„Es gibt viele technische Möglichkeiten,
mit Wasser zum Frieden zu kommen“
Von Dr. Pierre Berthelot
Dr. Pierre Berthelot ist assoziierter Forscher am
sicherheitspolitischen Institut IPSE (Institut Prospective et Sécurité en
Europe), Direktor der Zeitschrift Orients Stratégiques und Mitglied der
Académie de l'Eau in Frankreich. In der Konferenz des Schiller-Instituts zum
Oasenplan am 13. April 2024 sagte er folgendes. (Übersetzung aus dem
Englischen, die Zwischenüberschriften wurden hinzugefügt.)
Zunächst einmal danke ich Ihnen für die freundliche Einladung zu dieser
internationalen Konferenz. Ich fühle mich sehr geehrt und freue mich, einige
Bemerkungen zur aktuellen Situation machen zu können.
Ich habe keine Dokumente, die ich heute abend hier vorstellen könnte, da
die große Mehrheit meiner Arbeiten leider auf Französisch ist. Das macht
nichts. Mein Thema heute abend ist ganz klar: Es geht um die Frage, ob Wasser
im Nahen Osten eine Möglichkeit ist, zum Frieden zu gelangen, oder ob es
umgekehrt vielleicht eher ein Hindernis für den Frieden ist.
Zunächst einmal sollten wir, wenn wir uns die Geschichte ansehen,
pessimistisch sein. Warum? Man könnte es so sagen: Wasser ist gewöhnlich eher
ein Zankapfel zwischen Ländern. Und warum? Weil wir uns im Nahen Osten in
einem Gebiet befinden, in dem Wasser knapp ist, und mit dem Klimawandel wird
das immer schlimmer. Das Wasser wird also in dieser besonderen Zeit immer
knapper. Das ist der erste Grund. Der zweite Grund ist, daß Wasser in den
letzten 60-70 Jahren oft Gegenstand von Konflikten war, wenn auch nicht immer
von Kriegen. Manchmal war es einfach nur ein Streitobjekt.
Ich möchte ein paar Beispiele anführen: Zum Beispiel, als die Türkei in den
1980er Jahren beschloß, immer mehr Dämme im Südosten der Türkei zu bauen.
Warum? Weil sie die Produktion von Weizen u.a. steigern und auch den Kampf um
die Löhne der türkischen Kurden entschärfen wollte.
Das war ein großes Problem für die Nachbarn, insbesondere für Syrien. Die
beiden Länder standen um das Jahr 2000 herum kurz vor einem Krieg.
Ein anderes Beispiel sind Israel und seine Nachbarn, wie im ersten Vortrag
heute abend sehr deutlich wurde. Wir haben gesehen, daß Israel auch seine
Landwirtschaft entwickeln wollte und ebenso mehr Wasser für seine wachsende
Bevölkerung brauchte. Die Mehrheit kam, wie Sie wissen, entweder aus Europa
oder aus arabischen Ländern. Sie brauchten also mehr Wasser.
Und das geschah durch Abkommen mit den Nachbarn, denn leider wurde
Eisenhowers Vorschlag, der Johnston-Plan aus den 1950er Jahren, nicht
umgesetzt. Wie die Geschichte zeigt, war das einer der Hauptgründe für den
Sechs-Tage-Krieg. Nur ein paar Monate vor dem Sechs-Tage-Krieg kam es zwischen
Syrien und Israel zu heftigen Spannungen wegen der Wasserressourcen.
Positive Veränderungen
Wenn man also all diese Erklärungen sieht, muß man ziemlich pessimistisch
werden. Aber andererseits möchte ich optimistisch sein, auch wenn das heute
sehr schwierig erscheint. Ich möchte es positiv sehen. Warum? Weil sich die
Situation in gewisser Weise geändert hat.
Was hat sich geändert? Zum einen hat Israel jetzt genug Wasser, es ist
eines der führenden Länder bei der Meerwasserentsalzung. Sie haben viele
Anlagen, das wurde im ersten Vortrag mit sehr guten Karten
gezeigt.1 Israel kann heute sogar Wasser an Jordanien verkaufen;
das ist also der erste Punkt.
Diese Entsalzungs-Revolution findet nicht nur in Israel statt, sondern auch
in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Saudi-Arabien usw. Das ist ein sehr
wichtiger Punkt.
Wenn Israel heute zum Beispiel sagt, „Wir können keinen unabhängigen
palästinensischen Staat gründen, weil die Gefahr für uns ist, daß der künftige
palästinensische Staat sein Wasser selbst bewirtschaftet, ohne israelische
Kontrolle wie jetzt. Dann haben wir Angst, daß uns das Wasser fehlt.“ - Die
beiden Länder haben eine sehr verwickelte Bewirtschaftung der Wasserquellen,
Sie wissen, daß es z.B. im Westjordanland Grundwasservorkommen gibt. - Wenn
das ein Argument Israels ist, denke ich, daß dieses Argument nicht mehr
stichhaltig ist. Denn jetzt hat Israel meiner Meinung nach genug Wasser…,
deshalb gibt es auch die Vereinbarungen mit Jordanien.
Das ist der erste Grund, warum ich ziemlich optimistisch bin, was die
Zukunft dieser Sache angeht.
Ein anderes Beispiel: Erst kürzlich wurde ein Abkommen zwischen dem Libanon
und Israel geschlossen. Dabei ging es nicht direkt um die Wassersituation,
sondern um Energie, speziell um die Seegrenze zwischen Libanon und Israel.
Interessant ist, daß die größte libanesische politische Partei, die Hisbollah,
bekanntlich dem Iran sehr nahe steht, und die Hisbollah noch vor einigen
Jahren sagte, der Libanon dürfe sich niemals auf ein Abkommen mit Israel
einlassen, denn es sei der Erzfeind. Offiziell ist das immer noch die Meinung,
aber sehr interessant ist, daß die Hisbollah der libanesischen Regierung keine
Knüppel vor die Beine geworfen hat, damit das Abkommen nicht zustande kommt.
Sie unterstützt es also nicht offiziell, aber sie tut auch nicht dagegen; das
ist hochinteressant. Es zeigt, daß man auch mit einem Erzfeind in der Region
ein Friedensabkommen schließen kann.
Deshalb bin ich recht optimistisch, auch wenn es jetzt unmöglich erscheint,
weil wir jeden Tag die schreckliche Lage im Gazastreifen sehen. Wenn man sagt,
daß wir vielleicht in fünf oder zehn Jahren Frieden zwischen den
Palästinensern und Israelis haben werden, würde man von einigen für verrückt
erklärt, denn das sei unmöglich. Aber ich bin trotz allem optimistisch, denn
ich habe Ihnen gerade ein Beispiel genannt, das zeigt, daß selbst die
schlimmsten Feinde eine Einigung erzielen können.
Im Falle der Palästinenser wird es vielleicht in fünf Jahren, in zwei
Jahren oder in zehn Jahren eine Einigung geben. Ich halte das für möglich, auf
der Grundlage von Wirtschaftsplänen und Handel zwischen Israel und den
Palästinensern. Zuerst wird sich zwar z.B. die Hamas dagegen wehren, aber
vielleicht wird sie nicht alles gegen das Abkommen tun. Offiziell würde sie
sagen, wir sind nicht für dieses Abkommen, aber vielleicht, wenn wir in
einigen Jahren einen neuen palästinensischen Präsidenten haben, kann er
vielleicht ein Abkommen mit Israel bezüglich der Wassersituation
erreichen.
Ich meine, das ist nicht unmöglich, wenn man das Beispiel des Libanon und
Israels nimmt, die sich offiziell immer noch im Krieg befinden. Es gibt keinen
Friedensvertrag zwischen Israel und dem Libanon, aber mit der anderen Art von
Vermittlung, die sehr interessant als Vorbild ist, haben sie dieses Abkommen
über die Meerwassergrenze erzielt.
Denn wie Sie wissen, gibt es vor der Küste des Libanon ein Energiepotential
an Offshore-Öl und -Gas, und wie Sie wissen, beutet Israel diese Öl- und
Gasressourcen seit vielen Jahren aus, was im Hinblick auf unser Thema heute
abend und speziell für Lyndon LaRouches Oasenplan sehr interessant ist.
Denn wir brauchen Energie, wenn die Entsalzung funktionieren soll. Eine
Möglichkeit ist natürlich Öl und Gas, eine andere ist die Solarenergie, und
natürlich ist auch die Kernenergie eine Möglichkeit. Wie Sie wissen, gibt es
einige Länder im Nahen Osten, die sich jetzt mit der zivilen Nutzung der
Kernenergie beschäftigen, wie zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate.
Es war früher ein Projekt von Oberst Gaddafi in Libyen; er wollte die
Kernenergie einführen, nicht die militärische, sondern die zivile Kernenergie.
Warum? Um genau das zu tun, was LaRouche in den 1970er Jahren vorschlug,
nämlich diese Kernenergie zur Versorgung von Entsalzungsanlagen zu nutzen, was
eine hochinteressante Idee ist.
Wasser kennt keine Grenzen
Zum Schluß möchte ich sagen, daß Frieden möglich ist und daß Wasser ein Weg
zum Frieden sein kann. Denn wie einige Experten sagen, kennt Wasser keine
Grenzen. Wasser fließt und durchquert viele Länder, also ist es im Interesse
aller Nachbarn im Nahen Osten, Frieden zu schaffen.
Das war auch der Geist der New Yorker Vereinbarungen von 1997. Das war ein
Projekt der Vereinten Nationen, der Internationalen Rechtskommission, um
einige Regeln für die gemeinsame Nutzung internationaler Flüsse aufzustellen.
Eine dieser Regeln besagt, daß man kein Wasser aus internationalen Flüssen
entnehmen darf, ohne seinen Nachbarn darüber zu informieren, weil es sich um
eine gemeinsame Ressource handelt.
Das ist ein sehr interessanter Punkt. In der Vergangenheit gab es auch
viele Projekte zur Förderung des Friedens durch Wasser. In den 90er Jahren gab
es einen türkischen Plan, sogar zwischen Israel und der Türkei, der aber im
letzten Moment scheiterte.
Das war auch der Plan des ägyptischen Präsidenten Sadat. Denn als er 1979
im Camp-David-Abkommen Frieden mit Israel schloß, waren natürlich viele
arabische muslimische Länder, und sogar einige Ägypter, ziemlich abgeneigt
diesem Abkommen zwischen Ägypten und Israel gegenüber, sie sahen es als eine
Art von Verrat an. Deshalb schlug Präsident Sadat damals vor, frisches Wasser
aus dem ägyptischen Nil nach Israel zu bringen, vor allem nach Jerusalem, weil
es eine heilige Stadt ist, nicht nur für Juden, nicht nur für Christen, auch
für Muslime. Man würde also Wasser nach Jerusalem bringen, und die
Palästinenser würden von diesem Wasser profitieren. Die Idee war, durch Wasser
den Frieden zu fördern. Leider war auch dieses Projekt nicht erfolgreich.
Bekanntlich wurde Präsident Sadat von Extremisten ermordet.
Im Nahen Osten gibt es immer die Vorstellung, daß Wasser zu Krieg führen
kann, weil es so knapp ist; gleichzeitig kann Wasser aber auch eine
Möglichkeit sein, Frieden zu schaffen, denn jeder braucht Wasser. Dazu gibt es
das Vorbild der Vereinbarungen zum internationalen Wasser, der internationalen
Grundwasserschichten und Flüsse.
Die wichtigste Möglichkeit, auch entlegene Gebiete zu versorgen, ist die
Einbeziehung aller Länder in einen globalen Plan. Das war die Grundidee des
Johnston-Plans in der Eisenhower-Ära, und ich glaube, wir sollten in der
internationalen Gemeinschaft an dieser Möglichkeit arbeiten. Denn wie der
frühere israelische Präsident Schimon Peres sagte: Wenn wir Frieden wollen,
wird Wasser kein Problem sein. Meiner Meinung nach gibt es also entweder genug
Wasser in einigen Gebieten, oder man kann dort, wo es kein Wasser gibt, neue
Lösungen finden, um mehr Wasser zu bekommen. Deshalb ist dieses Projekt (der
Oasenplan) sehr lohnenswert, und es wäre ein Erfolg für die Wasserentsalzung
und für alle Länder im Nahen Osten.
Wir wissen, daß wir die Technologie haben, und wir können diese Technologie
natürlich mit neuen Energiequellen und vielleicht mit Kernenergie verstärken.
Deshalb bin ich immer noch optimistisch. Vielleicht nicht im nächsten Jahr,
vielleicht in fünf oder zehn Jahren, aber es gibt heute viele technische
Möglichkeiten, mit Wasser zum Frieden zu kommen. Ich danke Ihnen vielmals.
Anmerkung
1. Siehe „Die wirtschaftliche
Grundlage für den Frieden in Südwestasien“, Neue Solidarität
20/2024.
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