„Entwicklungskorridore senken die Netto-Transportkosten auf Null“
Von Michele Geraci
Michele Geraci ist ehemaliger Staatssekretär im italienischen
Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung. In der Konferenz zum 40jährigen
Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte er folgendes.
Guten Abend allerseits. Ein ganz kurzer Kommentar aus Shanghai, wo ich mich
gerade aufhalte. Wenn die Welt immer komplexer und intensiver wird, müssen wir
um so mehr Lösungen finden. Ich möchte nur zwei wichtige Punkte erwähnen.
Im Bereich der internationalen Beziehungen sieht es immer so aus, daß der
Westen einen „Nullsummenansatz“ verfolgt, was bedeutet: Wenn Sie gewinnen, muß
ich verlieren, und mein Gewinn bedeutet Ihren Verlust.
Der Globale Süden – nennen wir ihn Belt and Road, die BRICS – tendiert
dagegen eher zu einem „Win-Win-Ansatz“, was bedeutet: Ihr Wohlstand, Ihre
Stabilität und Ihre wirtschaftliche Entwicklung kommen auch meinem Wohlstand,
meiner Stabilität und meiner wirtschaftlichen Entwicklung zugute.
Ich verwende eine Metapher, um diese beiden Ansätze zu vergleichen. Das
Nullsummenspiel, die von den USA bzw. dem Westen angeführte Philosophie, ist ein
bißchen wie ein Tennismatch. Das kann natürlich nur 6:4 oder 4:6 ausgehen: Wenn
ich gewinne, verlierst du, wenn du verlierst, gewinne ich.
Die Win-Win-Situation dagegen ist ein bißchen wie Tango tanzen. Dabei müssen
beide Partner gute Tänzer sein und im Ensemble dann sehr gut sein, damit sie
sehr gut miteinander tanzen können. Und wenn einer der beiden Partner fällt,
fällt auch der andere. Wir möchten, daß beide zusammen gut sind und sich
gegenseitig helfen, gute Darbietungen zu bringen.
Also, der westliche Ansatz ist das Nullsummenspiel, das Tennisspiel, der vom
Globalen Süden ist Win-Win, Tangotanzen. Ich bevorzuge Tangotanzen – den Ansatz,
mehr Menschen zu helfen, anstelle von Wettbewerb, er basiert mehr auf
Zusammenarbeit als auf Konkurrenz.
Der zweite Punkt, den ich mit Erlaubnis des Schiller-Instituts und von Helga
ansprechen möchte: Ich möchte die Vision zitieren, die Lyndon LaRouche vor
vielen Jahren über die Vorteile der Neuen Seidenstraße der BRI, dargelegt hat.
Warum ist das so eine gute Sache? Es ist aus folgendem Grund eine gute Sache –
ich paraphrasiere seine Worte: Die Seerouten sind natürlich wichtig, weil man
Container und Güter von einem Hafen zum anderen transportiert, aber sie schaffen
offensichtlich auf dem Meer keine wirtschaftliche Entwicklung. Sie schaffen
wirtschaftliche Entwicklung im Hafen, am Anfang und am Ende der Route, aber
nicht in der Mitte. Das Wasser ist und bleibt Wasser.
Das andere Element von „Gürtel und Straße“, die Landroute, ist dagegen
diejenige, die China über Kasachstan, Zentralasien, in den Nahen Osten und dann
nach Afrika, Osteuropa und Südostasien entwickeln will und entwickelt. Und
vergessen wir auch nicht den Nord-Süd-Korridor. Diese Route schafft an den
Orten, die sie berührt, wirtschaftliche Vorteile. Eine Eisenbahnlinie, eine
Autobahn bringt Entwicklung in diese Regionen, vielleicht durch die
Wertsteigerung des Bodens oder durch die Ansiedlung von Produktionsstätten in
der Nähe der Strecken.
Ein gutes Beispiel ist der kürzlich eröffnete Hafen von Chancay in Peru, der
natürlich Produktionsbetriebe anlocken wird, die sich dort ansiedeln wollen.
Und in Lyndon LaRouches Vision wird das Wirtschaftswachstum, das allein durch
die Existenz dieser neuen Routen entsteht, so groß, daß die Transportkosten dann
netto null betragen würden, weil die Kosten für eine Investition durch die
wirtschaftliche Entwicklung ausgeglichen werden, die diese Investitionen mit
sich bringen – mindestens für einen kostenlosen Warentransport über diese
Routen.
Nun verstehen Sie, daß diese visionäre Sicht die Art und Weise, wie Länder
miteinander Geschäfte machen, völlig verändert. Sie verändert die Art und Weise,
wie Länder miteinander Handel treiben, von Grund auf. Wem kommt es zugute? Den
Unternehmen, sie gewinnen beide, wenn sie untereinander kaufen und
verkaufen.
Das sind also die beiden Punkte, die ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte.
Wir leben in schwierigen Zeiten. Veranstaltungen wie diese sind sehr wichtig, um
die öffentliche Debatte anzuregen, sowohl bei uns, den direkt in die Themen
involvierten Personen, als auch in der breiten Öffentlichkeit, die für die
Herausforderungen der Welt, den Aufstieg der multipolaren Welt und den Globalen
Süden sensibilisiert werden muß.
Vielen Dank, danke sehr, und beste Grüße aus Shanghai.
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