Wir sollten mit der Anerkennung beider Staaten beginnen
Von Mounir Anastas
S.E. Mounir Anastas ist Botschafter Palästinas bei der UNESCO.
Im ersten Abschnitt der Konferenz des Schiller-Instituts zum Oasenplan am 13.
April sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem Französischen und Englischen,
Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.)
Ich danke Ihnen vielmals… Ich möchte zunächst dem Schiller-Institut für die
Organisation dieser Veranstaltung danken. Vor allem danke ich Frau LaRouche
für ihre sehr gehaltvolle, sehr tiefgründige Rede. Es gibt einige Dinge, die
sie beigetragen hat, die ich voll und ganz teile und gutheiße. Ich möchte auch
dem Botschafter in Dänemark danken, daß ich bestimmte Dinge nicht wiederholen
muß.
Was den Oasenplan betrifft, so bin ich kein Experte für diese technischen
Fragen, aber mein Interesse an diesem Plan gilt dem Prinzip und dem Geist und
der Absicht, die dahinter stehen, nämlich einer echten wirtschaftlichen und
sozialen Entwicklung. Wir können dadurch Wohlstand und Frieden nicht nur im
Nahen Osten, sondern in der gesamten Region Südwestasien erreichen. Auf die
Grundsätze des Plans an sich komme ich später noch einmal zurück.
Dieses Projekt steht in direktem Zusammenhang mit dem Thema Wasser. Ich
möchte über das UNESCO-Programm zur Wasserfrage sprechen. Die UNESCO
beschäftigt sich mit verschiedenen Dingen, die nicht nur Bildung, Wissenschaft
und Kultur betreffen - die zu den Vorrechten der UNESCO gehören -, darunter
auch die Wasserfrage...
Bevor ich über Wasser und die UNESCO spreche, möchte ich nur eines
vorausschicken, weil es immer zwischen den Zeilen steht. Wie Professor
Hassassian erwähnte, ist das israelische Regime ein theokratisches Regime. Sie
versuchen jeden davon zu überzeugen, daß der Konflikt zwischen Israel und
Palästina ein religiöser Konflikt ist, was völlig falsch ist. Unser Konflikt
ist kein religiöser Konflikt, er ist ein politischer Konflikt. Es ist auch ein
juristischer Konflikt, überhaupt nicht religiös.
Damit möchte ich mich der Frage des Wassers in der UNESCO zuwenden. Wir
haben bei der UNESCO ein Programm, das „Intergovernmental Hydrological
Program“, IHP. Es wurde 1975 gegründet, nach der „Hydrologischen Dekade“
1965-1974. Das zwischenstaatliche Kooperationsprogramm ist das einzige
internationale und zwischenstaatliche Kooperationsprogramm im UN-System. Es
ist bei der UNESCO angesiedelt. Außerdem hat es einen zwischenstaatlichen Rat,
der jedes Jahr tagt.
Der Zweck ist die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten in der Frage
der Grundwasserleiter und allem anderen zu dem Thema. Es gibt das sogenannte
Weltwasserforum; das nächste ist das zehnte Weltwasserforum, das im Mai auf
Bali in Indonesien stattfinden wird.
Das bedeutet also, daß die UNESCO auch für die Zusammenarbeit rund um das
Thema Wasser zuständig ist, das Hauptprinzip des Oasenplans. Wenn man den
Zusammenhang der Wasserfrage mit dem laufenden, völkermörderischen Krieg
Israels gegen den Gazastreifen betrachtet, kann jeder klar erkennen, daß
Israel Wasser als Waffe einsetzt. Wir sprechen hier von der
„Instrumentalisierung des Wassers“.
Dies sollte von der internationalen Gemeinschaft angeprangert und
verurteilt werden. Leider sieht die internationale Gemeinschaft in dieser
Hinsicht passiv zu, was sie zu einer Komplizin macht. Es wurde schon erwähnt,
daß viele Länder in diesen Konflikt verwickelt sind, weil sie Waffen liefern,
wie die USA; das ist aktive Mitschuld. Aber es gibt auch die passive
Komplizenschaft derer, die Israel, die Besatzungsmacht, nicht verurteilen und
keinen Druck auf sie ausüben, damit der Mißbrauch des Wassers als Waffe in dem
laufenden Konflikt endet.
Medien, Bildung und Kultur als Opfer im Gazakrieg
Vor allem müssen wir uns jetzt vor Augen halten, daß die UNESCO als
Fachorganisation für verschiedene Bereiche zuständig ist. Und alle
Zuständigkeitsbereiche der UNESCO wurden durch die laufende israelische
Aggression angegriffen oder zerstört.
Ich erwähnte bereits, daß die UNESCO auch für die Sicherheit von
Journalisten und für die Meinungsfreiheit zuständig ist. Bekanntlich liegt die
Zahl der im Gazastreifen getöteten Journalisten inzwischen bei etwa 133. Das
entspricht etwa 10% der Gesamtzahl der Journalisten im Gazastreifen. Das hat
es bisher noch in keinem Konflikt auf der Welt gegeben. Selbst im Ersten und
Zweiten Weltkrieg war der Prozentsatz nie so hoch. Nimmt man etwa den
aktuellen Konflikt zwischen Rußland und der Ukraine, so liegt die Zahl der
getöteten Journalisten dort unter 30, und wenn man weiß, daß es dort Tausende
von Journalisten gibt, bedeutet das, daß der Prozentsatz nicht einmal 1%
erreicht.
Das bedeutet, daß Israel es gezielt auf Journalisten abgesehen hat. Wir
haben Informationen, daß sie Journalisten mit Hilfe von künstlicher
Intelligenz ins Visier nehmen. Und sie haben es nicht nur auf einzelne
Journalisten abgesehen, sondern auch auf Medienzentren.
Warum gerade Journalisten und Medienzentren? Weil sie keine internationalen
Zeugen wollen; sie wollen der Welt nicht zeigen, was sie als Verbrechen gegen
die Menschlichkeit begehen; es sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: Wenn ein europäisches Land seine
Position oder seine Sprache in Bezug auf den Konflikt ändert. Erinnern Sie
sich, was Frau Zepp-LaRouche erwähnte? Daß die Welt nach dem 7. Oktober
anfangs sehr viel Sympathie mit Israel hatte, doch Tag für Tag und Woche für
Woche änderte sich diese Position, als alle die israelischen Greueltaten in
Gaza beobachteten. Deshalb hat es die israelische Armee auf jeden Zeugen
abgesehen. Aus diesem Grund wurde die World Central Kitchen angegriffen.
Was die Kulturzentren betrifft, so wurde sogar das französische
Kulturzentrum ins Visier genommen. Wahrscheinlich läßt sich das erklären, denn
es wurde einen Tag nach einer Erklärung von Präsident Macron angegriffen, als
er Israel sagte, sie würden es übertreiben. Am nächsten Tag wurde das
französische Kulturzentrum getroffen; es wurde vollständig zerstört, und die
Büros der Agence France-Presse wurden getroffen. Sie zerstörten nicht
das ganze Gebäude, sondern nur die Büros von Agence France-Presse. So
sind Journalisten und Medienzentren Ziel von Angriffen.
Jetzt werden auch kulturelle Stätten angegriffen, auch das sind Strukturen,
die in den Zuständigkeitsbereich der UNESCO fallen.
Kommen wir zurück zu einem der Hauptbereiche der UNESCO, nämlich Bildung
und Schulen. Mindestens als 204 Schulen wurden vollständig oder größtenteils
zerstört. Universitäten: Sechs Universitäten wurden vollständig zerstört, alle
anderen teilweise.
Auch Stätten des Weltkulturerbes und des nationalen Kulturerbes wurden
zerstört. Wir sprechen hier von mehr als 250 Stätten, manche Quellen sogar von
300. Was auch immer es ist, es ist völlig unglaublich und beispiellos.
Das zeigt die Absicht Israels, nicht nur das palästinensische Volk, sondern
auch die palästinensische Geschichte und das palästinensische Gedächtnis durch
diese Zerstörungen auszulöschen.
Wenn ich von Weltkulturerbe-Stätten spreche, dann gehören auch dazu
Moscheen und Kirchen. Eine der ältesten Kirchen der Welt, die Kirche San
Porphyrius, wurde angegriffen und vollständig zerstört. Auch die Große
Omari-Moschee in Gaza wurde vollständig zerstört, diese Moschee war früher
eine byzantinische Kirche und davor ein römischer Tempel. Das bedeutet, daß
sie zum Erbe der ganzen Menschheit gehört, nicht nur der Palästinenser.
Viele andere Stätten: der Al-Basha-Palast, ein historischer Ort, an dem
Napoleon drei Nächte verbrachte, und Sibat [ph] und so weiter. Die alte
Festung von Gaza, Anthedon, ist ebenfalls zerstört worden. Die Liste ist zu
lang, ich werde nicht alles aufzählen, was zerstört worden ist. Dann die
Theater, die Kinos, die Museen, die Musikstudios usw.
Zu alledem kommen noch die Menschen, die mit diesen Strukturen verbunden
sind, davon ist kaum die Rede. 33.400 Menschen wurden getötet, 17.000 davon
Kinder, das wurde erwähnt. Alle sprechen von Kindern und Frauen, aber niemand
spricht von Studenten, Lehrern, Professoren, Dekanen, Musikern und Künstlern.
So wurde zum Beispiel Professor Tayeh, der den UNESCO-Lehrstuhl in Gaza
innehatte, zusammen mit seiner Familie in seinem Haus getötet.
All dies zeigt die Absicht Israels, das Gedächtnis und die Geschichte der
Bevölkerung auszulöschen. Das ist das wichtigste, was wir uns vor Augen halten
müssen.
Was zu tun ist
Wenn wir überlegen, was zu tun ist, ist das leider die große
Herausforderung, nach der enormen Zerstörung all dessen, was ich erwähnt habe
- Schulen, Universitäten, Weltkulturerbe, Kulturzentren und so weiter - der
Wiederaufbau.
Und hier können wir auf den Oasenplan zurückkommen. Nicht der Plan, das
Projekt an sich, sondern die Prinzipien hinter diesem Projekt, nämlich die
wirtschaftliche Entwicklung, die zu Frieden und Wohlstand führen kann.
Aber Professor Hassassian hat es erwähnt: Es gibt einige Voraussetzungen,
um das umzusetzen. Die Voraussetzung ist in erster Linie politischer Natur.
Alle beharren auf der Zweistaatenlösung, aber selbst europäische Länder wie
Deutschland und Frankreich, die regelmäßig davon reden, daß sie für die
Zweistaatenlösung sind, erkennen nicht beide Staaten an. Sie erkennen nur
einen Staat an, nicht zwei. Vielleicht sollte man also mit dieser Anerkennung
der beiden Staaten beginnen. Dann wäre alles möglich. Ich denke, das ist die
Voraussetzung Nummer eins.
Nummer zwei, und das hängt mit Nummer eins zusammen, sind gleiche Rechte
für alle. Auch das ist eine Voraussetzung.
Und Nummer drei: Niemand steht über dem Völkerrecht. Leider stellt sich
Israel bisher über alle Gesetze und das internationale Recht.
Um einen so großen Plan wie den Oasenplan umsetzen zu können, sollten die
europäischen Länder und die internationale Gemeinschaft vielleicht erstens den
palästinensischen Staat anerkennen und zweitens ernstzunehmenden Druck auf
Israel ausüben, damit es seine regelmäßigen Aggressionen einstellt, die von
Professor Hassassian erwähnt wurden, nicht nur im Gazastreifen, sondern auch
im Westjordanland.
Ich denke, damit kann man das ganze Problem in den Griff bekommen. Es gibt
keine nächsten Schritte ohne die Anerkennung des Staates Palästina. Das ist in
dieser Phase eine Voraussetzung, andernfalls kehren wir zu dem Status quo
zurück, der seit den Osloer Abkommen vor fast 30 Jahren gilt. Deshalb denke
ich, daß wir einen vollständigen Paradigmenwechsel vornehmen und mit der
Anerkennung des Staates Palästina beginnen sollten. Dann wird alles möglich
sein, und die Umsetzung des Oasenplans wird möglich sein. Ich danke Ihnen
vielmals.
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