„Der Präsident hat einen Freibrief, jederzeit jeden anzugreifen“
Von Oberst a.D. Richard Black
Oberst a. D. Richard Black war Leiter der Strafrechtsabteilung
der US-Armee im Pentagon und Landessenator im US-Bundesstaat Virginia. In der
Pressekonferenz am 12. Juni sagte er folgendes.
Vielen Dank für die freundliche Einführung. Ich bin Senator Dick Black. Der
Zweck unserer heutigen Pressekonferenz ist es, die Welt vor dem großen Risiko
eines nuklearen Angriffs zu warnen. Wir kommen dem sehr nahe.
Es ist wichtig, die Natur der amerikanischen Militärdoktrin in Bezug auf
Atomwaffen zu verstehen. Unsere Nukleardoktrin verleiht dem Präsidenten der
Vereinigten Staaten die uneingeschränkte Befugnis, aus einem beliebigen Grund,
oder auch ohne jeden Grund, einen Atomschlag zu führen. Es ist eine offensive
Doktrin. Es ist keine Verteidigungsdoktrin: Es ist eine Doktrin, die es dem
Präsidenten erlaubt, eines Tages aufzuwachen und zu entscheiden, daß er ein
nukleares Pearl Harbor gegen einen Feind seiner Wahl durchführen wird.
Natürlich gibt es dabei politische Erwägungen, aber wenn es um einen
Atomkrieg geht, dann geht es um eine Situation, in der es zu einer so großen
Zerstörung kommt, daß politische Erwägungen in den Hintergrund rücken.
Erst letzten Freitag hat Pranay Vaddi, ein hochrangiger Beamter des
Nationalen Sicherheitsrats für Rüstungskontrolle, eine Bemerkung darüber
gemacht, warum noch mehr Atomwaffen erforderlich sein könnten. Sowohl die
Vereinigten Staaten als auch Rußland verfügen derzeit über 5000 Atomwaffen,
China hat 600. Hier ist, was Herr Vaddi als Vertreter des Weißen Hauses – der
Nationale Sicherheitsrat ist im Weißen Haus – sagte: „Wir müssen voll und ganz
auf die Ausführung vorbereitet sein, wenn der Präsident diese
Entscheidung trifft.“ [Hervorhebung im Original] Was meint er mit „ausführen“?
Er meint damit, daß wir bereit sein müssen, einen Atomschlag auszuführen, wenn
der Präsident es beschließt.
Das unterscheidet sich erheblich von der russischen oder chinesischen
Doktrin. Die russische Doktrin basiert auf dem defensiven Einsatz von
Atomwaffen. Sie können sie einsetzen, wenn sie unmittelbar vor einem Angriff
stehen, wenn sie angegriffen werden oder wenn der Zusammenhalt Rußlands als
Nation durch den Angriff eines Feindes gefährdet ist.
Es sollte uns also sehr beunruhigen, daß ein Beamter des Weißen Hauses
sagt: „Wir müssen auf die Ausführung vorbereitet sein, wenn der Präsident
diese Entscheidung trifft.“ In einer verantwortungsvollen Regierung sollte man
niemals darüber sprechen, daß der Präsident einen Atomschlag anordnet.
Um noch einmal auf den Krieg in der Ukraine zurückzukommen, der uns an
diesen Punkt gebracht hat: Die Ukraine war nie ein vitales Interesse der
Vereinigten Staaten. In diesem Krieg ging es hauptsächlich um die Frage, ob
die Ukraine in die NATO integriert werden sollte, was die Stationierung von
Atomraketen bis zur russischen Grenze ermöglichen würde. Mit anderen Worten,
Rußland wäre in einer Position, in der es plötzlich und unerwartet angegriffen
werden könnte und absolut keine Zeit hätte, zu reagieren. Das ist der Kern
dessen, was wir mit diesem enormen tödlichen Krieg in der Ukraine
erreichen.
Ein Krieg wird vor der Haustür einer riesigen nuklearen Supermacht
ausgetragen. Erinnern Sie sich an die Kubakrise. Ich habe sie miterlebt. Ich
habe in Miami gelebt, und ich war in Havanna, vor der Revolution und nach der
Revolution. Ich habe beobachtet, wie sich die ganze Sache entwickelt hat. Ich
entdeckte tatsächlich einen riesigen Militärkonvoi, der sich nachts heimlich
durch Miami bewegte, um die Invasion Kubas vorzubereiten. Dazu kam es zwar
nie, aber ich bekam große Augen, als ich auf der Route 27 fuhr und dieser
endlose Konvoi mir entgegen kam.
Aber damals gab es einen dramatischen Unterschied, denn Rußland war eine
schwache Atommacht. Es war keine sehr große Nuklearmacht. Heute verfügt es
über mehr Atomwaffen als die Vereinigten Staaten. Beide haben ungefähr 5000,
sie haben etwas mehr.
Jedenfalls wird dieser schreckliche Krieg – der größte Krieg in Europa seit
dem Zweiten Weltkrieg – vor Rußlands Haustür ausgetragen. Und die Russen sind
im Februar 2022 in den Krieg eingetreten. Vier Tage nachdem sie die Grenze
überschritten hatten, begannen die Friedensverhandlungen mit der Ukraine –
schon nach vier Tagen! Nach zwei Monaten war ein Friedensabkommen so weit
ausgearbeitet, daß der Erste Stellvertretende Außenminister der Ukraine
verkündete, man stehe praktisch kurz vor einer Einigung.
Zu diesem Zeitpunkt wurde der britische Premierminister Boris Johnson
entsandt, um ihnen mitzuteilen, daß sie die Friedensgespräche abbrechen und
sich wieder der wichtigen Arbeit des Kämpfens zuwenden sollten.
Als das Friedensabkommen kurz vor dem Abschluß stand, gab es noch
verhältnismäßig wenige Opfer, und es war auch nur sehr wenig Eigentum zerstört
worden. Beide Parteien waren mit dem Friedensabkommen recht zufrieden; sie
konnten beide damit leben. All das große Blutvergießen, das darauf folgte, war
also weitgehend unnötig.
Jetzt ist es so, daß der Ukraine die Arbeitskraft ausgeht. Sie hat eine
viel geringere Bevölkerungszahl als Rußland, und die Verluste haben sie
zermürbt.
Da die Ukraine immer schwächer wird, werden die Vereinigten Staaten und die
NATO immer unruhiger und sind bestrebt, die Sache zu Ende zu bringen und die
Niederlage doch noch in einen Sieg zu verwandeln. Wir haben gesehen, wie die
Vereinigten Staaten mit der Ukraine und der NATO zusammenarbeiten. Sie haben
das Flaggschiff der russischen Flotte, den Kreuzer Moskwa, versenkt. In
einer sehr, sehr dramatischen Aktion haben die Vereinigten Staaten die
Sabotage der Nord-Stream-Pipeline inszeniert, die die europäische Wirtschaft
dauerhaft geschädigt hat, insbesondere die deutsche Wirtschaft, die durch die
Zerstörung der Nord-Stream-Pipeline in eine Rezession gestürzt wurde.
Vor kurzem war Emmanuel Macron, der französische Präsident, der Vorreiter
bei einem Versuchsballon, um herauszufinden, ob westliche Länder dazu
verleitet werden könnten, ihre eigenen Truppen als Ausbilder – wie in Vietnam
– in die Ukraine zu schicken, was unweigerlich zu ihrem Einsatz im Kampf
führen würde. Das ist jedem klar.
All dies hat dazu geführt, daß die Wahlen zur Europäischen Union, die
gerade stattfanden, für die NATO-Mächte eine verheerende Niederlage waren. Es
war ein enormer Sieg der Konservativen, und ich denke, daß das unter anderem
die Tatsache widerspiegelt, daß die Europäer genug vom Krieg haben. Sie haben
diesen Krieg nie gewollt; er wurde ihnen aufgezwungen, und sie würden ihn
gerne hinter sich lassen.
Dennoch fahren wir, wie bereits erwähnt, mit den Angriffen fort, um die
Radare zu blenden, die Moskau vor einem unprovozierten Angriff durch
eintreffende Raketen schützen sollen. Wir haben der Ukraine geholfen, Angriffe
auf den Luftwaffenstützpunkt Engels zu unternehmen, wo die Russen ihre
Atombomber stationiert haben. So geht das immer weiter.
In jüngster Zeit sprechen wir nun davon, unsere Nukleardoktrin „noch
aggressiver“ zu gestalten. Wenn ich die Aufgabe hätte, wüßte ich ehrlich
gesagt nicht, wie man die Nukleardoktrin der Vereinigten Staaten überhaupt
„noch aggressiver“ gestalten könnte, als dem Präsidenten einen Freibrief zu
erteilen, jederzeit jeden anzugreifen. Ich müßte eine Menge Fragen stellen,
wenn mir jemand diese Aufgabe übertragen würde. Doch je näher die Wahlen
rücken und je verzweifelter die Lage an der ukrainischen Front wird, desto
mehr ist das Weiße Haus bereit, immer waghalsigere Aktionen zu unternehmen,
und es besteht ein sehr hohes Risiko, daß dieses nukleare Spiel mit der Feuer,
das gerade im Gange ist, mißlingt. Es könnte zu einem Unfall kommen, und es
wird keine Pressekonferenz mehr geben, um die Ergebnisse zu verkünden [weil
alle tot sind], wenn es soweit ist.
Wir werden also auf jeden Fall weitermachen, aber ich danke Ihnen, und ich
danke Ihnen, Scott, für Ihre Kommentare.
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