Späte Ehrung für eine dänisch-albanische Heldin
Von Feride Istogu Gillesberg
Dänische Künstler gaben in Albanien ein Konzert zum Gedenken an
die dänische Konzertpianistin Olga Schweizer, die in Albanien zu einer Heldin
wurde.
Die kürzlich gegründete dänisch-albanische Kulturorganisation „Lola Aleksi
Gjoka Society“, benannt nach der ersten albanischen Pianistin Lola Aleksi
Gjoka (1910-1985), organisierte am 3. Juni in Libohova und am 7. Juni in
Tirana in Albanien klassische Konzerte zum Gedenken an die dänische
Konzertpianistin Olga Schweizer Libohova (1886-1958), die in Albanien zu einer
Heldin wurde. Die Künstler, die bei den Konzerten auftraten, waren die
weltberühmten dänischen Opernsänger Stig Fogh Andersen, Tenor, und Gitta-Maria
Sjöberg, Sopran, der dänische Pianist Knud Rasmussen, der Tenor John Olsen
sowie die Autorin.
Wer war Olga Schweizer, die dänische Heldin in Albanien?
Olga Schweizer Libohova ist in der kleinen Stadt Libohova am besten als
„Madame Olga“ oder auf Albanisch als „Zonja Olga“ bekannt. Olga Schweizer war
eine dänische Konzertpianistin, die nach Abschluß ihrer Ausbildung in Paris in
den frühen 1900er Jahren viele Konzerte in verschiedenen europäischen
Hauptstädten gab, darunter auch in Istanbul. In Istanbul lernte sie den
albanischen Intellektuellen Mufid Bey Libohova kennen, der an der dortigen
Militärakademie studierte. Olga Schweizer und Mufid Bey Libohova verliebten
sich auf den ersten Blick, bald darauf verlobten sie sich und heirateten, und
1909 ließen sie sich in Albanien nieder, wo Bey Libohova eine wichtige Rolle
bei der Gründung der Nation spielte. Als Albanien 1912 nach 500 Jahren
Besatzung durch das Osmanische Reich endlich seine Unabhängigkeit erlangte,
wurde Mufid Libohova der erste Innenminister des Landes, später Finanzminister
und Begründer der Nationalbank und der Landeswährung. Später war er
Außenminister.
Olga Schweizers Nachkommen erzählen, wie sehr sie Albanien und seine
Menschen liebte. Das war der Grund, warum sie auch nach dem Tod ihres Mannes
1927 in Albanien blieb. Sie kümmerte sich mit offenem Herzen, mit Hingabe und
Fürsorge um die Menschen in Libohova. Vielleicht war es eine
Charaktereigenschaft, die sie aus ihrer dänischen Erziehung mitbrachte,
Menschen in Not zu helfen. Die Menschen in Libohova liebten ihre
Freundlichkeit und Hingabe und sprachen sie mit dem Ehrennamen „Madame Olga“
an.
Während des Zweiten Weltkriegs kam die deutsche Armee nach Libohova, um
einen Racheakt gegen die Partisanen in der Region zu verüben. Die Nazis
stellten alle männlichen Einwohner, ob alt oder jung, in einer Reihe auf, um
sie zu liquidieren. Aber Madame Olga, die gesehen hatte, was geschah, kam aus
ihrem Haus und ging auf den deutschen Offizier zu. Sie hielt ihn in dem Moment
auf, als er den Soldaten den Befehl zum Schießen geben wollte. In fließendem
Deutsch fragte Olga den Offizier, was sie da taten. Der Offizier war verwirrt,
er konnte nicht glauben, was er da hörte - eine Frau an einem weit entfernten
Ort, die fließend Deutsch spricht! Er fragte sie, wer sie sei. Sie wich ihm
aus und sagte: „Ich bin eine Bürgerin wie die, die Sie aufgereiht haben. Ich
bin eine Bürgerin, die mit den alltäglichen Sorgen, Nöten und Freuden lebt wie
alle hier, weder besser noch schlechter als sie. Ich genieße großen Respekt
bei den Bürgern hier und ich bitte Sie, sie gehen zu lassen.“
Der deutsche Offizier war verwirrt, und Olga sagte weiter, daß diese Männer
unschuldig seien und daß die hundert Männer zu hundert Familien gehörten, die
sie alle kenne. Es seien keine Partisanen unter ihnen. Doch der Offizier
erwiderte, er habe den Befehl, sie zu erschießen. Madame Olga versicherte ihm
erneut, daß es keine Partisanen gäbe, und schloß mit den Worten: „Ich bin wie
sie, also müssen Sie mich auch wie sie behandeln.“ Dann stellte sie sich in
die Mitte der Schlange und sagte: „Wenn Sie diese Leute für schuldig halten -
und ich garantiere Ihnen, daß sie es nicht sind -, dann erschießen Sie mich
zuerst!“
Einen Moment lang herrschte völlige Stille. „Wer sind Sie?“, wollte der
Offizier wissen. „Das ist unwichtig“, antwortete sie. Er fragte hartnäckig
nach, und schließlich sagte ihm Madame Olga, sie sei die Frau von Mufid Bey
Libohova. Dies veranlaßte den Offizier, die deutsche Kommandozentrale in der
Hauptstadt Tirana anzurufen. Als der Oberbefehlshaber den Namen von Mufid Bey
Libohova hörte, gab er den Befehl, alle freizulassen.
Olgas Tapferkeit wurde von allen Nachkommen der an diesem Tag Geretteten,
die den Krieg überlebten, von Generation zu Generation weitererzählt, so daß
ihre Heldentat nicht in Vergessenheit geriet. Madame Olga lebt bis heute in
den Herzen der Einwohner von Libohova weiter.
Außerhalb Libohovas wurde ihr Heldentum erst nach dem Fall des Kommunismus
1991 bekannt. Aber das Wissen über Olga Schweizer muß auch über die Grenzen
Albaniens hinaus verbreitet werden.
Konzerte und Feierlichkeiten
Als die Autorin Künstlern in Dänemark Olga Schweizers Geschichte und die
Idee eines Konzerts zu ihren Ehren erzählte, waren sie sehr bewegt und fühlten
sich geehrt, an einem klassischen Konzert zum Gedenken an Olga Schweizer in
Libohova und in Tirana teilzunehmen. Der weltberühmte dänische Tenor Stig Fogh
Andersen und die Sopranistin Gitta-Maria Sjöberg reisten zusammen mit dem
Tenor John Olsen und dem Pianisten Knud Rasmussen sowie der Autorin nach
Albanien, um in Libohova und Tirana klassische Konzerte mit einem
dänisch-albanischen Programm zum Gedenken an Olga Schweizer zu geben.
Ein Lokalpolitiker aus dem dänischen Helsingør und eine größere Delegation
dänischer Bürger fuhren mit dem Enkel von Olga Schweizer, Kemal Libohova, und
Mitgliedern des Dänisch-Albanischen Freundschaftsvereins nach Albanien, um
Olga zu feiern. An diesem Tag füllte sich der Stadtplatz von Libohova mit
Einwohnern, einer größeren dänischen Delegation, dem Bürgermeister der Stadt,
dem dänischen Konsul in Albanien, Intellektuellen aus Tirana, und sogar in
Griechenland lebende albanische Familien, die von dieser Feier gehört hatten,
reisten an, um daran teilzunehmen. Sie hatten Familienmitglieder, die durch
Olgas mutige Tat gerettet worden waren. Libohova verwandelte sich in eine
historische Bühne, auf der eine Heldin gefeiert wurde.
Die Feierlichkeiten begannen mit der Enthüllung einer wunderschönen
Gedenktafel auf einem flachen Stein mit Olga Schweizers Porträt, angefertigt
von dem albanisch-dänischen Bildhauer Bajramali Idrizi, die am Eingang des
Hauses der Familie Libohova angebracht wurde. Auf diesen Festakt folgten Reden
und eine Kindertanzgruppe.
Den Höhepunkt bildete das klassische Konzert zum Gedenken an Olga Schweizer
mit den dänischen Opernsängern Gitta-Maria Sjöberg und Stig Fogh Andersen, dem
Pianisten Knud Rasmussen, einer albanischen Sopranistin aus Gjirokaster, dem
bekannten albanischen Volksliedermacher Rolandi Cenko und der Autorin. Das
Programm bestand sowohl aus schönen dänischen Liedern von Peter Heise, Carl
Nielsen und Matti Borg als auch albanischen Liedern von Lola Gjoka, gesungen
von den dänischen Künstlern.
Alle Anwesenden, Dänen wie Albaner, waren von der Schönheit des klassischen
Konzerts zu Ehren von Olga Schweizer sehr angetan, insbesondere vom Gesang von
Stig Fogh Andersen und Gitta-Maria Sjöberg. Wie Olgas Enkel Kemal Libohova
sagte, der die Veranstaltung maßgeblich vorangetrieben hatte, erhielt seine
Großmutter endlich die verdiente Ehrung.
Ein kleineres Konzert zum Gedenken an Olga Schweizer für Diplomaten fand am
5. Juni, dem dänischen Verfassungstag, in der Kunstgalerie Kalo statt und
wurde vom dänischen Konsul in Albanien organisiert. Und das letzte Konzert
fand im schönen Konzertsaal des Kulturzentrums der Orthodoxen Kirche in Tirana
statt, an dem Diplomaten, albanische Intelligenzler und Dänen
teilnahmen.1
Die Feierlichkeiten zu Ehren von Olga Schweizer haben ein großes Interesse
an ihr geweckt. Zwischen den Konzerten in Libohova und Tirana wurden zwei
längere Interviews über sie im albanischen Fernsehen ausgestrahlt, in der
Sendung „Ura“ (Brücke), die bei den Albanern sehr bekannt ist. Diese Sendung
wird auch in die albanische Diaspora in der ganzen Welt ausgestrahlt. Das
erste Interview wurde mit den freiberuflichen albanisch-dänischen Journalisten
Ibrahim Xhemajli und Ixhet Lutfiu geführt, die vor drei Jahren die Geschichte
Olga Schweizers dokumentiert hatten, das zweite Interview mit der Autorin als
Organisatorin der klassischen Konzerte.
Das Wissen um Olga Schweizer wird hoffentlich den Rest der Welt erreichen
und viele dazu inspirieren, selbst mutig zu sein, denn wir leben in einer
Zeit, die von immer mehr Menschen verlangt, mutig zu werden: um für Frieden
und Gerechtigkeit einzutreten, wie im Nahen Osten, wo ein schrecklicher
Völkermord am palästinensischen Volk in Gaza stattfindet, der beendet werden
muß - oder der Krieg der Nato in der Ukraine, der beendet werden muß, bevor er
sich zu einem Atomkrieg ausweitet, der zu einer Tragödie für die gesamte
Menschheit werden könnte. Möge die Erinnerung an Olga Schweizers heldenhaften
Einsatz zur Rettung ihrer Mitmenschen, bei dem sie ihr eigenes Leben
riskierte, uns inspirieren, für die Menschheit zu handeln, und möge sich ein
musikalischer Dialog der Kulturen ausbreiten und die Grundlage für den Frieden
zwischen den Nationen und Völkern schaffen!
Anmerkung
1. Siehe lola-aleksi-gjoka.net
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