Musik und Poesie überwinden die Uneinigkeit
Von Nader Majd
Nader Majd ist Präsident und Direktor der Persian Classical Music
Co. in Vienna im US-Bundesstaat Virginia. In der Konferenz zum 40jährigen
Bestehen des Schiller-Instituts am 8. Dezember sagte er folgendes.
Guten Tag, liebe Freunde. Mein Name ist Nader Majd, und ich bin Präsident und
Direktor der Persian Classical Music Co. in Vienna, Virginia.
Ich werde heute über die Bedeutung der Kultur für den Frieden sprechen.
Beides hängt in vieler Hinsicht miteinander zusammen. Das wichtigste ist, daß
die Menschen auf der Welt die Kultur, die Traditionen, die Normen und andere
Aspekte der Kultur in den verschiedenen Ländern verstehen – dann werden sie sich
nicht bekämpfen. Sie werden miteinander reden, vor allem durch Musik, Poesie,
Malerei und alle anderen Mittel, die der Menschheit zur Verfügung stehen, und
sie für den Frieden nutzen.
Ich möchte über eine Erfahrung sprechen, die ich Anfang der 1980er Jahre
gemacht habe, um Ihnen die Bedeutung der Kultur für das Zusammenwachsen der
Gemeinschaft zu verdeutlichen. Anfang der 80er Jahre nahm mich ein befreundeter
Journalist zu verschiedenen politischen Organisationen mit – natürlich
iranischen. Und ich stellte fest, daß diese Menschen sich in jeder Hinsicht
völlig uneinig waren.
Eines Tages rief ich ihn an und lud ihn in die Weltbank ein – ich war damals
Ökonom bei der Weltbank –, um über die Gründung einer Kulturgesellschaft zu
sprechen. Ich sagte ihm: Ich mache Musik und du Poesie. Das ist etwas, bei dem
wir uns nicht uneinig sind. Auf diese Weise können wir die iranischen
Gemeinschaften zusammenbringen.
Ob Sie es glauben oder nicht, es hat funktioniert! Seit 1982, als wir die
Iranische Kulturgesellschaft in Washington gründeten, hält sie wöchentlich jeden
Montag Sitzungen ab. Das tun wir jetzt seit 40 Jahren. Wir luden Menschen aus
allen Schichten ein, mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung. Und sie
konnten sich im selben Raum zusammensetzen und miteinander reden. Das hat
gezeigt, wie wichtig die Kultur ist – eine Dimension, die sehr fruchtbar wird,
wenn man sie zu anderen, etwa politischen Diskussionen hinzufügt.
Heute möchte ich ein Gedicht von Hafis rezitieren, einem der bedeutendsten
iranischen Dichter aus dem 7. Jahrhundert. Dann werde ich versuchen, dieses
Gedicht für Sie ungefähr zu übersetzen, um zu zeigen, wie wichtig Hafis im 7.
Jahrhundert die Überwindung von Streitigkeiten unter den Menschen war. Lassen
Sie es mich zuerst auf Persisch vortragen, für den Rhythmus und die Reime. Wenn
man Gedichte übersetzt, geht dieser musikalische Aspekt verloren. (Liest auf
Persisch.)
Man spürt die Schönheit dieses Gedichts, wenn man die Reime und den Rhythmus
hört. (Liest ein wenig auf Persisch.) Dieser Reim wird immer wieder
wiederholt, was ihn noch schöner macht. Aber nun möchte ich Ihnen eine ungefähre
Übersetzung des Gedichts geben, damit Sie die Botschaft verstehen. Hafis
sagt:
„Letzte Nacht sah ich die Engel an die Tür des Weinhauses klopfen.
Damals mischten sie Wasser und Erde und schufen den Menschen mit Wein.“
In unserer islamischen Religion steht im Koran, daß Gott Berge, Meere usw.
erschuf und sie aufforderte, sich vor ihm zu verbeugen. Aber sie konnten sich
nicht verbeugen, weil sie ja Meere und Berge waren. Darauf beschloß er, Engel zu
erschaffen, und bat die Engel, sich zu verbeugen; aber die Engel konnten es auch
nicht, weil sie ja Geister waren. Da schuf Gott den Menschen, indem er Erde und
Wasser zu Schlamm mischte und eine Statue schuf, der er dann Leben einhauchte.
So erschuf er den Menschen.
Aber Hafis sagt, Gott hat kein Wasser benutzt, sondern Wein. Ich kann es
erklären: Das Bild vom Wein bedeutet in unserer Kultur, die Erhabenheit der Welt
durch Intuition zu betrachten, nicht durch Denken, Verstand und Rationalität.
Intuition ist wichtig. Wenn man Wein trinkt, öffnet er einem die Tür, um die
Welt auf ästhetische Weise zu betrachten.
Nachdem sie den Menschen erschaffen hatten, setzten sie sich hin, und wir
tranken zusammen. Damals lag die ganze Last, die Welt wieder vollkommen zu
machen, auf den Schultern des Menschen. Denn am Anfang war die Welt vollkommen,
aber mit der Ursünde oder wie man es nennen möchte, wurde das Universum
unvollkommen. Der Kosmos wurde unvollkommen. Der Religion zufolge kommt man in
den Himmel, wenn man Gutes tut, und dann ist Gott da und du bist da. Aber den
Sufis zufolge kommt Gott zu dir, wenn du in dieser Welt auf Gott zugehst, so daß
eine Einheit des Seins entsteht. Das basiert auf dem iranischen Irfan und dem
Sufismus.
Hier heißt es also: Die Last liegt auf meiner Schulter, auf „Adams Schulter“.
Und er spricht vom „Kampf zwischen den 72 Nationen“ – er meint natürlich die 72
Zweige des Islam. Er sagt, sie kämpften, zwischen ihnen herrscht Krieg, weil sie
die Wahrheit nicht sehen konnten und anfingen, alle möglichen Geschichten zu
erzählen, ohne die Wahrheit. Wer die Wahrheit kennt, der kämpft nicht
gegeneinander. Dann sagt er: „Zwischen mir und Gott herrschte Frieden, und alle
Sufis begannen zu tanzen und tranken Wein“ als Bekräftigung dieses Friedens
zwischen mir und Gott.
Später verwendet er als Bild das Feuer und sagt: Das Feuer ist nicht dazu da,
daß die Kerze lacht, sondern die Flamme verbrennt die Motte oder den
Schmetterling. Das soll die Liebe und Leidenschaft zwischen der Motte und dem
Feuer zeigen – das ist in unserer zoroastrischen Tradition sehr wichtig. Das
Feuer ist sehr wichtig, es ist die Quelle der Reinigung von allen Sünden
usw.
Am Ende sagt er: Niemand auf der Welt hat die Rationalität in der Existenz
des Universums besser enthüllt als Hafis. Hafis sagt es am besten. Und damals
war eine Zeit, in der sie sich beruhigten. Das wird hier als Metapher verwendet:
Er zähmte die Buchstaben, die Worte. Das ist eine Metapher dafür, daß zu der
Zeit, als sie anfingen miteinander zu reden und das Wort zu erklären, Hafis es
am besten erklären konnte.
Soweit die Übersetzung dieses Gedichts, ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Ich
beantworte gerne Ihre Fragen, wenn Sie welche haben. Ich danke Ihnen für Ihre
Geduld.
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