iran und dem Golf in andere Länder – in die Türkei und weiter nach Europa. Dabei wollte man die strategische Lage des Landes zwischen dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer, dem Kaspischen Meer, dem Persischen Golf und dem Roten Meer nutzen.

Dieser Plan wurde 2004 angekündigt, und anschließend nahm Präsident Baschar al-Assad eine Art vorläufigen Entwicklungsplan in Angriff, um die Infrastruktur in Syrien auszubauen, damit das Land seinen zukünftigen Status als Verkehrsknotenpunkt einnehmen konnte. Baschar al-Assad war 2004 der erste syrische Präsident, der der Türkei einen offiziellen Besuch abstattete. 2007 wurden mit der Türkei ein Freihandelsabkommen und ein Abkommen über visafreies Reisen geschlossen. Während dieser Planungsphasen gab es viele Besuche in anderen Ländern.

Vor allem in den Jahren 2009-10 reiste al-Assad mit einer syrischen Delegation im Schlepptau praktisch kreuz und quer durch das Schwarze Meer, besuchte sehr viele Länder und schloß Abkommen mit Ländern wie Rumänien; es gab ein Freihandelsabkommen mit dem Iran; es wurde ein Abkommen mit Aserbaidschan geschlossen. Und interessanterweise wurde im Dezember 2010 ein Freihandelsabkommen mit der Ukraine geschlossen, und zwar bei einem Treffen mit dem damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Janukowitsch sagte nach der Unterzeichnung dieses Abkommens, Syrien sei nun das Tor der Ukraine nach Westasien und in die gesamte Region.

Hiermit und mit einer säkularen Regierung und einer wirklichen Vielfalt in Syrien, wie ich bereits erwähnt habe, wird die geopolitische Idee vom Kampf der Kulturen widerlegt. Nun verstehen Sie vielleicht, warum gerade Syrien zur Zielscheibe wurde.

Die größten Probleme für die Fünf-Meere-Vision waren in der Zeit vor dem Krieg, von 2004 bis 2010, die Sicherstellung substantieller ausländischer Investitionen und die Gewährleistung der regionalen Stabilität. Aber in den letzten zehn Jahren hat sich in der Welt viel verändert. Das BRICS-Bündnis hat sich gefestigt und etabliert und wächst immer weiter; Chinas Gürtel- und Straßeninitiative (BRI) und die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) wurden angekündigt. Das frühere Problem, daß es keine umfangreichen ausländischen Investitionen gab, ist heute nicht mehr vorhanden. Das Hauptproblem für die Entwicklung Syriens sind jetzt einfach die politischen Hindernisse, nämlich die Sanktionen und so weiter.

Caesar-Sanktionen stoppten die Entwicklung

Wie Sie gesehen haben, hat Syrien den Wiederaufbau begonnen, aber die Cäsar-Sanktionen – der US-Kongreß nannte es Caesar Civilian Protection Act of 2019, „Gesetz zum Schutz der Zivilbevölkerung“, obwohl es praktisch das Gegenteil ist. Es trat 2020 in Kraft und hat tatsächlich jede Art von Wachstum und Entwicklung gestoppt. Es hat über 90% der syrischen Bevölkerung in die Armut gestürzt.

Wie kann Syrien wieder aufgebaut werden? Die Fünf-Meere-Vision kann jetzt wieder aufgegriffen werden, mit mehr Schwung als vorher. Denn Syrien kann sich an den Ost-West-Handelskorridor anschließen, wie in Abbildung 4 dargestellt, die alte Seidenstraße erneuern und Verbindungen zwischen Latakia, Aleppo und weiter nach Bagdad und Teheran schaffen sowie die alten Nord-Süd-Handelsrouten wiederherstellen.

Die regionale Bezeichnung für den östlichen Mittelmeerraum lautet auf Arabisch Bilad al-Scham, was so viel bedeutet wie „das Gebiet zur linken Hand“. Bedeutet das, daß jeder in Syrien Linkshänder ist? Nein, es bedeutet „das Gegenstück zum Territorium der rechten Hand“, das ist al-Jemen. Aus der Sicht der Menschen auf der Arabischen Halbinsel, die hier nach Osten blicken, gibt es also das Land zur linken Hand, das heutige Syrien, und das Land zur rechten Hand, den Jemen. Der Jemen behielt also diesen Namen, aber in der Folge des geheimen Sykes-Picot-Abkommen zur Aufteilung des östlichen Mittelmeerraums haben wir unsere modernen politischen Grenzen erhalten.

Syrien kann damit auch als Kreuzung nach Afrika dienen. Die Saudis und die Ägypter haben ein Projekt für den Bau einer Brücke über die Straße von Tiran, ein sehr vielversprechender Vorschlag. Der Suezkanal wurde erweitert, so daß nun auch sehr große Schiffe den Suezkanal durchqueren können, und zwar in beide Richtungen. Die Häfen von Latakia und Tartus können entsprechend ausgebaut werden.

Die Idee des Entwicklungskorridors

Aber handelt es sich bei dieser Art von Entwicklung nur um den Bau von Infrastruktur, um Dinge von A nach B zu transportieren? Die LaRouche-Organisation setzt sich für die Idee ein, einen Entwicklungskorridor zu schaffen. Das bedeutet tatsächlich eine umfassende Entwicklung, d.h. die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur von Stromversorgung, Industrie usw., damit die bestehenden Städte blühen und sogar neue Städte gebaut werden, um eine noch höhere relative Bevölkerungsdichte zu erreichen.

Es liegt nun in der Verantwortung des Weltbürgers, sich gegen die politischen Zwänge zu stellen, die solchen Aufbau und Entwicklung verhindern, die Vorstellungen von Hegemonie und Unterdrückung in die Geschichtsbücher zu verbannen und ein neues Zeitalter echten Wohlstands und echter Entwicklung in Zusammenarbeit mit anderen Ländern einzuleiten – für Wohlstand und Frieden auf der ganzen Welt.

Ich danke Ihnen.