Ein Dialog über Prioritäten
Im Anschluß an die Vorträge der beiden palästinensischen
Botschafter kam es zu der folgenden kurzen Diskussion zwischen Helga
Zepp-LaRouche und Botschafter Hassassian über die Frage, ob man vor den
Gesprächen über die wirtschaftliche Zukunft der Region eine politische Lösung
braucht, oder umgekehrt die Einigung auf eine wirtschaftliche Zukunftsvision
die Voraussetzung für eine politische Lösung ist.
Helga Zepp-LaRouche: Ich möchte den beiden Botschaftern
Palästinas dafür danken, daß sie uns ihre tiefempfundenen Erfahrungen
mitgeteilt haben, die die Welt meiner Meinung nach kennen muß.
Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, daß Sie erwähnt haben, daß zuerst
eine politische Lösung gefunden werden muß, und das ist genau das, was der
Oasenplan versucht, auf eine andere Ebene zu stellen. Denn all die Debatten in
den Vereinten Nationen und anderen Foren, die zuerst eine politische Lösung
forderten, haben nicht das gebracht, was beabsichtigt war. Und wir sind der
Meinung, daß wir eine absolute, unumstößliche Entschlossenheit zu einem
wirtschaftlichen Entwicklungsplan als Vorbedingung brauchen, um die politische
Situation zu verbessern.
Als das Osloer Abkommen unterzeichnet wurde, sagte Lyndon LaRouche, mein
Mann, mit Nachdruck, der einzige Weg zum Erfolg sei, sofort mit den
Bauarbeiten anzufangen, die Schaufeln und die Bagger sofort in Bewegung zu
setzen, damit die Menschen vor Ort sehen, daß sich ihre Lebenssituation
unmittelbar verbessert. Doch das passierte nicht, weil die Weltbank zu dem
Zeitpunkt die Kredite verweigerte, die notwendig gewesen wären, und wie wir
alle wissen, hatte das Osloer Abkommen keinen Erfolg.
Daher ist der Zweck dieser Konferenz, einen konkreten Strauß
wirtschaftlicher „Blumen“ zusammenzustellen – Sie wissen schon, Blumen von
Entwicklungsprojekten –, insbesondere wenn wir die anderen Redner und das
zweite Panel hören. Das Ergebnis dieser Konferenz soll dann an alle
Regierungen der Welt und an andere Institutionen weitergegeben werden. Damit
versuchen wir, Unterstützung zu bekommen.
Ich persönlich glaube, daß wir das nur umsetzen können, wenn wir eine
Notkonferenz, eine umfassende Nahost-Konferenz einberufen, wie sie zum
Beispiel von China schon früh erwähnt wurde. Soweit ich weiß, hat sich das
seither leider nicht weiter konkretisiert. Aber die Idee ist immer noch, daß
man eine umfassende Nahost-Konferenz abhalten muß, und ich denke, daß die
Tradition des Westfälischen Friedens der geeignetste Präzedenzfall ist – und
dann diskutieren, was die Vision für die gesamte Region wäre.
Denn ich denke, man muß den Kreislauf von Gewalt und Verzweiflung
durchbrechen. Und wenn es eine Vision gäbe, wie Südwestasien in 20, 50, ja
sogar 100 Jahren aussehen würde, als ein voll entwickeltes, modernes Gebiet
mit grünen Wäldern und landwirtschaftlichen Feldern, wo heute Wüste ist, mit
neuen Städten, integrierter Infrastruktur. Und wenn man dann die Vision hätte,
daß alle jungen Menschen Wissenschaftler, Ingenieure, Lehrer, Landwirte werden
sollten; daß sie dann einen Grund sehen, warum es Sinn macht, zu studieren,
eine Familie zu gründen, ihre Karriere aufzubauen, ein normales Leben zu
führen – dann ist es fast eine Vorbedingung für den Erfolg dieses Projekts,
den jungen Menschen dieses Gefühl der Hoffnung zu vermitteln.
Ich denke also, daß die Vision einer wirtschaftlichen Verbesserung ein
absolut wesentlicher Bestandteil ist, um Frieden zu schaffen und eine
politische Lösung zu finden.
Ich möchte Ihnen für Ihre Teilnahme danken und hoffe, daß Sie uns helfen
werden, dieses Projekt auch nach dieser Konferenz weiter zu organisieren.
Botschafter Hassassian: Ich möchte noch einen kleinen Beitrag
leisten, um auf Frau LaRouches wortgewaltigen Vortrag und ihre Ideen zu
antworten:
Vielen Dank für Ihre Sorge um unseren Konflikt. Denn wie Sie wissen, liegt
der Dreh- und Angelpunkt der Instabilität im Nahen Osten in der Lösung des
Palästinenserproblems.
Ich verstehe sehr gut, daß die wirtschaftliche Entwicklung als Katalysastor
für jeden Verhandlungsprozeß zwischen zwei Ländern wirken kann, die sich
legitimerweise gegenseitig respektieren und versuchen, eine plausible Lösung
für die Aufrechterhaltung des Friedens zu finden. Und daß die Langlebigkeit
des Friedens auf wirtschaftlicher Integration und Entwicklung beruht, das darf
nicht unterschätzt werden.
Aber man kann nicht mit zwei Verhandlungspartnern über wirtschaftliche
Entwicklung sprechen, wenn der eine quasi der „Topdog“ und der andere der
„Underdog“ ist. Man kann keine Verhandlungen zwischen Besetzern und Besetzten
führen und über wirtschaftliche Entwicklung sprechen.
Wirtschaftliche Entwicklung kann ein Katalysator sein, um laufende
Verhandlungen zu verbessern, die auf gegenseitiger Gegenseitigkeit und Respekt
beruhen. Aber wenn es keinen angemessenen Respekt zwischen zwei streitenden
Parteien gibt, dann wäre das Ergebnis ein kläglicher Fehlschlag.
Und ich möchte natürlich diesen einfachen Satz hinzufügen, wie ich es immer
tue: Es wird niemals eine militärische Lösung für unseren Konflikt geben!
Israel hat so viele Kriege gewonnen, konnte aber keinen Frieden und keine
Sicherheit schaffen, weder für Israel noch für den Nahen Osten.
Daher sage ich, daß der einzige Ausweg Verhandlungen, gegenseitiger
Respekt, Inklusion und nicht Exklusivität sind, und daß die Idee, einander auf
Augenhöhe zu akzeptieren, der einzige Weg zu Frieden und Sicherheit ist.
Vielen Dank für die Einladung. Ich möchte noch mit einigen positiven
Bemerkungen schließen, nämlich: Der Krieg wird niemals, niemals Frieden
bringen. Der Frieden wird Stabilität und wirtschaftlichen Wohlstand
bringen.
Ich danke Ihnen vielmals.
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