Botschafterin klassischer Musik in Thailand
Von Sophie Tanapura
Sophie Tanapura ist ausgebildete Sopranistin und Gründerin der
Metropolitan Opera of Bangkok. Im vierten Abschnitt der Internetkonferenz des
Schiller-Instituts am 16. Juni 2024 sagte sie folgendes.
Hallo zusammen. Viele von uns haben sich seit etwa 20 Jahren nicht mehr
gesehen. Ich freue mich sehr, daß Mike [Billington] mich kontaktiert hat und
mich gebeten hat, zu sprechen, auch wenn ich nur nüchtern über einige Dinge
berichten werde, die ich in Thailand getan habe, seit ich Europa verlassen
habe. Es ist wirklich eine Ehre und ein Vergnügen, alte Freunde
wiederzutreffen. Ich werde einfach darüber sprechen, was ich mit Musik gemacht
habe, seit ich Europa verlassen habe. Ich bin damit immer noch aktiv.
Lassen Sie mich es so sagen: Ich hege eine große Leidenschaft für die
klassische Musik, so sehr, daß ich eine Ausbildung als Sopranistin
absolvierte. Das hat in meinem Leben viel verändert. Ich habe dem
Schiller-Institut viel zu verdanken, denn es hat mich nicht nur mit
Gesangslehrern wie dem mexikanischen Baß José Briano und der deutschen
Altistin Gertrude Pitzinger bekannt gemacht, sondern vor allem mit Schillers
Schriften, die uns heute durch schwierige Zeiten helfen, wie [Die
Gesetzgebung des] Solon und Lycurgus – das ist auf jeden Fall heute
relevant – Don Carlos und Über die ästhetische Erziehung des
Menschen. Das sind „bibelähnliche“ Schriften, auf die mein Mann und ich
uns ständig beziehen.
Diese Werke haben mich dazu inspiriert, meine bescheidenen Kenntnisse und
Einblicke in die humanistische Weltanschauung mit anderen hier in Thailand und
in den Nachbarländern zu teilen.
Wie mache ich das? Nach meiner Rückkehr nach Thailand 1985 – ja, so lange
ist das her – gründete ich mit Musiklehrern und ernsthaften Amateuren das
Ibycus Chamber Ensemble, das ich nach Schillers Gedicht Die Kraniche des
Ibykus benannte. Aus dem Ensemble wurde das Ibycus Chamber Orchestra, das
ich acht Jahre lang leiten konnte. Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, damit
Sie wissen, was ich getan habe, tue und weiter tun werde.
Ich konnte es acht Jahre lang leiten und mit europäischen Dirigenten und
Solisten wie Hans Günter Mommer, Christoph Poppen, Lukas David und Hans
Stadlmair zusammenarbeiten. In diesen Jahrzehnten haben wir monatliche
Konzerte in Bangkok, Chiang Mai und Phuket gegeben. Gelegentlich sang ich in
kleineren Kammermusikbesetzungen, und wir unternahmen Konzertreisen nach
Singapur, Kambodscha und Vietnam. In Vietnam sang ich im Opernhaus von Hanoi
Mozarts Exsultate Jubilate unter der Leitung des japanischen Dirigenten
Maestro Yoshikazu Fukumura. Das war im Jahr 1999.
Bei einer anderen Gelegenheit hatte ich als Gast des indischen Konsuls für
kulturelle Beziehungen die Gelegenheit, Kammerorchester, Tanzgruppen und Chöre
in Neu-Delhi, Bengaluru und Mumbai zu besuchen. Auf dieser Reise konnte ich
den Tenören eines Chores helfen, leichter und schöner in die Kopfstimme zu
kommen. Das war eine Freude für alle.
Um die Jahrtausendwende stellte die Stadt Bangkok für einen weiteren kurzen
Zeitraum von fünf Jahren ein beträchtliches Budget für die Ibycus-Gruppe zur
Verfügung, um klassische Instrumente und Gesang zu unterrichten. Am Ende
dieses Zeitraums hatte ich eine Gruppe junger Solisten beisammen, und mit
dieser Gruppe gingen wir den nächsten Schritt, nämlich die Gründung der
Metropolitan Opera of Bangkok. Wir führten gekürzte Versionen von Carl Maria
von Webers Der Freischütz, Johann Strauß' Die Fledermaus,
Mozarts Nozze di Figaro (Die Hochzeit des Figaro) und Glucks Orpheus
und Eurydike auf. Auch wenn sich die Dinge im Laufe der Jahre
weiterentwickelt haben, hat die Aufführung dieser kleinen Opernperlen in
Bangkok die höhere Gesellschaft zum Nachdenken angeregt und ihr eine andere
als die gewohnte Sichtweise vermittelt.
Aber die Arbeit an der kulturellen Entwicklung ist nicht immer einfach.
Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen, die wir erlebt haben. Eine
Zeitlang hat der Direktor der Japan Foundation unser Ibycus Chamber Orchestra
unterstützt. Eines Tages fragte er mich, was er tun könne, um zu helfen, bevor
er seinen Posten in Thailand aufgeben müsse. Ich antwortete: „Nun, Sie könnten
Orchesterinstrumente für die Fakultät für dramatische Künste an der
Thammasat-Universität [in Bangkok] zur Verfügung stellen.“ Die Fakultät wollte
ein Musikprogramm einrichten, um eines Tages Musicals zu produzieren. Eine
Lieferung dieser Instrumente traf einige Monate später ein, um ein Orchester
zu gründen. Doch ein prominentes Mitglied des Kronrates setzte sich durch und
teilte der Fakultät für dramatische Künste mit, daß er nun selbst das
Orchesterprojekt übernehmen würde. Ja, das Orchesterprojekt wurde buchstäblich
gekapert. Wer hätte gedacht, daß sich jemand von meiner kulturellen Arbeit so
bedroht fühlt?
In all den Jahren, die ich hier bin, habe ich viele solcher Geschichten
erlebt. Vor sieben Jahren habe ich ein französisch-italienisches Restaurant
namens Vinifera eröffnet. In diesem Restaurant in Bangkok kann man deutsche
Lieder, französische Mélodies, italienische Canzonettas und Opernarien hören.
Ich habe es zu einer Oase des Humanismus mitten in Bangkok gemacht. Auch in
diesen schwierigen Zeiten bieten wir im Restaurant weiter klassische Musik
live an.
Heute, im Alter von 74 Jahren, singe ich immer noch in Konzerten. Meine
Gesundheit ist immer noch sehr gut, so daß ich weiterhin meine Kunst ausüben
kann. Mein japanischer Klavierbegleiter ist erstaunt, daß ich in meiner Kunst
immer noch Fortschritte mache, und ich hoffe, daß Sie alle die gleiche
Gesundheit, Energie und Freude haben, das zu tun, was Sie lieben.
Ich unterrichte auch immer noch Gesang, und mein jüngster Schüler ist ein
vielversprechender junger 20-jähriger thailändisch-ukrainischer Tenor.
In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam die Menschheit
fest an die Hand zu nehmen und mit Franz Schuberts Frühlingsglaube
einer Goldenen Renaissance entgegenzugehen. Nach einem sehr harten Winter, den
wir gerade durchmachen, wird es immer wieder Frühling geben. Das ist ein Lied,
das ich immer wieder gerne singe, auch wenn es auf Deutsch ist und hier in
Bangkok kaum jemand Deutsch versteht. Aber ich werde es immer wieder erklären
und versuchen, die Menschen zu inspirieren, daß ein Frühling kommt. Das war's
für heute.
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