Typhon-Stationierung macht Deutschland
zum Ausgangspunkt eines globalen Atomkrieges
Von Prof. Theodore Postol
In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 2. Oktober
sprach Prof. Theodore Postol über die Gefahr eines Atomkriegs, die durch die
Stationierung mobiler amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland
heraufbeschworen wird, und über die Folgen des Einsatzes taktischer
Nuklearwaffen. Dr. Postol ist emeritierter Professor für Wissenschaft,
Technologie und internationale Sicherheit am MIT, einer der weltweit
bekanntesten Experten für die Frage des Atomkriegs. Er wurde ausgezeichnet mit
dem Hilliard Roderick Prize for Excellence in Science, Arms Control, and
International Security von der International Association for the Advancement of
Science und dem Leo-Szilard-Preis der American Physical Society. (Leicht
gekürzte Übersetzung aus dem Englischen, Zwischenüberschriften wurden von der
Redaktion hinzugefügt.)
Ich möchte ein wenig darüber sprechen, warum die Stationierung dieser
amerikanischen Raketen in Deutschland ein Auslöser für einen Dritten Weltkrieg
sein kann. Die Gründe dafür sind eigentlich ganz einfach: Die Vorwarnzeit, die
den Russen wie auch den Europäern und den Vereinigten Staaten zur Verfügung
stünde, wäre sehr kurz. Und wegen dieser kurzen Vorwarnzeiten und der
enormen Zerstörungskraft der betreffenden Waffen wäre die Situation
ständig auf Messers Schneide.
Ich werde mich in dieser Diskussion auf die russische Seite konzentrieren,
weil dies wichtige Auswirkungen auf die Sicherheit Deutschlands hat, aber
tatsächlich werden beide Seiten versuchen, die Nuklearstreitkräfte der anderen
Seite zu zerstören, weil sie im Fall der Fälle das Gefühl haben, keine andere
Wahl zu haben. Und das wird mit ziemlicher Sicherheit zu einer schnellen,
unkontrollierten Eskalation führen, an der die strategischen Streitkräfte sowohl
der Vereinigten Staaten als auch Rußlands beteiligt wären.
Es geht also einfach um eine Frage der kurzen Distanz, der wahrgenommenen
Gefahr, die jede Seite für die andere darstellt, und die Unmöglichkeit,
Atomwaffen auf irgendeine „kontrollierte“ Weise einzusetzen, um sich zu
schützen. Aber es wird sicherlich eine Situation geben, die nicht mehr
aufzuhalten ist, sobald sie einmal in Gang kommt.
Ich habe ein paar Abbildungen, die ich durchgehen möchte.
Im Grunde genommen geht es mir um die Stationierung dieser mobilen, atomar
bewaffneten Raketen in Deutschland, die ich in diesem Vortrag beschreibe. Manche
Leute sagen: „Die sind doch gar nicht atomar bewaffnet.“ Das ist lächerlich. Sie
werden nuklear bewaffnet sein! Sie müssen nuklear bestückt sein, denn
wenn sie das nicht sind, sind sie bedeutungslos. Das möchte ich klarstellen. Die
Anzahl dieser Raketen und konventionellen Sprengköpfe kann unmöglich etwas
Wesentliches am militärischen Gleichgewicht ändern, es gibt viel zu wenige davon
und ihre Fähigkeiten sind viel zu gering. Deshalb wird man diese Waffen sehr
schnell zu Atomwaffen umfunktionieren.
Und leider kann man meinem Land, wie Botschafter Matlock auch gesagt hat,
nicht trauen, daß es nicht plötzlich die Einsatzregeln ändert. Meiner Meinung
nach ist es ausgeschlossen, daß diese Raketen nicht nuklear sind, wenn sie
eingesetzt werden. Das ist also etwas sehr wichtiges, das man im Hinterkopf
behalten sollte.
Abb. 1: Die „Typhon“-Systeme sind als normale LKW getarnte mobile
Startrampen, von denen aus konventionell oder nuklear bewaffnete Raketen und
Marschflugkörper gestartet werden können [oben].
Abb. 2: 100-kt-Sprengköpfe des U-Boot-gestützten
Trident-II-Systems für ballistische Raketen sind im
US-Atomwaffenarsenal allgegenwärtig und die naheliegende Wahl für die neuen
Typhon-Raketensysteme. In Zukunft können auch
Hyperschall-Marschflugkörper eingesetzt werden.
Abb. 3: Das geplante Hyperschall-Raketensystem wird die
Radar-Frühwarnzeiten für Rußland erheblich verkürzen – das sich auf Radarsysteme
verlassen muß, um einen Angriff zu erkennen. Moskau hätte bei einem nuklearen
Angriff aus Deutschland vielleicht 3–4 Minuten Vorwarnzeit [unten].
Abb. 4: Im Fall der Stationierung von Hyperschall-Marschflugkörpern in
Deutschland wären die Vorwarnzeiten für Nuklearangriffe der NATO auf Moskau
extrem kurz! Radarsysteme in Moskau könnten einen bevorstehenden Nuklearangriff
der NATO nur für Zeiträume von bis zu 6 Minuten (!) erkennen.
Wenn man sich diese speziellen Raketen ein wenig genauer ansieht, wird man
feststellen, daß Lastwagen sie transportieren, die Behälter tragen, die
durch das Dach des Lastwagens senkrecht gestellt und abgefeuert werden können
(Abbildung 1).
Wichtig an diesen Lastwagen ist, daß sie, wenn sie auf der Straße unterwegs
sind, nur sehr schwer von kommerziellen Lastwagen zu unterscheiden sind, die
zivile Handelsgüter transportieren. Das ist kein Zufall. Sie sollen nur sehr
schwer zu erkennen sein, und eine Möglichkeit, diese Lastwagen zu verstecken,
besteht eben darin, sie schlicht und einfach wie kommerzielle Lastwagen aussehen
zu lassen.
Das bedeutet, wenn die Russen anfangen, sich Sorgen zu machen, daß diese
Lastwagen an verschiedenen Orten stehen werden, die möglichst
geheimgehalten werden, aber die Russen würden mit Sicherheit trotzdem
einige der Orte kennen. Wenn die Russen das sehen und sich entscheiden, etwas
dagegen zu tun, werden sie wahrscheinlich versuchen, diese Einheiten zu
zerstören, bevor sie für einen Angriff auf Rußland eingesetzt werden. Das
bedeutet, daß es auf deutschem Boden zu einem sehr breiten Einsatz von Atomwaffen kommen könnte.
Das Besondere an den Raketen, die diese Systeme tragen (Abbildung 2),
ist: Sie sind im Grunde in vielerlei Hinsicht einem Sprengkopf für ballistische
Raketen sehr ähnlich, aber sie sind so konstruiert, daß sie einen gewissen
aerodynamischen Auftrieb haben. Sprengköpfe für ballistische Raketen
sind eher nicht so ausgelegt, weil sie sich die meiste Zeit
außerhalb der Atmosphäre befinden.
Einen Sprengkopf für eine ballistische Rakete würde man auf einer
ansteigenden Flugbahn abschießen, und diese ansteigende Bahn würde
aufgrund der Erdkrümmung schnell sichtbar werden, auch wenn die Krümmung groß
genug ist, um den Start vor einem Radar in Moskau zu verbergen (Abbildung
3 oben). Dann hätte man mindestens 10 oder 12 Minuten Zeit, um dieses Objekt zu beobachten, das auf einen zukommt.
Ein Hyperschallfahrzeug jedoch wird auch mit einer Geschwindigkeit gestartet,
die in etwa der einer ballistischen Rakete entspricht, so daß es Moskau
schneller erreicht, weil es auf einer kürzeren Flugbahn unterwegs ist. Es
streift die Oberfläche der Atmosphäre (Abbildung 3 unten), aber seine
Geschwindigkeit ist extrem hoch.
Und weil es sich in geringer Höhe über dem Boden befindet, ist es
wahrscheinlich, daß es nur etwa drei Minuten lang in der Sichtlinie
der Radargeräte in Moskau ist, bevor es dort eintrifft. Die Russen hätten also
fast keine Vorwarnung vor einem nuklearen Angriff auf ihre Führung (Abbildung
4).
Das wird die Russen dazu veranlassen, Mechanismen einzurichten, um schnell
reagieren zu können. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie diese Mechanismen aussehen
würden, aber sie werden sicherlich verschiedene Dinge beinhalten, die wir „vorab
delegierte Autorität“ nennen: die Befugnis, Maßnahmen zu ergreifen, wenn
beispielsweise die Kommunikation aus Moskau plötzlich abbricht. Und wenn es
unter bestimmten Krisenbedingungen zu einem versehentlichen
Kommunikationsausfall käme, könnte das zum massiven Einsatz von Atomwaffen gegen
Deutschland führen.
Der Präzedenzfall: Die Kubakrise 1962
Ich werde nicht näher darauf eingehen, aber das war die Angst der Vereinigten
Staaten während der Kubakrise 1962!
Abb. 5: Flugdauer russischer Nuklearschläge gegen Washington, D.C. und andere
US-Städte von Kuba aus im Jahr 1962.
1962 verhängten die Vereinigten Staaten eine Blockade gegen Kuba und planten
eine Invasion, falls die Russen nicht einlenken und die Stationierung von
Atomwaffen auf Kuba stoppen würden, weil die Vorwarnzeiten so kurz und für die
Vereinigten Staaten inakzeptabel wären, wenn ballistische Atomraketen von Kuba
aus gestartet werden (Abbildung 5).
Glücklicherweise hatte Chruschtschow selbst den Krieg erlebt und wußte, was
das bedeutet – ebenso wie John F. Kennedy, der den Krieg auch erlebt hatte. Und
diese beiden erfahrenen Präsidenten, die beide Soldaten gewesen waren,
hatten verstanden, wie schnell die Lage außer Kontrolle geraten konnte.
Stellen Sie sich nun vor, was passiert wäre, wenn Chruschtschow zu Kennedy
gesagt hätte: „Kuba geht Sie nichts an. Sie haben kein Recht, uns zu verbieten,
Atomwaffen auf Kuba zu stationieren!“ An diesem Punkt hätte der Dritte Weltkrieg
beginnen können. Die Vereinigten Staaten wären mit Sicherheit dort
einmarschiert, und wir wissen jetzt, daß auf Kuba bereits nuklear bewaffnete
ballistische Raketen waren. Wir wissen nicht, was passiert wäre, aber es besteht
eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, daß diese Waffen abgefeuert worden
wären.
In der Gegenwart, im Dezember 2021, sprach Sergej Lawrow mit Antony Blinken,
und Blinken sagte ihm, daß sich die Vereinigten Staaten das Recht vorbehalten,
nuklear bewaffnete ballistische Raketen in der Ukraine zu stationieren. Lawrow
protestierte und sagte: „Wir würden dagegen Einspruch einheben“, und Blinkens
Antwort an Lawrow lautete: „Nun, Sie haben kein Recht, den Ukrainern zu sagen,
was sie tun und was sie nicht tun dürfen. Das geht Sie nichts an.“
Stellen Sie sich vor, Chruschtschow hätte das damals mit dem amerikanischen
Präsidenten so gemacht.
Das war im Dezember 2021, und die Invasion folgte bekanntlich am 24. Februar
2022, nur zwei Monate später – keine Überraschung, wenn man ein wenig über die
Situation weiß und überlegt, wie die Menschen aus militärischer und politischer
Sicht darüber denken würden.
Wie würde ein Nuklearschlag auf Deutschland aussehen?
Wie könnte nun ein taktischer Nuklearschlag Rußlands auf diese
Raketenstellungen in Deutschland aussehen? Nun, wir wissen es nicht genau, aber
wir wissen, auf welche Weise eine militärische Institution vorgehen könnte.
Nicht, weil sie verrückt sind, sondern weil sie auf jede erdenkliche Weise
versuchen, den Schaden für ihr Land zu begrenzen. Und sie wissen, daß das
wahrscheinliche Ergebnis ihrer Handlungen die Zerstörung der Welt ist.
Wer glaubt, diese Soldaten wüßten nicht, was sie tun, und könnten die
Konsequenzen ihres Handelns nicht in vollem Umfang verstehen, der kennt sie
einfach nicht. Ich habe Seite an Seite mit Amerikanern gearbeitet, die damit
befaßt waren – Soldaten – und die wußten genau, womit sie es zu tun hatten. Und
sie hätten ihren Job gemacht, aber sie hätten sich dabei keinerlei Illusionen
gemacht, daß die Welt so bleiben würde, wie sie ist, oder daß sie selbst oder
ihre Familien am Leben bleiben würden. Die Vorstellung, daß diese Soldaten die
Konsequenzen irgendwie nicht verstehen, ist falsch! Meiner Erfahrung nach sind
es die Zivilisten, die zivile Führung im Pentagon, die die Konsequenzen nicht
vollständig verstehen.
Abb. 6: Mögliche Fallout-Muster bei sehr begrenzten russischen taktischen
Nuklearraketen-Gegenschlägen.
Hier ist als Beispiel ein Gedankenspiel (Abbildung 6). Ich habe kleine
nukleare Explosionen eingezeichnet, und die roten ovalen Bereiche zeigen Ihnen
Gebiete, in denen der Fallout – das radioaktive Material aus den nuklearen
Explosionen – zu Boden sinken und ein so großes Strahlungsfeld erzeugen würde,
daß Menschen, die das Gebiet nicht innerhalb von 24 Stunden evakuieren, eine
tödliche Dosis erhalten. Der blaue Bereich zeigt das Gebiet, in dem die Menschen
soviel Strahlung abbekommen würden, daß sie krank werden; einige von ihnen
würden aber auch sterben, weil sie keine medizinische Versorgung hätten.
Die Karte zeigt nur etwa ein Dutzend nuklearer Detonationen.
Ich gehe dabei übrigens von einer nuklearen Sprengkraft der Sprengköpfe aus,
die genau der von Putin genannten Sprengkraft der russischen taktischen
Nuklearsprengköpfe entspricht: 75 Kilotonnen. Das ist meine Annahme. Sie könnten
größer sein, sie könnten kleiner sein. Ich vermute, daß es eine Mischung
wäre.
Diese Angriffe würden an den Orten stattfinden, wo nach den Erkenntnissen der
Russen Einheiten taktischer ballistischer US-Raketen stationiert sind. Aber
tatsächlich gäbe es noch viel mehr Standorte, die sie nur vermuten können, und
wahrscheinlich würden Hunderte dieser Waffen darauf abgefeuert, weil die
Geheimdienstinformationen unsicher sind und es ein großes Risiko ist, einen Ort
zu übersehen, an dem mehrere Atomwaffen gegen dein Land und seine Hauptstadt
abgefeuert werden könnten. Wenn man ohnehin schon solche Waffen einsetzt, wird
man nicht sagen: „Ach je, wenn wir noch eine Waffe mehr einsetzen, könnte das
eine Eskalation bedeuten.“ Nein, du würdest alles ins Visier nehmen, was deiner
Ansicht nach eine Bedrohung für dein Land darstellen kann.
Kommen wir zu einem Gefahrenbereich, der ebenfalls ins Visier genommen werden
könnte. Das ist eine Karte von Hamburg aus dem Jahr 1943. Sie markiert Gebiete,
die bei den Bombenangriffen vom 27. und 28. Juli 1943 bombardiert wurden.
Hamburg ist übrigens eine große Kommandozentrale, also wird es auch getroffen
werden. Niemand wird sagen: „Wir werden keine Kommandozentrale angreifen.“ Dort
werden alle Entscheidungen getroffen, diese Waffen gegen euch einzusetzen.
Deshalb wird man sie alle angreifen, und es wird viele große Städte geben, sogar
wahrscheinlich die meisten, die mit einer Atomwaffe getroffen werden. Dieses
Gebiet brannte in einem sogenannten Feuersturm nieder.
Hier sehen Sie ein Foto eines Brandgebiets. Ein
Feuersturm entsteht, wenn ein sehr großes Gebiet in Flammen steht. Die Größe des
Gebiets spielt eine Rolle, denn je größer es wird, desto größer ist die
Intensität der Erwärmung über dem Gebiet. Das Gebiet, über dem die Luft erwärmt wird, wächst im Quadrat, während der Umfang nur linear größer wird. Daher reicht die Intensität der von außen einströmenden Luft nicht aus, um die Lufttemperatur im Brandbereich ausreichend abzukühlen und zu verhindern, daß sie immer weiter ansteigt. Und so
entsteht sehr schnell ein zirkulierender Feuersturm (Abbildung 7).
Abb. 7 und 8: Ein Feuersturm entsteht, wenn die aufgeheizte Luft in die Höhe
gerissen wird, aber die nachströmende Luft nicht ausreicht, um den Brandbereich
zu kühlen. Es bildet sich ein Luftwirbel aus, der das Feuer nach innen treibt, was dazu führt, daß das gesamte Gebiet in Flammen aufgeht und am Boden sehr starke Winde entstehen.
Abb. 9 Foto: Opfer des Feuersturms, die durch Kohlenmonoxid und starke
Bodenerhitzung durch einen Feuersturm getötet wurden.
Abb. 10: Unmittelbarer Wirkungsbereich der russischen 75-kt-taktischen
thermonuklearen Detonation (großer Kreis) auf Hamburg im Vergleich zum Feuersturm von 1943 (gelb schraffierte Fläche unten rechts im Bild).
Abb. 11: Zu dem Feuersturm, den die Detonation einer taktischen
75-kt-Kernwaffe auslösen würde, kommt noch die Wirkung des radioaktiven
Niederschlags (schwarze Schraffierung).
Abb. 12: Würde außerdem auch der Hamburger Flughafen mit einer taktischen
75-kt-Bomben angegriffen [unten], würden sich die beiden Brandgebiete zu einem einzigen noch größeren Feuersturm vereinigen.
Hier ist ein Bild von einem Luftangriff mit dem sich entwickelnden Feuersturm
– das werde ich jetzt nicht weiter ausführen. Dabei passiert folgendes: Der
kreisförmige Bereich des Feuers erzeugt auf natürliche Weise eine Luftbewegung, die das Feuer nach innen treibt, was dazu führt, daß das gesamte Gebiet in Flammen aufgeht und am Boden sehr starke Winde entstehen (Abbildung
8).
Die Temperaturen sind enorm – so hoch, daß sie Glas schmelzen, so intensiv
ist ein Feuersturm. Die Lufttemperatur liegt über dem Siedepunkt von Wasser. Die
Windgeschwindigkeit erreicht Orkanstärke, und selbst Menschen in
Schutzräumen sind verloren, sie können den Schutzraum nicht verlassen, weil
die Luft so heiß ist und die Winde so stark sind, und sie werden in den
Schutzräumen buchstäblich gebraten (Abbildung 9).
Das haben wir in Hamburg, Dresden und anderen deutschen Städten gesehen, die
im Zweiten Weltkrieg ausgebombt wurden.
Damit Sie einen Eindruck bekommen, wie Hamburg heute bei einem Feuersturm
(durch eine Nuklearbombe) leiden würde, im Vergleich zu 1943, habe ich dieses
Gebiet auf die Satellitenkarte von Google projiziert, damit Sie sich ein Bild
von der Struktur der Stadt machen können, anstatt nur eine Karte zu
betrachten.
Abbildung 10 zeigt das Gebiet, das eine kleine taktische
75-Kilotonnen-Nuklearwaffe in Brand setzen würde. Das Brandgebiet
am Boden wäre viel intensiver als im Feuersturmgebiet während des Großangriffs 1943.
Nun ist es wichtig zu bedenken, daß diese Atomwaffe auch Strahlung erzeugt,
die größtenteils in große Höhen getragen wird und dann in Form von Partikeln
innerhalb von zehn Minuten nach Bildung der Detonationswolke herabfällt. Und
Abbildung 11 zeigt Ihnen, daß das ziemlich nahe ist. Es zeigt das Gebiet
in Windrichtung, wenn man von einer bestimmten Windrichtung ausgeht – die man
tatsächlich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht wüßte –, und es zeigt Ihnen das
Gebiet, in dem Menschen innerhalb einer Stunde an den Folgen des radioaktiven
Niederschlags sterben würden, weil die Strahlungsintensität so hoch wäre und so
schnell käme.
Nun ist Hamburg eine große Metropolregion und hat einen Flughafen. Warum
sollte jemand einen zivilen Flughafen angreifen, es ist doch keine militärische
Einrichtung?
Nun, wenn man im Krieg ist oder ein Krieg möglich ist, würden sehr
wahrscheinlich viele Militärflugzeuge auf zivile Flughäfen verteilt, um die
Wahrscheinlichkeit zu minimieren, daß sie zerstört werden, wenn der
Militärflughafen angegriffen wird. Das bedeutet, daß auch die zivilen Flughäfen
angegriffen werden. Ich versuche nur, Ihnen einen Eindruck von der Argumentation
hinter solchen Angriffen zu vermitteln.
In diesem Fall hätten Sie eine zweite – wiederum willkürlich angenommen –
taktische Nuklearwaffe mit 75 kt. Sie könnte durchaus größer sein, und ich
glaube sogar, sie wäre wahrscheinlich größer (Abbildung 12). Und in dem
Gebiet zwischen diesen beiden Feuerbereichen würden Winde aus den beiden
Windbewegungen entstehen, die Luft ansaugen und miteinander konkurrieren, was
dazu führen würde, daß das gesamte Gebiet zu einem riesigen Feuersturm
verschmilzt.
Abb. 13: Fotos von Schäden durch den Feuersturm in Nagasaki, maßstabgerecht
überlagert mit dem Feuersturmgebiet in Hamburg im Juli 1943.
Abb. 14a [oben], b [unten]: Nagasaki, Japan, oben vor und unten nach einem Atomangriff und
einem „Feuersturm“ durch die Detonation einer 22-Kilotonnen-Bombe am 9. August
1945.
Das ist also die Art von Schaden: unvorstellbar! Wie Sie wahrscheinlich
erkennen können, habe ich mir hier viel Mühe gegeben, um Grafiken
zusammenzustellen, die realistisch sind, so gut wir es als Menschen eben
können.
Hier habe ich zu dieser Grafik, die nur das Brandgebiet von Hamburg zeigt,
Nagasaki hinzugefügt, in einem vergleichbaren Maßstab (Abbildung 13). Die
Straßenmaße sind also mit dem ausgebrannten Gebiet vergleichbar.
Dies ist ein kleineres Gebiet, das ich Ihnen hier zeige. Wenn Sie einen
Eindruck vom Ausmaß der Schäden bekommen wollen, die durch den Atomangriff auf
Nagasaki entstanden: Das ist eines der beiden Fotos oben vor dem Angriff
(Abbildung 14a), und hier ist es nach dem Angriff (Abbildung 14b).
In diesem Fall gab es eine starke Explosion, und an dem Ort waren praktisch alle
Gebäude und alles Leben eliminiert.
Damit komme ich zum Schluß.
Ich könnte mehr zum radioaktiven Niederschlag sagen, aber ich denke, mein
Punkt hier ist der: Um transparent und unverblümt zu sein, muß man die Wahrheit
aussprechen. Ich bin offen gegenüber den Menschen, wenn ich über diese Themen
spreche. Ich möchte die Situation nicht überbewerten. Tatsächlich untertreibe
ich sie sogar. Ich möchte, daß die Menschen verstehen, daß wir es hier wirklich
mit dem Abgrund zu tun haben: dem Ende der menschlichen Zivilisation, wie wir
sie kennen, und möglicherweise dem Ende des menschlichen Lebens auf dem
Planeten, wie wir ihn kennen. Und ich versuche, mit diesen Grafiken so ehrlich
wie möglich zu sein, sie nicht zu übertreiben, sondern Ihnen nur einen Eindruck
davon zu vermitteln, was passieren könnte. Und deshalb stimme ich der
Argumentation von Botschafter Jack Matlock in allen Punkten voll und ganz
zu.
(Den Videomitschnitt des Vortrags mit deutscher Simultanübersetzung finden
Sie im Youtube-Kanal des Schiller-Instituts)
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