Unsere Mission in Südwestasien
Von Dr. Connie Rahakundini Bakrie
Dr. Connie Rahakundini Bakrie ist strategische Analystin und
Dozentin aus Indonesien. In der Internetkonferenz zum Oasenplan am 13. April
sagte sie folgendes. (Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschiften
wurden hinzugefügt.)
Zunächst möchte ich mich bei Frau LaRouche für die Einladung und die
inspirierende Eröffnungsrede bedanken, und ich möchte dem Schiller-Institut
meine tiefe Dankbarkeit dafür aussprechen, daß es mich hierher eingeladen hat.
Und dann möchte ich über das wichtigste Thema sprechen, über das wir heute
abend diskutieren: über die Mission in Südwestasien und über die gemeinsamen
Merkmale, denn das ist das vorrangige Thema.
Ich denke, im Nahen Osten gibt es mehrere gemeinsame Merkmale, darunter
historische und kulturelle Bindungen. Philip Carl Salzman, Professor für
Anthropologie an der McGill University, konstatiert, Frieden im Nahen Osten
sei nicht möglich, weil den Menschen im Nahen Osten andere Werte und Ziele
wichtiger seien als Frieden. Dies betrifft die Loyalität gegenüber der
Verwandtschaft, der Klasse und der Kultur sowie die Ehre, die man sich mit
dieser Loyalität erwirbt.
Beziehungen zwischen Gruppen verschiedener Abstammung waren im Prinzip
immer gegensätzlich, weil sich Stämme als Ganzes in Opposition zu anderen
Stämmen sehen. Die stärkste politische Norm unter Stammesangehörigen war
Loyalität. Man mußte immer die näheren Verwandten gegen die entfernteren
unterstützen. Loyalität wurde mit Ehre belohnt. Seine Verwandten nicht zu
unterstützen, war unehrenhaft. Und deshalb schrieb Mamoun Fandy: „Wir sind das
Volk der Blutsverwandten und der Familienbande oder ,Schalal‘...“ Seine These
ist, daß die islamische Geschichte als eine intellektuelle Revolution beginnt,
die dann aber irgendwie in einen Stammesstaat überführt wurde. Deshalb „haben
wir jetzt eine Geschichte der Stämme statt einer Geschichte der Ideen“.
Das scheint mir der Grund zu sein, warum Sultan Suleiman der Prächtige des
Osmanischen Reiches nie versucht hat, solche Gruppen durch eine
Demarkationslinie zu teilen. Und Jerusalem genoß während der Zeit der
islamischen Herrschaft aufgrund seiner religiösen Bedeutung einen
Sonderstatus; so wurde es 400 Jahre lang (1516-1917) von den Osmanen
regiert.
Das Osmanische Reich wurde 1923 offiziell aufgelöst. In der Zwischenzeit
gab die britische Regierung die bereits erwähnte Balfour-Deklaration heraus
(1917), um die jüdische Meinung, insbesondere in den Vereinigten Staaten, im
Ersten Weltkrieg auf die Seite der Alliierten gegen die Mittelmächte zu
ziehen.
US-Präsident Harry Truman sympathisierte mit dem Zionismus und befürwortete
1947 den UN-Teilungsplan für Palästina, der die Schaffung eines arabischen und
eines jüdischen Staates vorsah. Gegen Widerstände innerhalb seiner Regierung
hat diese am 14. Mai 1948 den Staat Israel anerkannt.
Spulen wir vor in der Zeit: Es folgten viele traurige Episoden. Türken,
Araber und Iraner unternahmen militärische Kampagnen zur Unterdrückung der
Kurden. Christen, Jesiden, Baha'i und Juden werden weiterhin ethnisch
gesäubert. Und Araber und Perser, Sunniten und Schiiten versuchen in einem
Konkurrenzkampf die Macht über den jeweils anderen zu erlangen, einer der
Hauptgründe für die Kriege in Südwestasien.
Was also ist zu tun, wo soll man anfangen?
Wenn es um diese Frage geht, wo man anfangen soll, dann sollten wir
vielleicht über die Vereinigten Staaten sprechen – Truman hatte ich gerade
schon erwähnt.
Präsident Clinton führte zur direkten Unterstützung des Friedensprozesses
im Nahen Osten mehr als 175 Telefongespräche mit Staatsoberhäuptern und
stattete der Region sechs Besuche ab. Außerdem war er Gastgeber einer Reihe
von Treffen und Gipfeltreffen in den Vereinigten Staaten, um den Prozeß
voranzubringen, zum Beispiel die israelisch-syrischen Gespräche in
Shepherdstown 1999, die Treffen in Wye River 1998, das Gipfeltreffen in
Washington 1995, die Unterzeichnung der Washingtoner Erklärung durch Israel
und Jordanien 1994 – die von großer Bedeutung ist, weil sie den Krieg beendete
- sowie die Unterzeichnung der Grundsatzerklärung 1993 mit dem historischen
Händedruck zwischen Ministerpräsident Jitzhak Rabin und dem Vorsitzenden
Jassir Arafat.
Später ist in Ländern, in denen es keine Monarchien oder starken
politischen Institutionen gab, ISIS zur Macht aufgestiegen und mißbrauchte
seine Macht im Irak, in Syrien und in Libyen, um schwere Verbrechen gegen die
Menschlichkeit zu begehen.
Präsident Trumps große Errungenschaft mit dem Abraham-Abkommen und der
Normalisierung ging mit einer größeren Vision für soziale und wirtschaftliche
Reformen einher. Doch die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko
verfolgten das Friedensabkommen als Teil einer breiteren regionalen Bemühung,
der Mobilisierung der Extremisten entgegenzuwirken und die Region zu
stabilisieren, nachdem sie mit den schwierigen Herausforderungen des
Arabischen Frühlings konfrontiert waren.
Die Verantwortung von Briten und Franzosen
Die Frage ist jetzt: Soll das Gewicht der Welt auf einer oder auf zwei
Schultern ruhen? Frieden muß bedeuten: legitime Rechte für die Palästinenser
und echte Sicherheit für Israel.
Dabei muß man mit etwas noch Grundlegenderem beginnen: Die Briten haben
alles angestoßen, also muß Großbritannien die volle Verantwortung übernehmen.
Die Balfour-Erklärung gilt weithin als Vorläufer der palästinensischen Nakba
von 1948, als zionistische bewaffnete Gruppen von den Briten ausgebildet
wurden.
Frankreich seinerseits war, wie hier auch schon erwähnt wurde, am
Sykes-Picot-Abkommen beteiligt und kündigte seine Unterstützung noch vor der
Veröffentlichung der Balfour-Deklaration an. Im Mai 1917 brachte ein Brief des
französischen Diplomaten Jules Cambon an den polnischen Zionisten Nahum
Sokolow die wohlwollende Haltung der französischen Regierung gegenüber der
„jüdischen Kolonisation in Palästina“ zum Ausdruck. Der Brief galt als
Vorläufer der Balfour-Erklärung.
Das Balfour-Dokument ist sehr umstritten, denn erstens wurde es, wie der
palästinensisch-amerikanische Akademiker Edward Said feststellte: „von einer
europäischen Macht... über ein außereuropäisches Gebiet gemacht..., unter
Mißachtung sowohl der Anwesenheit als auch der Wünsche der in diesem Gebiet
lebenden einheimischen Mehrheit“.
Zweitens war die Deklaration eines von drei widersprüchlichen
Kriegsversprechen der Briten. Als sie veröffentlicht wurde, hatte
Großbritannien den Arabern bereits 1915 die Unabhängigkeit vom Osmanischen
Reich versprochen. Außerdem hatten die Briten den Franzosen im
Sykes-Picot-Abkommen von 1916 separat versprochen, daß der größte Teil
Palästinas unter internationaler Verwaltung stehen würde und die beiden
Kolonialmächte sich den Rest der Region nach dem Krieg aufteilen würden. Die
Deklaration bedeutete jedoch, daß Palästina unter britischer Besatzung stehen
würde und daß die dort lebenden palästinensischen Araber nie die
Unabhängigkeit erlangen würden.
Drittens wurde in der Deklaration ein Begriff eingeführt, den es im
Völkerrecht so noch nie gegeben hatte: die „nationale Heimstatt“. Die
Verwendung des vagen Begriffs „nationale Heimstatt“ für das jüdische Volk, im
Gegensatz zu „Staat“, ließ die Bedeutung für jede Interpretation offen.
Indonesiens Haltung zu Palästina
Nun müssen wir noch erfahren, wie Indonesien dazu steht.
Indonesiens Verteidigung Palästinas gegen den israelischen Kolonialismus
ist eigentlich einzigartig in der Welt: Sie ist in der Präambel unserer
Verfassung von 1945 verankert. Im wesentlichen verurteilt sie alle Formen des
Kolonialismus und setzt sich für den Frieden und die Fortsetzung der festen
Haltung von Präsident Sukarno ein.
Daher muß Indonesien bereit sein – politisch, militärisch, diplomatisch und
finanziell. Zugegeben, Indonesien ist nicht in der Lage, seine militärische
Macht so weit in dieses Gebiet zu projizieren; ganz zu schweigen davon, daß
wir waffentechnisch peinlich unterlegen sind.
Ich denke, die führenden islamischen Mächte wollten in der wichtigen Frage
Palästina den Anschein einer Einheitsfront erwecken, aber faktisch hat es die
bestehenden Spaltungen nur noch verstärkt. Wichtig ist, daß in der gemeinsamen
Erklärung zwar die „zentrale Bedeutung der palästinensischen Sache“ als
Voraussetzung für Frieden und Stabilität in der Region hervorgehoben wird, die
Aktionen der einzelnen Länder jedoch ihre nationalen und geostrategischen
Interessen offenbaren – und nicht die palästinensische Sache.
Letztendlich macht der Charakter den Unterschied aus. Wir haben in der
gesamten Menschheitsgeschichte gesehen, daß Nationen aufsteigen, sich
entwickeln, gedeihen, an Stärke gewinnen und große Herausforderungen letztlich
durch die Stärke ihres Charakters überwinden, nicht unbedingt durch ihre
materiellen Ressourcen.
Leider werden, wie Al Jazeera einmal feststellte, die meisten
muslimischen Länder von korrupten, autokratischen, despotischen,
nichtsnutzigen Herrschern regiert. In der Hoffnung, daß Indonesien etwas
„Bedeutendes“ tut, weil wir eines der größten muslimischen Länder der Welt
sind, denke ich, daß wir innenpolitisch einen langen und steilen Weg vor uns
haben.
Was Indonesien meiner Meinung nach tun kann, ist als erstes, die UNO zu
ermutigen, das ganze Problem beim Ursprung anzupacken: Wie man England und
Frankreich dazu bringt, sich zusammenzusetzen und ernsthaft über eine Lösung
nachzudenken, denn schließlich sind sie die beiden Länder, die alles
angefangen haben. Es geht also nicht um die islamischen Länder und die
südwestasiatischen Länder vor Ort, sondern um die beiden ehemaligen
Kolonialherren und die größten Ursachen dieses Krieges.
Ich denke deshalb, die größte Hausaufgabe für eine vertrauensbildende
Strategie der UNO ist es, die Nervosität in der Frage zu überwinden, wie man
Franzosen und Briten zur Verantwortung zieht. Das ist mein Punkt. Ich danke
Ihnen.
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