Potentiale großtechnischer Wasserentsalzung
zur Lösung extremer Wasserknappheit
Von William De Oreo
William De Oreo ist Hydrologe, Präsident von AquaCraft und
Lobbyist für nukleare Entsalzung mit Sitz in Colorado in den USA. In der
Internetkonferenz des Schiller-Instituts zum Oasenplan am 13. April sagte er
folgendes.
(Übersetzung aus dem Englischen, den Mitschnitt des Vortrags mit deutscher
Simultanübersetzung finden Sie im Youtube-Kanal des Schiller-Instituts)
Nachdem ich mir die Vorträge seit heute morgen 9 Uhr unserer Zeit angehört
habe, bin ich besonders beeindruckt von dieser Vorstellung einer Gruppe von
Leuten, die ein brennendes Gebäude sehen und sagen: „Laßt uns Wasser auf
dieses Gebäude gießen, laßt uns die Feuerwehrschläuche in Gang setzen.“ Und
eine andere Gruppe sagt: „Nun, vielleicht sollten wir diejenigen finden, die
das Feuer gelegt haben, und sie dazu bringen, das Wasser auf das Gebäude zu
gießen.“ (Siehe „Unsere Mission in Südwestasien“, Neue Solidarität
19/2024)
Aber ich denke, aus unserer Sicht, als Wissenschaftler und Ingenieure, sind
wir am meisten daran interessiert, zuerst das Feuer zu löschen. Mit dem Rest
können wir uns später befassen. Ich bin der festen Überzeugung, daß eine
technische und wirtschaftliche Lösung die Grundlage für eine politische Lösung
sein kann, wobei es oft sehr schwierig ist, zu einer politischen Lösung zu
kommen, weil das Ausmaß der Leidenschaften und Verletzungen so groß ist. Aber
man kann klein anfangen.
Unser Unternehmen hat 2015 eine Wasserstudie für das Königreich Jordanien
durchgeführt. Während dieser Studie geriet ich in Konflikt mit der Agentur,
die die Studie finanzierte, weil sie von uns erwartete, daß wir Wege finden,
damit die Menschen weniger Wasser bekommen als notwendig wäre, um die
Nachfrage auf das Angebot begrenzen. Ich habe immer wieder dagegen
argumentiert, daß wir vielmehr das Angebot erhöhen müssen, um Jordanien mit
dem Wasser zu versorgen, das sie dort für eine fortschrittliche Gesellschaft
benötigen. Man kann die Menschen nicht in einen permanenten Zustand von
Defizit und Knappheit zwingen, das funktioniert einfach nicht.
Eine der technischen Lösungen, für die ich mich seit langem einsetze, ist
ein Kernreaktortyp, der mit dem Thoriumzyklus arbeitet und mit Flüssigsalz
statt mit Wasser gekühlt wird. Er wird bei sehr hohen Temperaturen betrieben.
Mit diesen Reaktoren kann man Strom erzeugen und ihre Abwärme zur Entsalzung
von Wasser nutzen.
Andere Redner haben bereits darauf hingewiesen, daß der Johnston-Plan in
den 60er Jahren einen Durchbruch in der Kerntechnik bedeutete, und zwar in Oak
Ridge in Tennessee unter der Leitung von Dr. Alvin Weinberg, der eine
Technologie zur Nutzung von Thorium zur Stromerzeugung entwickelte.
Ohne auf alle Einzelheiten einzugehen: Es handelt sich bei Thorium um eine
Technik, die von Natur aus sicherer und weniger militaristisch ausgerichtet
ist. Sie verursacht nicht die gleichen Probleme mit der Weiterverbreitung; sie
erfordert nicht einmal eine Urananreicherung. Es handelt sich um eine
grundlegend andere Art von Technologie.
Aber weil sie so anders war und keinen Brennstoff für Bomben erzeugte,
wurde das System vom US-Verteidigungsministerium zugunsten von Technologien
zur Erzeugung von Plutonium verworfen. So wurde also die nukleare Entwicklung
in den 60er Jahren im Grunde genommen gekapert.
Ich möchte nur diese kurze Aussage von Dr. Weinberg vorlesen: „Die erste
nukleare Ära ist vorbei. Laßt uns eine zweite nukleare Ära planen, die auf
einer neuen und rationelleren Technik basiert.“ Das hat er 1973 geschrieben.
Gemeint war, daß die von uns entwickelte Technologie im Grunde eine
Waffentechnologie mit ein paar zivilen Annehmlichkeiten war. Wir müssen unsere
Vorgehensweise überdenken und eine von Natur aus friedliche Kerntechnik
entwickeln.
© William De Oreo
De Oreo schlägt vor, als ersten Schritt zur Behebung der Wasserknappheit in
Südwestasien eine Trinkwasser-Pipeline in Jordanien von einer
Meerwasserentsalzungsanlage bei Akaba nach Amman zu bauen (weiße Linie), um
allen Beteiligten den Nutzen des Projektes zu demonstrieren.
Nun zum Nahen Osten und Jordanien. Ich weiß nicht, ob Sie sich an den
Aufstand in Daraa in Syrien erinnern – das scheint jetzt so lange her –,
erinnern Sie sich daran? Dieser Aufstand war ein Versuch, das Regime der
syrischen Assad-Regierung zu stürzen. Aber angefangen hat es mit einer Gruppe
von Bauern, die ihre Bewässerungsrechte verloren hatten. Ihre Brunnen wurden
abgeschaltet, und so waren sie gezwungen, statt als produktive und weitgehend
autarke Bauern als verarmte Straßenbewohner in Daraa zu leben. Ihre Kinder
begannen, Graffiti an die Wände zu schreiben und sich über ihre Situation zu
beschweren. Denken Sie daran, daß diese Kinder verhaftet wurden; ich glaube,
ein paar wurden sogar getötet. Das war der Beginn der gesamten Revolte. Es
ging darum, daß sie ihr Wasser verloren hatten und nicht mehr in der Lage
waren, sich selbst zu versorgen.
Ich habe in Jordanien gearbeitet, ich bin mit Jordanien vertraut. Jordanien
hat mehrere Vorteile für die Lösung des Nahostproblems (siehe Karte).
Erstens hat es Zugang zum Roten Meer bei Akaba. Es gab Diskussionen über das
Projekt eines Kanals vom Roten Meer zum Toten Meer („Red-Dead-Projekt“), wobei
es im wesentlichen darum geht, große Kanäle zu bauen und die Schwerkraft zu
nutzen, um Wasser ins Tote Meer zu leiten und um Strom zu erzeugen.
Soweit ich weiß, geriet das Projekt in eine Sackgasse, weil es Probleme mit
der Wassermenge gibt, die ins Rote Meer fließt, und weil es Auswirkungen auf
die Ökologie des Roten Meeres hätte.
Unser Konzept sah folgendes vor: Es gibt Unternehmen, die Atomreaktoren auf
Lastkähnen bauen. Eine davon ist die Firma Thorcon, und es gibt auch
Copenhagen Atomics. Man kann diese modularen Reaktoren per Lastkahn über das
Rote Meer bringen und einen Standort in Akaba errichten, wo man Wasser
entsalzt und Strom erzeugt. Die Sole aus diesem Wasser würde wieder ins Rote
Meer zurückgeführt oder in Verdunstungsbecken geleitet.
Es handelt sich um eine 300 km lange Pipeline zwischen Akaba und Amman
(weiße Linie in Abbildung 1). Man würde dann mit der Entwicklung von
Wasser und Strom in der Umgebung von Akaba beginnen und das System nach Norden
ausweiten, wenn immer mehr Land bewässert werden kann, wenn es mehr Produktion
gibt, wenn es preiswerten Strom gibt. Das System sollte sich im Laufe seiner
Entwicklung selbst tragen. Man braucht also kein riesiges internationales
Konsortium, und die Israelis müssen auch nicht mit den Palästinensern Frieden
schließen. Das alles kann in einer relativ stabilen politischen Situation mit
einem einzigen Land durchgeführt werden, es würde alles in Jordanien
stattfinden.
Natürlich ist da noch das Westjordanland. Das Wasser aus diesem System
könnte man für die Versorgung des Westjordanlandes nutzen. Man könnte es auch
nutzen, um Wasser in den Gazastreifen zu bringen, was den Palästinensern ihre
eigene unabhängige Versorgung mit Wasser und Strom ermöglichen würde, ohne daß
sie sich auf eine möglicherweise sehr schwierige politische Lösung mit Israel
einlassen müßten.
© William De Oreo
Jährliches Wasservolumen (Angebot und Nachfrage, in Mio. m 3, 1 = 2016)
Genau das ist das Konzept. Jordanien ist einer der letzten Zufluchtsorte im
Nahen Osten. Das Land hat viele Flüchtlinge aus Palästina, Irak und Syrien
aufgenommen, durch diesen Zustrom von Flüchtlingen hat sich die
Bevölkerungszahl fast verdoppelt. Die Wasserversorgung kann damit nicht
Schritt halten. Auch die Stromversorgung ist erschreckend unzureichend,
Jordanien verfügt über kein Öl oder Gas und muß alle Brennstoffe importieren.
Das macht das Land zu einem idealen Kandidaten für dieses Projekt.
Wir haben dazu ein Diagramm erstellt (siehe Abbildung). Die rote
Linie ist nicht die tatsächliche Wasserversorgung, sondern das, was nach
unserer Einschätzung mindestens erforderlich ist, um eine moderne Wirtschaft
in Jordanien zu versorgen. Das erste Jahr ist 2016, über 25 Jahre ab 2016 wäre
das also bis 2040. Dies ist die Menge an Wasser, die wir für notwendig halten.
Die grüne Linie ist die Menge, die 2016 aus allen vorhandenen Quellen zur
Verfügung stand. Darin ist allerdings auch das Red-Dead-Projekt enthalten, das
bisher still steht. Sie sehen, daß ab etwa 2025, selbst mit diesem Projekt vom
Roten zum Toten Meer und den verschiedenen Aquifer-Projekten, die Versorgung
aufgrund der Grundwassererschöpfung abnimmt. Die Situation wird sich also in
den nächsten 25 Jahren weiter verschärfen, wenn wir nichts unternehmen. Die
natürlichen Vorräte reichen einfach nicht aus.
Das nächste Diagramm zeigt einen sogenannten Multi-Effekt-Entsalzer. Er
wird nicht mit Strom, sondern mit Wärme betrieben. Im wesentlichen
funktioniert es so: Das Salzwasser kommt auf einer Seite herein, der Dampf
wird kondensiert, und am Boden der Anlage wird Frischwasser erzeugt. Man kann
dieses System tatsächlich vom Standpunkt der Energieerzeugung aus gesehen mit
geringwertiger Wärme betreiben. Es muß nicht einmal Dampf sein. Es reichen 180
Grad Celsius. Diese thermischen Entsalzungsanlagen können Wärme nutzen, die
sonst verschwendet würde, und Frischwasser erzeugen. Als Faustregel kann man
sagen, daß pro 100 MW elektrischer Leistung eines Kraftwerks 10 Millionen
Gallonen pro Tag erzeugt werden können, das entspricht etwa 40 Millionen
Litern Frischwasser pro Tag. Ein 100-MW-Kraftwerk wie das in Abu Dhabi
produziert also 400 Millionen Liter Wasser pro Tag bei einer Stromleistung von
4,6 GW.
In Abu Dhabi wird das mit Erdgas gemacht. Ich glaube, die Emirate sehen
auch die negativen Vorzeichen für die Zukunft, denn sie erwägen auch den
Umstieg auf Kernenergie. In Abu Dhabi wird die gesamte Wasserversorgung der
Stadt – eine wirklich große Stadt – mit entsalztem Wasser und Erdgas
betrieben. Sie könnten auf Kernkraft umstellen und damit unbegrenzt
weitermachen.
Die Stromnachfrage steigt und fällt in einem typischen 24-Stunden-Zeitraum.
Man kann das Kraftwerk mit maximaler Effizienz betreiben und dann mehr
Frischwasser erzeugen, wenn die Stromnachfrage in den frühen Morgenstunden und
in der Nacht sinkt. Das ist eine sehr effiziente Methode, eine sehr gute
Idee.
Schmelzsalzreaktoren sind für diese Technologie ideal geeignet, da sie bei
hohen Temperaturen arbeiten. Sie werden mit Flüssigsalz gekühlt, das bei 700
Grad schmilzt und erst bei mehreren tausend Grad kocht. Das ist ein riesiger
Flüssigkeitsbereich. Sie sind also von Natur aus stabil, benötigen kein Wasser
zur Kühlung und sind passiv sicher, man kann sie abschalten. In Oak Ridge, wo
sie in den 1960er Jahren einen Reaktor betrieben haben, haben sie ihn an den
Wochenenden einfach abgeschaltet.
Die Wärme aus dem Reaktor wird in einen sekundären Wärmetauscher geleitet,
wo sie Dampf erzeugt, den man zur Wasser- und Stromerzeugung nutzen kann. Das
einzige Wasser, das benötigt wird, ist das Zusatzwasser für den Kessel, denn
wenn man einen Dampfkessel betreibt, braucht man natürlich etwas Zusatzwasser.
Aber das kann entsalztes Wasser sein. Es ist also eine großartige Anwendung
für ein Wüstenland.
Zur Wirtschaftlichkeit des Systems: Als wir das vor ein paar Jahren
untersucht haben, sollte ein 1000-MW-Kraftwerk 6,3 MWh Strom zu einem
angemessenen Einzelhandelspreis erzeugen, was zusammen mit dem Wasser und dem
Strom 850 Millionen Dollar pro Jahr einbringen würde. Die Kapitalkosten,
einschließlich Bau und Kapitalrückfluß, betragen jedoch nur etwa die Hälfte
davon. Außerdem würden mit einer einzigen Anlage 137 Millionen Kubikmeter
Wasser pro Tag erzeugt, was meines Wissens fast eine Verdoppelung der
Frischwasserversorgung Jordaniens bedeuten würde. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis
wäre mit 1,8 zu 1 kaum zu überbieten. Das ist, was ich Ihnen mitzuteilen habe.
Ich kann nur sagen, es ist wirklich interessant!
Eine der Enttäuschungen, die ich hatte, als ich die amerikanische Regierung
dazu bewegen wollte, sich mit diesem Thema zu befassen, war das geringe
Interesse. Die Vereinigten Staaten sind in diese Malaise der Überregulierung
verfallen, wo die Aufgabe der Regierung nur darin besteht, Innovationen zu
stoppen und alles zu Tode zu regulieren.
Das Schöne an den BRICS-Staaten ist, daß sie eine unabhängige staatliche
Quelle sind. Zur Zeit arbeiten die USA nicht an Schmelzsalzreaktoren,
abgesehen von ein paar kleinen Privatunternehmen. Die Entwicklung geht nur
langsam voran, und sie ist schlecht finanziert. Das US-Energieministerium
fördert diese Entwicklung nicht aktiv. Es legt die Hände in den Schoß und
sorgt nur dafür, daß nichts passiert, weil es die regulatorischen Hebel in der
Hand hat, die Unternehmen daran hindern, produktive Arbeit zu leisten.
In Kanada, China und Indien wird hier eine enorme Arbeit geleistet. Aus
unserer Sicht ist das großartig. Ich weiß, daß die Chinesen eine Menge
Informationen von Oak Ridge erhalten haben, und sie sagten: Das ist wunderbar,
wir werden einen dieser Thorium-Brutreaktoren mit Flüssigsalz bauen. Ich
glaube, sie stehen entweder kurz davor, ihn in Betrieb zu nehmen, oder er
könnte sogar bereits in Betrieb sein. Auf jeden Fall weiß ich, daß sie daran
gearbeitet haben.
Hoffen wir also, daß wir den Vereinigten Staaten etwas beibringen können.
Erinnern Sie sich noch an die „Raketenlücke“ in den 60er Jahren? Alle waren
besorgt, daß die Russen mehr Raketen hatten als die Vereinigten Staaten.
Vielleicht können wir den USA auch mit der „Thoriumreaktor-Lücke“ Feuer unterm
Hintern machen. Das wäre eine Möglichkeit, die Dinge in Gang zu bringen.
Ich würde aber eine internationale Anstrengung aller Länder befürworten, um
die Technologie gemeinsam zu nutzen und den Thorium-Brutreaktor zu entwickeln.
Auf der Erde gibt es 106 Millionen Tonnen bekanntes Thorium. Jede Unze Thorium
kann als Brennstoff für einen Kernreaktor verwendet werden. Diese Reaktoren
erzeugen keine Abfälle, sondern wertvolle isotopische Nebenprodukte.
Das wäre wirklich ein Wendepunkt in der menschlichen Entwicklung. Im Grunde
handelt es sich um einen nahezu unerschöpflichen Vorrat an Energie, der
überall auf der Welt zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft genutzt werden
könnte. Und Jordanien und der Nahe Osten wären ein großartiger Ort für den
Anfang. Das ist alles, was ich zu sagen habe.
|