Eine „Internationale Entwicklungsbank“
für Industrialisierung statt Massenmigration
Das amerikanische Schiller-Institut veröffentlichte am 24. November eine neue
Studie – Entwicklungsoffensive bedeutet: Milliarden neue Arbeitsplätze, keine
Flüchtlinge, kein Krieg – als dringende politische Intervention gegen den
wirtschaftlichen Zusammenbruch im Westen und die eskalierende Kriegsgefahr. Der Bericht
ordnet die globale Flüchtlingskrise in dieses Bild ein. Mit Diagrammen und Graphiken
wird die Lösung für die beispiellose aktuelle Notlage aufgezeigt: Der Globale Norden
muß mit dem Globalen Süden und Osten bei Wirtschaftsprojekten zum Nutzen aller
zusammenarbeiten. Der folgende Beitrag aus dieser Studie zeigt auf, wie man die
Schaffung von Milliarden neuen Arbeitsplätzen finanzieren kann.
alh
In diesem Bericht werden die umwälzenden Großprojekte für eine moderne Infrastruktur
beschrieben, die in den Entwicklungsländern benötigt werden (siehe Neue
Solidarität 50/2024). Wenn die Projekte klar sind, kommt es auf den politischen
Willen an, in internationaler Zusammenarbeit Kredite für eine bessere Zukunft von
Milliarden von Menschen in diesen Ländern zu schöpfen. Dazu müssen die
maßgeblichen Länder des „Westens“ zusammen mit den BRICS-Staaten langfristige,
zinsgünstige Kredite vergeben, die für diese großen neuen Infrastrukturinvestitionen
erforderlich sind. In Verbindung damit sollte die rekordhohe Last unbezahlbarer
Schulden, die seit dem globalen Finanzcrash von 2007-08 auf den Entwicklungsländern
lastet, beseitigt werden. Die Welt hat sich von diesem Crash nie erholt und wird es
ohne eine Revolution in der Kreditpolitik der wichtigsten westlichen Länder auch nie
tun.
Nach dem Crash sackten die weltweiten Entwicklungskredite ab und blieben ein ganzes
Jahrzehnt lang unter dem Niveau von 2008-09, mit Ausnahme der Kredite für Chinas Neue
Seidenstraße (Gürtel- und Straßen-Initiative, BRI), die das teilweise ausglichen. Als
sich die Weltbank und andere Entwicklungs-Kreditgeber Ende des letzten Jahrzehnts
endlich erholten, belasteten die hohe Inflation bei Rohstoffen und die unvermittelt von
der US-Notenbank ausgelöste weltweite Zinserhöhung von fünf Prozent und mehr die
Entwicklungsländer mit neuen Schulden und Währungsabwertungen.
Quelle: EIR
Abb. 1: Lyndon LaRouches „Typische Kollapsfunktion“
Abb. 2: Der gewaltige Berg der spekulativen Schulden kann
nicht zurückbezahlt werden und muß geordnet aus der Welt geschafft werden.
Quelle: EIR
Die heutige Situation ähnelt der, die der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler
und Staatsmann Lyndon LaRouche in seiner berühmten pädagogischen „Typischen
Kollapsfunktion“ („Tripelkurve“) dargestellt hat (siehe Abbildung 1).
Laut einem aktuellen Bericht, den Debt Relief International und Norwegian Church Aid
Ende Juli 2024 veröffentlichten, hat die Belastung der Staatshaushalte der
Entwicklungsländer durch den Schuldendienst im Jahr 2024 ein Allzeithoch erreicht – er
verschlingt nicht weniger als 42,2% ihrer Gesamtausgaben. Der jährliche
Schuldendienst beträgt nun im Durchschnitt aller Entwicklungsländer 8,4% des BIP
und ist damit 2,5-mal so hoch wie ihre Bildungsausgaben und 4,2-mal so
hoch wie ihre Gesundheitsausgaben. Diese Schuldenlast vernichtet produktive und
qualifizierte Arbeitsplätze und ist ein wesentlicher Grund für die Massenmigration
aus allen Teilen des Entwicklungssektors mit Ausnahme Ostasiens.
Hinzu kommt noch die extrem spekulative Derivateblase, die die weltweiten
Finanzaggregate über die 2 Billiarden-Dollar-Marke bringt (siehe Abbildung
2). Sie muß schlicht und einfach abgeschrieben werden. Ein wesentlicher
Schritt dazu ist die Einführung eines Trennbankensystems nach dem Vorbild des
amerikanischen Glass-Steagall-Gesetzes, das unter Präsident Franklin Roosevelt
eingeführt wurde und bis Ende des letzten Jahrhunderts gute Dienste leistete (im
Nachkriegseuropa gab es vergleichbare Regelungen). Unter dem Gesetz galt eine strikte
Trennung zwischen Geschäftsbanken, die für eine geregelte Wirtschaft notwendig sind und
deshalb vom Staat geschützt werden, aber keine Spekulationsgeschäfte tätigen dürfen,
und Investmentbanken, die spekulieren, aber keine Kundengelder verwalten dürfen und im
Fall einer Pleite auf sich selbst gestellt sind.
Diese Trennung bedeutet, daß es keinen „Bail-in“ – Enteignung von Bankkunden – und
auch keinen „Bail-out“ – Bankenrettung durch den Steuerzahler – gibt. Die Schulden aus
der Derivatspekulation müssen abgeschrieben werden – wenn nötig, durch ordentliche
Konkursverfahren einzelner Banken.
Eine Zusammenarbeit bei der Kreditvergabe für Investitionen in Infrastruktur und
Industrialisierung ist für Länder, die Investitionsgüter exportieren, absolut
vordringlich. Der Schlüssel zu dieser Zusammenarbeit sind ihre Entwicklungsbanken.
Eine Internationale Entwicklungsbank
Das Modell für diese Entwicklungskredite hat Lyndon LaRouche schon vor fast 50
Jahren entworfen. Er nannte es die Internationale Entwicklungsbank (IDB), die er den
blockfreien Staaten vorschlug, die auf ihrer Konferenz in Colombo auf Sri Lanka 1976
großes Interesse daran zeigten. Sein Konzept ist immer noch gültig.
Es beginnt mit einem Moratorium, das die unbezahlbaren Schulden eines
Entwicklungslandes einfriert, das Kredite für den Aufbau von Projekten aufnehmen muß.
Die Voraussetzung für die Kreditvergabe ist, daß die Projektinvestitionen die
Produktivität der Wirtschaft mit der Zeit erhöhen; die unbezahlbaren Schulden sinken,
und ihre Rückzahlung ist an die industrielle Entwicklung gebunden. „Bedingungen“ oder
„Konditionalitäten“ wie beim IWF soll es bei der Kreditvergabe der IDB nicht geben.
Solche Konditionalitäten von IWF u.a. dienen heute als Waffe, um die Volkswirtschaften
und die Souveränität von Nationen zu zerstören.
LaRouche präzisierte damals:
„Die wichtigsten Kategorien der nicht mehr tragbaren Altschulden werden in einem
Moratorium ,eingefroren‘, und die Verhandlungen über die künftige Tilgung dieser
Schulden werden getrennt vom Tagesgeschäft der neuen Institution geführt.
Zu diesem Zweck haben wir ... große, konkrete Entwicklungsprojekte identifiziert,
die (über einen Entwicklungszeitraum von fünf bis zehn Jahren) leicht zu einer massiven
Steigerung der Produktion und der sozialen Produktivität der Weltlandwirtschaft führen
können und damit die infrastrukturelle Grundlage für eine massive industrielle
Entwicklung schaffen. Daher sind Kredite, die für die Durchführung solcher Programme
vergeben werden, sicher und liquide.
Die vorgeschlagene Internationale Entwicklungsbank ist daher im wesentlichen eine
internationale Vertragsorganisation der teilnehmenden Volkswirtschaften (Staaten). Sie
fungiert als Planungsforum für die Aushandlung umfassender Verträge über
wirtschaftliche Zusammenarbeit...“
Für die Lösung der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise – mit sich ausbreitenden
Kriegen, Milliarden „informellen“ Billiglohnjobs und chaotischer Massenmigration –
brauchen wir eine solche Internationale Entwicklungsbank, die in der Lage ist, bis zum
Ende des Jahrzehnts und länger jährlich mehrere Billionen Dollar an Krediten für die
Entwicklung von Infrastruktur und Landwirtschaft zu vergeben.
Deshalb beschrieb LaRouche, wie Nationalbanken und multinationale Entwicklungsbanken
Verträge über die langfristige Zusammenarbeit bei der Entwicklungsfinanzierung für eine
solche umfangreiche Kreditvergabe schließen müssen – heute beträfe dies die
BRICS-Länder und die großen westlichen Länder. Und deshalb muß man sich auf die
wirklich „transformativen“ multinationalen Projekte konzentrieren, die
Volkswirtschaften auf eine höhere Ebene heben, so wie sie in diesem Bericht vorgestellt
werden.
Ein Potential für Zusammenarbeit: Die „BRICS-Bank“ und westliche
Entwicklungsbanken
Wichtige Elemente einer solchen Entwicklungsbank wären bereits vorhanden. Das sind
neben der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten insbesondere die Europäische
Investitionsbank (EIB) und die amerikanische International Development Finance
Corporation (DFC), außerdem gibt es Einrichtungen auf nationaler Ebene wie die
französische Caisse des dépôts et consignations International Capital (CDC IC), die
italienische Cassa Depositi e Prestiti (CDP) oder die deutsche Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW). Sie sind alle für den weltweiten Bedarf zu klein dimensioniert –
die NDB laut Satzung mit maximal 100 Milliarden Dollar, die DFC laut BUILD Act des
US-Kongresses von 2018 mit 60 Milliarden Dollar, die EIB mit 249 Milliarden Euro –,
aber ihr Kapital kann und sollte sofort aufgestockt werden. Weder die NDB noch die DFC
stellen formelle „Konditionalitäten“, da die Darlehen der NDB durch die Mitgliedsländer
und die Direktdarlehen der DFC durch das US-Finanzministerium garantiert sind.
Leider gibt es zwischen diesen Instituten eine starke Tendenz zur Konkurrenz, vor
allem von westlicher Seite. So steht die DFC aktiv im Wettbewerb mit chinesischen
Staatsbanken, die Verkehrsinfrastruktur in Peru und im Lobito-Korridor im südlichen
Afrika finanzieren. Dieser Wettbewerb erhöht die Kosten und verzögert die
Fertigstellung der Projekte.
Diese Investitionsplattformen – die der BRICS-Staaten und westliche wie die DFC, die
der ersten Präsidentschaft von Donald Trump zu verdanken ist – können und sollten
Vereinbarungen über eine kooperative Finanzierung treffen, um
Infrastruktur-Modellprojekte zu fördern, die Staaten oder Regionen, die beiden Seiten
freundlich gesinnt sind, verändern und industrialisieren können.
Ein Beispiel dafür ist der Lobito-Schienenkorridor durch Angola, Sambia und
Tansania. Ein zweites ist eine weitere „transkontinentale“ Eisenbahn: die längst
überfällige „Bi-Ozeanische Eisenbahn“ (Bioceanica) von Peru nach Brasilien. Ein drittes
Beispiel wäre die geplante Hochgeschwindigkeits-Nord-Süd-Bahnstrecke in Vietnam von
Ho-Chi-Minh-Stadt nach Hanoi, ein 70 Milliarden-Dollar-Projekt, das Vietnam mit eigenen
Haushaltseinnahmen und neuen Staatsanleihen finanzieren will.
Das Potential der EIB
Eine europäische Einrichtung, die mit der NDB der BRICS bei der Finanzierung von
Aufbauprojekten im Globalen Süden kooperieren könnte und sollte, ist die Europäische
Investitionsbank (EIB). Die EIB arbeitet als multilaterale Geschäftsbank und vergibt
Kredite auf der Grundlage des Kapitals, das die Mitgliedsländer im Verhältnis zu ihrem
BIP einzahlen.
Bisher dient dieses Geld vor allem zur Finanzierung „grüner“ Projekte: Green Deal,
Dekarbonisierung, Great Reset sowie ausführende Finanzinstitute (die EIB ist laut
Statut an solche „grünen“ Investitionen gebunden, deshalb müßte man das Statut ändern).
Aber mit einem Richtungswechsel könnte die EIB eine sehr nützliche Rolle spielen.
Der Vorteil dieser Option gegenüber dem derzeitigen EU-System ist, daß der
Aufbaufonds der EU nur verleihen kann, was er selbst leiht, während die EIB ein
Vielfaches des eingezahlten Kapitals verleihen kann, wie es jede Geschäftsbank
traditionell tut. Wir schlagen einen sehr konservativen „Hebel“ von 1:4 vor, d.h. das
Vierfache des Kapitals. Das klingt viel, ist tatsächlich aber sehr wenig, wenn man
bedenkt, daß z.B. die Deutsche Bank eine Hebelung von 1:24 hat und die EZB eine
maximale Hebelung von 1:33 festgelegt hat.
Das bedeutet, daß die EIB mit einem Kapital von 800 Milliarden Euro genug Kredit
schöpfen könnte, um zahlreiche Kooperationsprojekte Europas mit dem Globalen Süden zu
realisieren. Gemäß ihrer Satzung kann die EIB maximal 248,8 Milliarden Euro von ihren
Mitgliedern abrufen, sie sollte deshalb mit etwa 550 Milliarden mehr ausgestattet
werden. Das ist weniger als das, was die Europäische Union als „Next Generation EU“
auszugeben plant, nämlich 750 Milliarden Euro, aber es wäre ein wichtiger Beitrag, um
den Wirtschaftsaufbau im Globalen Süden voranzutreiben – und dies als „Zugpferd“ zu
nutzen, um auch die stagnierenden europäischen Volkswirtschaften wieder in Schwung zu
bringen.
Ein Beispiel aus China und Frankreich
Ein weiteres Potential: 2016 schlossen die französische Caisse des dépôts et
consignations International Capital (CDC IC) und die China Investment Corporation (CIC)
eine Vereinbarung zur Gründung des Sino-Französischen Drittländer-Investmentfonds.
Der Fonds verfügt über ein Anfangskapital von 300 Millionen Euro, das zu gleichen
Teilen von CDC IC und CIC Capital bereitgestellt wird. In den kommenden Jahren soll
dies auf 2 Milliarden Euro erhöht werden. Ein Drittel der Kredite wird in Afrika
investiert. Der Direktor von CDC IC, Laurent Vigier, erklärte dazu: „Diese neuartige
Allianz, die durch diesen Fonds besiegelt wird, zielt darauf ab, die wirtschaftliche
Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern zu fördern. Anstatt in Afrika direkt
miteinander zu konkurrieren, werden wir in Partnerschaft investieren.“ Der ehemalige
französische Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin erklärte: „Der Sino-Französische
Drittländer-Investmentfonds soll sich auf 2 Milliarden Euro belaufen und es uns
ermöglichen, gemeinsame Projekte auf dem Kontinent zu finanzieren.“
China hatte einen viel ehrgeizigeren Fonds in der Größenordnung von 50 Milliarden
Euro im Sinn, wie ein CDC-Vertreter berichtete; aber Frankreichs Staatsfinanzen ließen
das nicht zu.
Kooperationsabkommen zwischen solchen Investitionsplattformen zur Ankurbelung der
Wirtschaft in Entwicklungsländern sind Bestandteil einer IDB, wie sie LaRouche vor
einem halben Jahrhundert prophetisch vorgeschlagen hat. Und sie sind der einzige
Weg, Migranten als produktive Bürger in ihre Heimatländer zurückzuholen, anstatt
immer neue und größere Flüchtlingswellen zu erleben.
|