Poesie statt „Information“
Von Bill Ferguson
Bill Ferguson ist ein Aktivist des Schiller-Instituts in Boston
in den USA. In der Konferenz zum 40jährigen Bestehen des Schiller-Instituts am
8. Dezember sagte er folgendes.
Friedrich Schiller, der Dichter der Freiheit, beginnt seinen Essay Über
das Erhabene mit den Worten:
„,Kein Mensch muß müssen‘... Der Wille ist der Geschlechtscharakter des
Menschen, und die Vernunft selbst ist nur die ewige Regel desselben. Vernünftig
handelt die ganze Natur; sein Prärogativ ist bloß, daß er mit Bewußtsein und
Willen vernünftig handelt. Alle andern Dinge müssen; der Mensch ist das Wesen,
welches will.“
Die Freiheit des Menschen wird verletzt, wenn er dem äußeren Zwang eines
Sklavenhalters oder Tyrannen ausgesetzt ist. Aber ist der Mensch frei, wenn
seine inneren Impulse im Widerspruch zur Vernunft stehen?
Schiller hielt an dem Ideal einer „schönen Seele“ fest, „einer, in der
Vernunft und Gefühl, Pflicht und Leidenschaft verschmelzen, einer, der seine
Pflicht mit Freude erfüllt.“ Wie er in seinen Briefen über die ästhetische
Erziehung des Menschen feststellt, „... ist es die Schönheit, durch die man
zur Freiheit gelangt“, oder wie er es in Die Künstler poetisch
ausdrückt:
So wie die rationalen Kräfte des Schülers geschult werden müssen, zeigt
Schiller, daß es die freudige Pflicht des Künstlers ist, die Emotionen
des Publikums zu schulen, damit sie sich am Schönen, Harmonischen und Wahren
erfreuen, damit sie das Theater als bessere Menschen verlassen und sich
schließlich nur noch am Schönen, Harmonischen und Wahren erfreuen. Es ist
die Pflicht des Künstlers, sie spielerisch auf dem Weg zu schönen Seelen zu
begleiten.
So werden die Bürger zur Fähigkeit der Selbstregierung erhoben, der einzigen
Regierungsform, die der Würde des Menschen würdig ist. Aber ästhetische Bildung
und Selbstregierung erfordern, wie die Poesie, eine gemeinsame Sprache für den
Austausch und die Entwicklung eines Volkes, daher die Notwendigkeit der
nationalen Souveränität. Wie Jeanne d'Arc in Schillers Die Jungfrau von
Orleans über den englischen Eindringling sagt:
Der fremde König, der von außen kommt,
Dem keines Ahnherrn heilige Gebeine
In diesem Lande ruhn, kann er es lieben?
Der nicht jung war mit unsern Jünglingen,
Dem unsre Worte nicht zum Herzen tönen,
Kann er ein Vater sein zu seinen Söhnen?
Schillers Werke zeigen die Liebe und den Kampf der gesamten
Menschheit für die Freiheit: die Verteidigung der nationalen Souveränität in
Frankreich, angeführt von der göttlich inspirierten Johanna, der Aufstand der
Vereinigten Niederlande gegen die spanische Herrschaft in Don Carlos,
und Wilhelm Tell, sein Drama über den Aufstand der Schweizer
gegen die habsburgische Tyrannei, in dem der Rütlischwur als deutsche
Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika
betrachtet werden kann:
„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
wenn unerträglich wird die Last – greift er
hinauf getrosten Mutes in den Himmel,
und holt herunter seine ew'gen Rechte,
die droben hangen unveräußerlich
und unzerbrechlich wie die Sterne selbst -“
1984 veröffentlichte das Schiller-Institut die „Erklärung der
unveräußerlichen Menschenrechte“, eine von Helga Zepp-LaRouche umgeschriebene
Neufassung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die deren Prinzipien auf
die gesamte Menschheit anwendet. Was ist das Recht auf „Leben, Freiheit und das
Streben nach Glückseligkeit“ anderes als das Recht, den eigenen Geist und das
eigene Herz bis zum vollen Potential zu entwickeln, das Recht, an dem
teilzunehmen, was Schiller als „das vollkommenste aller Kunstwerke, die
Errichtung einer wahren politischen Freiheit“ bezeichnete? Das Recht, eine
schöne Seele zu werden?
Während wir nun hoffnungsvoll auf eine Zukunft jenseits dieses aktuellen
Punctum saliens hinarbeiten, in der wir, wie Schillers Stauffacher warnt,
dreitausendfach miterleben, daß
und bald droht, keinen von uns zu verschonen, wenden wir uns wieder unserem
verehrten Lyndon LaRouche zu. In Keplers Entdeckung: Mathematik ist keine
Wissenschaft bezieht sich LaRouche auf seine Behauptung von 1978, daß „die
Poesie beginnen muß, die Mathematik in der Physik zu ersetzen“. Das zweite
Kapitel, „Poesie als Wissenschaft“, schließt mit einem Unterabschnitt,
„Verteidigung der schönen Seelen“. Der Unterabschnitt beginnt:
„Es gibt zwei Werke der klassischen englischen Dichtung, die mich seit meiner
Jugend am stärksten beeinflußt haben: Ode an eine griechische Urne von
[John] Keats und Verteidigung der Poesie von [Percy] Shelley. Ersteres,
weil es die Qualität eines vollkommen ironischen, klassischen Gedichts erreicht;
letzteres, insbesondere der abschließende lange Absatz, der in den Spiegel
meiner Seele blickt.
In jeder gültigen Wissenschaft und jeder wahrhaft klassischen künstlerischen
Komposition und ihrer Aufführung ist es die Qualität der Botschaft, die das
Produkt menschlicher Kreativität von der Betonung des einfachen wörtlichen
Hinweises durch das tierische Geschöpf unterscheidet, was man als klassische
Ironie bezeichnet ...“
Am Ende des Artikels zitiert LaRouche zunächst Percy Shelley:
„Die Menschen, denen diese Kraft innewohnt, mögen oftmals in vielen Zügen
ihres Wesens wenig augenfällige Übereinstimmung mit jenem Geist des Guten
zeigen, dessen Werkzeug sie sind. Aber selbst während sie ihn verneinen und ihm
abschwören, sind sie doch gezwungen, der Macht zu dienen, die auf dem Thron
ihrer eigenen Seele sitzt. Es ist unmöglich, die Werke der berühmtesten Autoren
der Gegenwart zu lesen, ohne von jenem elektrischen Funken ergriffen zu werden,
der in ihren Worten glüht. Sie messen den Umfang und loten die Tiefe der
menschlichen Natur mit einem alles umfassenden, alles durchdringenden Geist und
sind selbst vielleicht am aufrichtigsten erstaunt über seine Offenbarungen; denn
es handelt sich weniger um ihren eigenen als vielmehr um den Geist der Zeit.
Dichter sind Priester einer unbegriffenen Inspiration; Spiegel riesenhafter
Schatten, die die Zukunft auf die Gegenwart wirft; Worte, die sagen, was sie
selbst nicht verstehen; Trompeten, die zum Kampfe blasen und nicht empfinden,
was sie eingeben; sie sind die Kraft, die selbst nicht bewegt wird, aber andere
bewegt. Dichter sind die nicht anerkannten Gesetzgeber der Welt…”
Hier kommt LaRouche zu dem Schluß:
„Manchmal denke ich an die Zeit, als Goethe mit Schiller zusammenarbeitete;
aber dann denke ich auch an eine andere Seite.
Hier spüren wir in der Poesie das dynamische Prinzip all jener Entdeckungen,
die den Einzelnen befähigen, Ideen von Prinzipien zu entwickeln, die
Gesellschaften und auch die Planeten bewegen. Die Wissenschaft bewegt Planeten.
Klassisches künstlerisches Genie bewegt die Individuen, die die Gesellschaft
bewegen, die die Planeten bewegen, dann die Sterne und dann vielleicht auch die
Galaxien.“
Zu Ehren des revolutionären und stets optimistischen Lyndon LaRouche wollen
wir unsere Gesellschaften und unseren Planeten in Hoffnung bewegen.
Hoffnung
Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen;
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an,
Zu was Besserm sind wir geboren,
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
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