Die Gefahr eines Atomkrieges ist real und muß gestoppt werden!
Am Mittwoch, dem 12. Juni, veranstaltete das Schiller-Institut eine
Krisen-Pressekonferenz mit vier namhaften Rednern: Scott Ritter, ehemaliger
UN-Waffeninspekteur und Nachrichtenoffizier der US-Marines; Oberst a.D.
Richard H. Black, ehemaliger Leiter der Strafrechtsabteilung der US-Armee im
Pentagon und ehemaliger Landessenator des US-Bundesstaates Virginia; Helga
Zepp-LaRouche, Gründerin des Schiller-Instituts; und Oberst a.D. Lawrence
Wilkerson, ehemaliger Stabschef von US-Außenminister Colin Powell. Ray
McGovern, ehemaliger CIA-Analyst und Mitbegründer der „Veteran Intelligence
Professionals for Sanity“ (VIPS), war als Redner vorgesehen, mußte aber aus
gesundheitlichen Gründen absagen.
Die Veranstaltung fand im Nationalen Presse-Club in Washington statt und
wurde von Journalisten aus der ganzen Welt über Zoom mit Simultanübersetzung
ins Spanische, Deutsche und Französische verfolgt.1 Darüber hinaus
verfolgten fast 2.000 Menschen die Live-Übertragung des Schiller-Instituts,
weitere schalteten sich über andere Internetkanäle zu.
Der Moderator des Schiller-Instituts, Dennis Speed, wies in
seinen einführenden Bemerkungen darauf hin, daß Scott Ritter, Helga
Zepp-LaRouche und andere auf der Liste des von den USA finanzierten Zentrums
zur Bekämpfung von Desinformation (CCD) in der Ukraine stehen, das Listen
angeblicher „Informationsterroristen“ zusammenstellt, die zum Schweigen
gebracht werden sollen. Erst vor wenigen Tagen wurde Ritter auf Geheiß des
US-Außenministeriums an der Teilnahme am Internationalen Wirtschaftsforum im
russischen St. Petersburg (SPIEF) gehindert, indem sein Reisepaß ohne
Begründung beschlagnahmt wurde.
Scott Ritter begann mit der Feststellung, daß die akute
Gefahr eines Atomkrieges heute die Schlagzeile jeder Nachrichtensendung sein
sollte. Wir seien einem Atomkrieg noch näher gekommen als während der
Kubakrise. Damals sei noch diplomatisch verhandelt worden, heute sitze
Botschafter Anatoli Antonow, ein führender Experte für Rüstungskontrolle, in
der russischen Botschaft an der Wisconsin Avenue in Washington, aber „sein
Telefon klingelt nicht“. Nach dem Ende der Sowjetunion habe Amerika
beschlossen, sich einen strategischen Vorteil zu sichern, und begonnen, sich
systematisch aus Rüstungskontrollverträgen zurückzuziehen, nach und nach sei
die Abschreckungsdoktrin der Doktrin eines führbaren Atomkriegs gewichen. „Die
größte Bedrohung für uns“, betonte Ritter, „ist die amerikanische
Atomwaffenpolitik“, nur die Geduld der russischen Führung habe bisher einen
Atomkrieg verhindert.
Oberst Richard Black ergänzte: „Unsere Nukleardoktrin gibt
dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die uneingeschränkte Macht“, aus jedem
beliebigen Grund einen Atomkrieg zu beginnen. Dies unterscheide sich von der
russischen oder chinesischen Doktrin. Die russische Doktrin sei defensiv, ihr
zufolge würden Atomwaffen nur eingesetzt, wenn das Land nuklear angegriffen
wird oder die souveräne Existenz des Landes anderweitig bedroht ist. „Die
Ukraine war nie ein vitales Interesse der Vereinigten Staaten“, betonte Black.
Der Krieg habe wegen der Frage begonnen, ob die Ukraine in die NATO
aufgenommen wird und ob dort Atomwaffen stationiert werden können – so nahe,
daß Rußland keine Zeit hätte, auf einen Erstschlag zu reagieren. Er beschrieb
die Provokationen von USA und NATO und nannte als Beispiele die Sabotage der
Nord-Stream-Pipelines, die die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gestürzt
habe; den Vorschlag des französischen Präsidenten Macron, Truppen (so wie
einst in Vietnam) als „Ausbilder“ zu entsenden, was unweigerlich mit
Kampfhandlungen enden würde; die Versuche, russische Frühwarnradare zu
blenden; sowie die Angriffe auf den russischen Luftwaffenstützpunkt Engels-2,
auf dem Atombomber stationiert sind.
Helga Zepp-LaRouche beschrieb, wie Rußland auf diese
eskalierenden Provokationen der NATO reagiert. Zusätzlich zu Manövern zum
taktischen Einsatz von Atomwaffen sei gerade am Tag der Pressekonferenz eine
russische Flottille in Kuba eingetroffen. Bei der Diskussion über Lösungen
sagte sie, der offensichtlichste Bezugspunkt sei der Westfälische Friede, mit
dem die Beteiligten den Dreißigjährigen Krieg beendeten, weil eine Fortsetzung
dieses Krieges alle Menschen in Europa umgebracht hätte. Heute hätten wir eine
globale Version dieser Situation. Zepp-LaRouche forderte die Teilnehmer auf,
sich mit ihren „Zehn Prinzipien für eine neue internationale Sicherheits- und
Entwicklungsarchitektur“ auseinanderzusetzen, und lobte die Vorschläge des
chinesischen Präsidenten Xi Jinping und die brasilianisch-chinesische
Initiative zur Beendigung des Krieges in der Ukraine.
Oberst Lawrence Wilkerson begann mit einem Zitat von Daniel
Ellsberg, einem „großen Mann, Patrioten und Helden dieses Landes“, der gesagt
habe, daß wir einem Atomkrieg näher seien als je zuvor. Wilkerson fügte hinzu:
„Es ist alles unsere Schuld. Es ist die Schuld des Imperiums… Wir haben uns
über alle Sicherheitsvereinbarungen hinweggesetzt, die wir mühsam aufgebaut
hatten.“ Vor der Stellvertreterkonfrontation der USA gegen Rußland in der
Ukraine habe es den festen Grundsatz der Diplomatie gegeben, daß niemals zwei
Atommächte Krieg gegeneinander führen sollten. Die Amerikaner wüßten nicht
mehr, was ein Atomkrieg bedeutet, „sie haben vergessen, was es bedeutet, einen
Bunker im Hinterhof zu haben“, sagte er. „Wir haben in diesem Land keine
Vorstellung mehr davon, was Atomwaffen anrichten können.“
(Den Wortlaut der Ausführungen von Scott Ritter, Richard Black, Helga Zepp-LaRouche und Lawrence Wilkerson finden Sie in dieser
Ausgabe)
Fragen aus dem Publikum und von der Presse
Der erste Fragesteller wollte wissen, ob es die Regierungen von einem
Atomangriff abhalten würde, wenn sie wüßten, daß sie dabei selbst umkommen
würden. Colonel Black antwortete, die amerikanische Staatsführung würde einen
Erstschlag wahrscheinlich überleben. Aber es gebe keine zentrale
intellektuelle Führung, die Verantwortung für ihre Politik übernimmt. „Der
Westen hat im Grunde seine ganze Existenz auf Putins Rationalität verwettet.“
Ritter ergänzte: „Ich behaupte, daß es heute im Westen keinen einzigen
Staatsmann gibt, der versteht, was ein Atomkrieg bedeutet… Wir müssen einen
Weg finden, das amerikanische Volk wieder in Angst und Schrecken zu
versetzen.“ Wilkerson berichtete, daß die USA und Rußland am Ende des Kalten
Krieges jeweils 30.000 Atomwaffen besaßen und begannen, ihre Bestände zu
reduzieren. Eine Studie der US-Luftwaffe habe damals ergeben, daß man bis auf
jeweils 600 Waffen heruntergehen könne. „Das waren gute Zeiten“, sagte
Wilkerson. Aber jetzt diskutierten die Amerikaner darüber, wie sie ihre
Nuklearpolitik ändern und noch aggressiver machen können.
Die unabhängige US-Senatskandidatin Diane Sare fragte Zepp-LaRouche nach
dem Zusammenhang zwischen dem drohenden Zusammenbruch des transatlantischen
Finanzsystems und der Kriegsgefahr. In ihrer Antwort räumte Zepp-LaRouche ein,
daß „das System jeden Moment zusammenbrechen kann, während wir hier sitzen“.
Dieser drohende Machtverlust sei die treibende Kraft hinter der
verantwortungslosen US-Politik. Das Ende des Kalten Krieges sei eine
„Sternstunde der Menschheit“ gewesen, doch leider hätten die Neokonservativen
diese Chance ausgeschlagen und statt dessen ihren Anspruch auf eine „unipolare
Welt“ und Francis Fukuyamas „Ende der Geschichte“ verfolgt. Es folgten
Jahrzehnte der NATO-Erweiterung mit Farbrevolutionen und
Militärinterventionen. Die Neokonservativen sähen in den BRICS-Staaten eine
große Bedrohung für den Hegemon, aber in Wirklichkeit sei keines dieser Länder
eine Bedrohung.
Prof. Steven Starr, der an der Universität von Missouri Seminare über
Kernwaffen unterrichtet, fragte nach dem Zweck der Angriffe auf russische
Radaranlagen und ob die USA nachrichtendienstliche Informationen für diese
Angriffe geliefert hätten. Wilkerson antwortete auf letztere Frage: „Das ist
zwar nur begründete Spekulation, aber ja.“ Auf die Frage nach dem Motiv
antwortete er, die US-Führung sei verrückt geworden. Der Grund sei derselbe,
aus dem Amerika die Nord-Stream-Pipeline gesprengt habe. Ritter ergänzte, ohne
amerikanische Echtzeit-Aufklärung hätten die Drohnen unmöglich so weit nach
Rußland vordringen können.
Ein Reporter von TASS fragte, ob Amerika oder seine Verbündeten die
Ukraine mit Atomwaffen ausrüsten könnten. Ritter fragte rhetorisch: „Warum
sollten wir die gefährlichsten Waffen der Welt an das unverantwortlichste Land
der Welt liefern?“
Ein Fragesteller vom Patriot Action PAC fragte, ob die gegenwärtige
US-Regierung einen Atomkonflikt als Wahlkampftaktik benutzen könnte. Black
antwortete, dies sei das Szenario wie in dem Film Wag the Dog – wenn der
Schwanz mit dem Hund wedelt. Damals habe Präsident Clinton den Krieg gegen
Serbien als Mittel benutzt, sich nach seinem Amtsenthebungsverfahren politisch
zu erholen. Aber dazu brauche man etwas Unerwartetes als Vorwand, so Black.
Die Menschen seien heute kriegsmüde, das hätten sie bei der Europawahl
deutlich gemacht. Wilkerson fügte hinzu, Biden sei wie Präsident Johnson 1965,
der einen Krieg eskalierte, obwohl er ihn nicht gewinnen konnte, weil ein
Rückzug seine Wiederwahlchancen gefährdet hätte.
Zepp-LaRouche wurde um einen Kommentar zur Europawahl gebeten. Sie sagte,
es sei gut, daß es jetzt in Deutschland zwei Parteien gebe, die gegen den
Krieg sind, aber Deutschland sei zur „Lachnummer der Welt geworden…, der
totale koloniale Sklave der Anglosphäre“. Ritter fügte hinzu, die Menschen in
Amerika glaubten, daß ihre Stimme nicht mehr zählt, ihnen gefalle keiner der
Kandidaten. „Aber fragen Sie mal Emmanuel Macron – Ihre Stimme zählt!“
Von der internationalen Nachrichtenagentur Pressenza kam die Frage,
wie Menschen in aller Welt zum Frieden in der Ukraine beitragen könnten, so
wie sie zum Ende der Apartheid in Südafrika beitrugen. Zepp-LaRouche
antwortete, es sei „ausdrücklich das Recht der Stimmen und Länder des Globalen
Südens“, zu intervenieren, denn die Atomkriegsgefahr betreffe alle. Die NATO
wolle das Narrativ kontrollieren und habe einen enormen Apparat aufgebaut, um
Rußland und China zu verteufeln, so daß der Globale Süden im Westen kein Gehör
finde. Eine selbstbewußtere Rolle des Südens sei jetzt das Wichtigste, um den
Gang der Dinge zu ändern.
Ritter wurde gefragt, was er in St. Petersburg gesagt hätte, wenn er nicht
daran gehindert worden wäre. Er berichtete, er habe eine 40-tägige Reise durch
Rußland als Friedensbotschafter geplant, die er live im Internet übertragen
wollte. Das habe die anderen „zu Tode erschreckt“, so daß sie ihm den Paß
abgenommen hätten.
Eine Frage kam vom Nachrichtenportal The Grayzone: Welche
Auswirkungen hätte das von Präsident Biden vorgeschlagene Abkommen mit den
Saudis, ihnen bei der Urananreicherung zu helfen, im Gegenzug zu einer
Normalisierung mit Israel? Wilkerson antwortete, Amerika versuche verzweifelt,
die Situation in Gaza zu lösen, und die Saudis hätten gerne die Möglichkeit,
eine Atombombe zu bauen. China und Rußland würden ihnen das verweigern, anders
jedoch die USA.
Ein Reporter von Radio Mindanao auf den Philippinen fragte, ob das
philippinische Militär als Stellvertreter für einen Krieg gegen China benutzt
würde. Ritter antwortete, die Vereinigten Staaten seien nicht in der Lage,
gegen eine gleichrangige Macht zu kämpfen, und setzten daher die Philippinen
als Stellvertreter ein, genau wie die Ukraine. Black betonte: „Es ist sehr
wichtig für die Philippinen, zu verstehen, was vor sich geht.“
Zusammenfassende Kommentare
Zum Abschluß der Pressekonferenz hatten die Redner nochmals Gelegenheit,
ihre Positionen zusammenzufassen.
Larry Wilkerson konstatierte, die Atommacht, die diese Waffen heute am
wahrscheinlichsten einsetzen werde, seien die Vereinigten Staaten. Ein
umsichtiger Staat habe niemals mehr Feinde, als er bewältigen kann, aber „wir
haben uns den größten Teil der Welt zum Feind gemacht“. Die USA sollten
lernen, „dieses kluge Instrument der nationalen Macht namens Diplomatie“ zu
nutzen.
Richard Black erklärte, es sei ein großer Sieg für die Menschheit gewesen,
daß der Kalte Krieg ohne Blutvergießen endete. Aber anstatt das zu nutzen,
hätten die USA die NATO-Grenze nach Osten verschoben; als der Warschauer Pakt
verschwand, wurde die NATO nicht aufgelöst. Daß diese Chance zum Frieden
verpaßt wurde, sei ein schrecklicher Verlust für die Menschheit.
Scott Ritter sagte, man habe ihm geraten, er solle den Menschen „keine
Angst machen“, aber er mißachte diesen Rat. Jeder Amerikaner müsse morgens mit
der Angst aufwachen, in einem Atomkrieg zu sterben, erst dann würden die
Menschen aktiv. Damit die Wahl etwas ändert, müßten die Kandidaten wissen,
wofür man stimmt: „Wenn Sie nicht gegen den Atomkrieg sind, werden Sie nie
unsere Stimme bekommen!“
Abschließend warnte Helga Zepp-LaRouche: „Wir befinden uns in der
wahrscheinlich wichtigsten und gefährlichsten Phase der Geschichte.“ Die NATO
stehe vor einem großen Gesichtsverlust, und die Art und Weise, wie sie ihre
Stellvertreter in Afghanistan im Stich ließ, sollte den Philippinen und der
Ukraine eine Lehre sein. Sie prangerte das idiotische Vorhaben an, russisches
Vermögen zu beschlagnahmen – selbst der IWF warne vor einem Zusammenbruch des
Finanzsystems, wenn Rußland dann gleiches mit gleichem vergilt. Die Generation
des Zweiten Weltkriegs habe gewußt, was Krieg bedeutet, aber die heutige
Generation sei oberflächlich und kenne die Geschichte nicht. Sie müsse sich
fragen, wie die große deutsche Zivilisation auf das Niveau des
Nationalsozialismus herabsinken konnte.
Die Menschen bräuchten ein Verständnis für eine höhere Gesetzmäßigkeit, ein
Naturgesetz, schlußfolgerte sie. Das sei für die Debatte notwendig. „Wir
müssen die Menschheit auf eine höhere moralische Ebene heben, wenn wir diese
große Gefahr überleben wollen.“
eir
Anmerkung
1. Den Mitschnitt der Veranstaltung finden Sie im englischen Original und
mit Simultanübersetzung auf der Internetseite des Schiller-Instituts.
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